Darum gehts
- Schweizer Armee-Kartentasche erlebt Comeback als beliebtes Vintage-Accessoire
- Hipster schätzen die schlichte Ästhetik, sogar US-Designerinnen fahren darauf ab
- Gut erhaltene Exemplare werden für dreistellige Beträge gehandelt
Nach dem Militärdienst verschwand das Täschli subito. Man liess es auf dem Estrich oder im Keller verstauben, irgendwo zwischen alten Fotoalben und Skischuhen. Die sogenannte Kartentasche der Schweizer Armee war schnell vergessen. Doch heute ist sie begehrt: Die Tasche erlebt ein Comeback – sie kommt bei Hipstern gut an und wird sogar im Ausland neu interpretiert.
Auf Flohmärkten oder Online-Plattformen wird das Militärtäschli fleissig gehandelt, und das oft zu unerwarteten Preisen. Denn jahrzehntelang war es nicht mehr als das: ein unscheinbarer Teil der Ordonanzausrüstung der Armee.
Beliebt auf Online-Marktplätzen und Flohmärkten
Auf den ersten Blick wirkt die Tasche etwas muffig. Das Leder ist steif, das Design unspektakulär. Auch in der Armee haben sich längst leichtere Hightech-Materialien durchgesetzt. Aber das spielt für Vintage-Fans keine Rolle.
Auf Plattformen wie Ricardo wechseln gut erhaltene Exemplare nicht selten für dreistellige Beträge den Besitzer. Gefragt sind allen voran jene Taschen, in die einst der Herstellername – Lederfirmen aus dem ganzen Land – und das Produktionsjahr eingeprägt wurden. Solche Stücke gelten als besonders authentisch, wie am Bürkliplatz-Flohmarkt in Zürich zu erfahren ist. Dort bieten mehrere Stände regelmässig Militärtäschli an.
Auf einem britischen Online-Marktplatz wird ein Täschli als «Vintage 1974 Swiss Army Leather Bag» für deutlich über 200 Franken angeboten. Andere Händler sprechen von «Urban Crossbody Satchel» oder «Swiss Army Style Satchel». Dass es sich dabei um eine militärische Kartentasche aus der Schweiz handelt, wird nicht verborgen – es gehört zur Geschichte.
«Es ist ein Unikat mit Geschichte»
Die originale Kartentasche besteht aus reinem Rindsleder. Sie soll Ende der 1940er-Jahre erstmals abgegeben worden sein. Das Teil ist funktional: ein Klappdeckel mit Verschlussriemen, gehalten durch eine Schlaufe auf einem Messingknopf. Der Tragriemen ist an zwei Ringen auf der Rückseite befestigt.
Was macht das Militärtäschli aus? Der Maschinenbauingenieur Sam aus Zürich besitzt seit Jahren eines. «Es ist ein Unikat mit Geschichte, das nicht jeder hat», sagt der 32-Jährige. Die schlichte Tasche mit Vintage-Touch lasse sich mit vielem kombinieren, und Accessoires aus der Schweiz seien ja sonst rar. «Besonders im Ausland finden viele die Tasche recht lässig.»
US-Designerin schwärmt von Tasche
Die Gestaltung der Tasche war es auch, von der sich die Designerin Colleen Shea aus Neuengland an der US-Ostküste begeistern liess. Mit ihrem Label Gus Leather Goods bietet sie Taschen im «Swiss Army Style» an.
Gefertigt werden die edlen Teile aus pflanzlich gegerbtem italienischen Leder. Kosten: rund 230 Franken. «Als ich die originale Schweizer Kartentasche erstmals entdeckte, sprach mich ihr schlichtes, klassisches Design sofort an», sagt Shea. Sie fühlte sich dazu inspiriert, «eine moderne Version zu entwerfen, die die ursprüngliche Ästhetik respektiert».
Die Tasche komme gerade bei Männern gut an. Als ihr Mann das fertige Produkt gesehen habe, sei er begeistert gewesen. Andere Taschen habe er als zu gross oder zu unpraktisch empfunden, erzählt Shea. Mit der Schweizer-Armee-Tasche gehörten «überfüllte Hosentaschen ebenso der Vergangenheit an wie die Bitte an mich, seine Handy-Powerbank oder seine Schlüssel mitzunehmen».
Die CH-Media-Zeitungen berichteten dieses Jahr sogar über Instagram-Accounts mit Fokus auf alte Lederwaren, die Schweizer Armeetaschen als «It Peace» in Szene setzen. Teilweise folgen ihnen mehrere Zehntausend Personen. Einige der Accounts stammen auch aus Asien.
Wer noch also noch ein altes Militärtäschli im Keller hat, für den könnte jetzt der Moment sein, es hervorzuholen – um ihm ein zweites Leben zu geben oder es als Secondhand-Stück zu verkaufen.