Brisante Kritik am Staatskonzern
Risiko Ruag! Kommt der F-35 zum Fliegen?

Die Ruag soll vier F-35 zum Fliegen bringen– dadurch wird alles teurer. Volkswirtschaftlich bringt es nichts, wie das VBS intern zugibt. Schon jetzt ist die Ruag mit der Wartung der F-18-Flieger überfordert.
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Bundesrat Martin Pfister (rechts) hat entschieden: Die Ruag ist für die Endfertigung von vier F-35-Jets zuständig.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Offsetgeschäfte haben bei Vollbeschäftigung keinen volkswirtschaftlichen Nutzen
  • Kritik an der Ruag – Piloten mit den F-18-Wartungsarbeiten unzufrieden
  • Piloten kommen nur auf 80 statt auf 120 Flugstunden
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Für den staatlichen Rüstungsbetrieb Ruag war der Freitag ein guter Tag: Der Bundesrat hat bestätigt, dass die Ruag die Endfertigung von vier F-35-Kampfflugzeugen übernehmen soll. Die Ruag sieht darin ihr «wichtigstes Offsetgeschäft» – es sei für die Zukunft des Unternehmens zentral.

Nur: Kann die Ruag das Mammutprojekt überhaupt stemmen? In Teilen der Armee und beim Rüstungsamt Armasuisse herrschen hierüber Zweifel. Dem Vernehmen nach sollen vor allem die ehemalige Bundesrätin Viola Amherd (63) und Rüstungschef Urs Loher (58) das Offsetgeschäft gepusht und sich über Warnungen aus der Belegschaft hinweggesetzt haben.

Die Ruag muss extra eine neue Halle bauen

Dabei sind mit dem F-35-Kaufvertrag alle Bedürfnisse der Luftwaffe abgedeckt. «Der riesige Zusatzaufwand einer Endmontage für nur vier Flugzeuge kostet mehrere hundert Millionen Steuergelder für einen Effekt, den die Schweiz gar nicht braucht», sagt ein Insider zu Blick. «Das von der Ruag kolportierte notwendige Wissen über den F-35 wird die Ruag nie anwenden müssen, da Engineering-Aufgaben immer beim Hersteller bleiben werden.» Also in den USA, nicht in der Schweiz!

Hinzu kommt: Um das Projekt Rigi zu ermöglichen, muss die Ruag gar im hohen zweistelligen Millionenbereich in die Infrastruktur investieren und extra eine neue Halle bauen. Diese Kosten werden indirekt wiederum der Luftwaffe berechnet und auf die Servicekosten der Flugzeuge und Helikopter abgewälzt, was den Betrieb der Systeme für die Luftwaffe weiter verteuert. 

«Kein volkswirtschaftlicher Nutzen»

Offsetgeschäfte sind umstritten, denn sie machen die Kampfjets teurer. Es wäre günstiger, fertig gebaute Flieger zu kaufen, als zusätzliches Geld in die Ruag zu pumpen. Auch volkswirtschaftlich fallen Offsetgeschäfte nicht ins Gewicht: «Unter Annahme einer Vollbeschäftigung der Schweizer Wirtschaft führen Offsetgeschäfte, gleich wie Armeeaufträge an schweizerische Unternehmen, zu keinem volkswirtschaftlichen Nutzen», steht in einem internen Papier des VBS, das Blick vorliegt. «Würden die Offsetgeschäfte nicht anfallen, müsste nach dem Opportunitätsprinzip davon ausgegangen werden, dass andere Aufträge gewonnen und ausgeführt werden könnten.»

Was hingegen für Offsetgeschäfte spricht: Sie erlauben es der Ruag, mit internationalen Spitzenherstellern zusammenzuarbeiten. Das Rüstungsamt Armasuisse betont: «Die Teilendmontage und das Testen von vier F-35 in der Schweiz hilft, Know-how zum Kampfflugzeug der 5. Generation in der Schweiz aufzubauen und die Unabhängigkeit in der Instandhaltung zu stärken.» 

Ruag mit F-18-Wartung überfordert

Die Luftwaffe ist mit der Ruag schon länger unzufrieden – es geht um die Wartung der F-18-Flieger. Die F-18-Kampfjets sind aviatische Oldtimer. Der Bundesrat gab am Freitag bekannt: «Die Alterungsproblematik des F/A-18 C/D hat sich schneller als erwartet verschärft. Produktionsmittel, Fachwissen und Personal zur Herstellung benötigter Komponenten sind zunehmend knapp. In einigen Bereichen müssen bereits heute gebrauchte Teile von anderen Betreibern zugekauft werden.»

Hinzu kommen hausgemachte Ruag-Probleme. Statt auf 120 Flugstunden kommen die Piloten zum Teil nur noch auf 80 Flugstunden pro Jahr. Es gibt einen grossen Verzug in der Instandhaltung und Instandsetzung der Flugzeuge. Zwischen 50 und 70 Prozent der Flugzeuge befinden sich in der Wartung, heisst es in Bern.

Das vom Parlament bewilligte Lebensverlängerungsprogramm des F-18 konnte nur mit mehrjähriger Verzögerung durchgeführt werden und musste nach der Hälfte der Flugzeuge abgebrochen werden. Die ausstehenden Arbeiten werden nun in die normalen Unterhaltsarbeiten an den noch nicht modifizierten Flugzeugen integriert. All das führt zu Flugausfällen und Frust bei den Piloten.

SVP-Nationalrat protestiert

Die Armee teilt mit: «Die Verteilung der Flugstunden ist seit vielen Jahren gleich und gilt auch heute: Die angestrebte Flugstundenzahl für Staffelpiloten liegt bei 120 Stunden, jüngere Piloten werden dabei priorisiert, um den Ausbildungsfortschritt sicherzustellen. Für die älteren Piloten, die in der Regel als Stabspiloten zusätzliche Aufgaben wahrnehmen, beträgt die angestrebte Flugstundenzahl aufgrund ihrer umfangreichen Erfahrung 60 Stunden pro Jahr.»

SVP-Nationalrat Thomas Hurter (62) hält gar nichts von den Plänen des Bundesrates. Der erfahrene Swiss-Pilot zu Blick: «Die Ruag sollte erst einmal sämtliche Leistungen beim F-18 bringen. Statt teurer Offsetgeschäfte brauchen wir mehr F-35!»

Die Ruag behauptet, dank einer «engen Koordination» mit dem VBS habe sich die Situation beim F-18 verbessert. Kritik am Offsetprojekt weist sie zurück: «Die Vorbereitungen für das Projekt Rigi laufen nach Plan. Ruag verfügt über international wettbewerbsfähige Jet-Kompetenzen. Das Unternehmen stellt immer wieder unter Beweis, dass es in der Lage ist, dem kompetitiven Druck standzuhalten – besonders im Bereich Wartung und Instandhaltung komplexer Systeme.»

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