Die «Laueris» in Bern
Das ist die Sündenliste des Bundes

Die Finanzkontrolle führt eine Art Mängelliste der Bundesverwaltung: Empfehlungen zur Behebung von Schwachstellen, die zwar akzeptiert, aber bis heute nicht umgesetzt sind. Manche Ämter schleppen ihre Versäumnisse seit einem Jahrzehnt mit. Wie kann das sein?
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Sie wachen über unsere Steuermilliarden: Die Mitarbeitenden der Eidgenössischen Finanzkontrolle.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Finanzkontrolle überwacht Staatsausgaben. Mängelliste zeigt unerledigte Empfehlungen
  • Behörden setzen Empfehlungen oft nicht fristgerecht um
  • Aktuell stehen 25 Empfehlungen auf der Mängelliste für 2024
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Sie hassen Verschwendung – und wachen darüber, wie unser Steuergeld eingesetzt wird: Die Eidgenössische Finanzkontrolle von Direktor Pascal Stirnimann (52) kontrolliert, ob der Staat korrekt und effizient arbeitet. Die obersten Inspektoren des Bundes hinterfragen Geschäfte, decken Fehlentscheide auf und schlagen Alarm, wenn Projekte aus dem Ruder laufen. 

Die höchsten Finanzüberwacher der Schweiz geben «wichtige Empfehlungen» ab, um die Arbeit des Staats zu verbessern. Doch nicht immer setzen die Behörden diese auch in die Tat um. Deshalb führen die Kontrolleure eine Art Mängelliste. Dort landet jede wichtige Empfehlung, die zwar akzeptiert, aber nicht fristgerecht umgesetzt wurde. Oder schonungslos gesagt: Auf der Liste stehen die grössten «Laueris» in Bundesbern! 

Was steht auf der Mängelliste?

Allzu viel Aufsehen macht die Finanzkontrolle selbst nicht darum. Die Angaben finden sich jeweils im hinteren Teil ihres Tätigkeitsberichts. Es gibt aber kein Pardon: Die geprüften Behörden müssen «jährlich melden, wie die Umsetzung vorangeht». Auch der Bundesrat sei dabei in der Verantwortung, betont die Finanzkontrolle: «Das Gesetz sieht vor, dass er die Umsetzung dieser überfälligen Empfehlungen überwacht.» 

Die Blick-Auswertung zeigt: Auf der aktuellen Liste für 2024 stehen 25 Empfehlungen, die noch immer auf ihre Umsetzung warten. Im Jahr zuvor waren es 17, 2022 deren 18. In den fünf Jahren davor schwankte die Zahl zwischen 8 und 18 offenen Empfehlungen.

Und was steht auf der Mängelliste? Ein Beispiel: Viel Staub angesetzt haben zwei Empfehlungen zu den Immobilien der Armee. Sie hätten bis Ende 2015 (!) umgesetzt werden sollen. Im Kern geht es um den Umgang mit ausgedientem Armeematerial. Die Kontrolleure stellten schon vor Jahren fest, dass der Bund viel davon hortet – das geht ins Geld. Doch teilweise habe man den Überblick verloren. Es brauche klare Konzepte.

Weiteres Beispiel: Nicht mehr ganz frisch ist auch eine Empfehlung an die Zentrale Ausgleichsstelle für AHV und IV. Nötig seien automatisierte Prozesse für die Rechnungsbearbeitung, monierten die auf Effizienz bedachten Kontrolleure. Fällig gewesen wäre die Umsetzung im November 2018.

Und Beispiel Nummer drei: Beim Bundesamt für Justiz sollte die Informatik des Handelsregisters vereinfacht werden, findet die Finanzkontrolle. Eine einzige Anwendung für alle Ämter im Land wäre effizienter – und günstiger. Die ursprüngliche Frist: Ende 2019.

Behörden sind zu optimistisch

Die Finanzkontrolle windet den Bundesbehörden grundsätzlich ein Kränzchen: Mit sehr wenigen Ausnahmen würden die Empfehlungen von den Geprüften akzeptiert. Die Bereitschaft zu Verbesserungen könne «als sehr hoch beurteilt werden». «Die Empfehlungen werden dann auch umgesetzt, häufig allerdings nicht in der vereinbarten Zeit», konkretisiert Sprecher Arnaud Bonvin.

Warum werden manche Empfehlungen jahrelang verschleppt? Dafür gebe es im Kern zwei Gründe, erklärt die Finanzkontrolle. Erstens setzten sich die geprüften Stellen ihre eigenen Zieltermine – und diese erwiesen sich manchmal schlicht als unrealistisch. «Hier klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander», so Bonvin. Der Wille, den Mangel zu beheben, bleibe aber bestehen. Es wird eine Nachfrist gesetzt.

Zweitens komme es vor, dass Behörden eine Empfehlung als «erfüllt» meldeten – die Finanzkontrolle aber nach eigener Prüfung zu einem anderen Schluss gelangt. In solchen Fällen würden die Verantwortlichen aufgefordert, zusätzliche Massnahmen zur Verbesserung der Situation zu ergreifen.

Ist die Liste auch ein Pranger?

Sollen die säumigen Behörden mit der Liste auch an den Pranger gestellt werden? «Die Publikation ist gesetzlich vorgeschrieben», betont die Finanzkontrolle. Dass die Liste an sich eine disziplinierende Wirkung hat, glaubt sie nicht. Damit die Empfehlungen greifen, setzt die Finanzkontrolle auf andere Hebel: ein Controlling mit der Möglichkeit einer «Eskalation» – und bei Bedarf der Einbezug höherer Stellen.

Zuletzt betrafen die meisten offenen Empfehlungen das Verteidigungsdepartement von Martin Pfister (62, Mitte), der im Frühling von Viola Amherd (63, Mitte) übernommen hat: 6 der 25 unerledigten Punkte gingen auf das VBS zurück. Dahinter folgte das Finanzdepartement von Karin Keller-Sutter (61, FDP) mit fünf offenen Empfehlungen. Im Vorjahr zeigte sich ein ähnliches Bild. Nur Zufall? Ja, sagt die Finanzkontrolle. Von einer auffälligen Häufung beim VBS könne keine Rede sein. «Muster lassen sich keine ableiten, es hängt von vielen Faktoren ab.»

Klar ist hingegen: Nachfristen, die Jahre nach dem ursprünglichen Umsetzungsdatum liegen, mögen laut Finanzkontrolle «zwar plausible Gründe haben, sind aber ein Zeichen dafür, dass der wesentliche Mangel über lange Zeit weiterbesteht».

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