Amherds Vermächtnis liegt in Trümmern
Im F-35-Fiasko bleiben nur noch zwei Optionen

Alt Bundesrätin Viola Amherd hat das Verteidigungsdepartement in einem desolaten Zustand hinterlassen. Nun kommt auch noch das F-35-Debakel obendrauf. Ihr Nachfolger muss versuchen zu retten, was zu retten ist. Viele Optionen hat er nicht. Eine Analyse.
Publiziert: 02.07.2025 um 15:31 Uhr
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Aktualisiert: 02.07.2025 um 20:03 Uhr
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Beim Kauf des US-Tarnkappenjets F-35 drohen plötzlich Mehrkosten in Milliardenhöhe.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • F-35-Debakel erschüttert Vertrauen in Politik, Amherds Vermächtnis in Trümmern
  • VBS in desolatem Zustand: Kader-Kündigungen, Korruptionsfall, Nachrichtendienst-Probleme
  • Kampfjet-Kauf: 6-Milliarden-Kredit mit nur 50,1 Prozent Zustimmung
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Es war die Untertreibung des Jahres: «Ich will nicht sagen, dass immer alles perfekt gelaufen ist», hatte Mitte-Bundesrätin Viola Amherd (63) bei ihrer Rücktrittsankündigung im Januar erklärt. Dabei zeigte sich ihr Verteidigungsdepartement (VBS) in desolatem Zustand.

Hochrangige Kader haben reihenweise gekündigt. Ein Korruptionsfall erschüttert den Rüstungskonzern Ruag. Der Nachrichtendienst fällt immer wieder negativ auf. Der neue Staatssekretär für Sicherheitspolitik musste gehen, bevor er kam. Nebenbei erkannte die Finanzaufsicht des Parlaments bei gleich sieben grossen Rüstungs- und IT-Vorhaben massive Probleme. Und, und, und ...

Grosserfolg steht plötzlich in ganz schiefem Licht

Und nun auch noch das F-35-Debakel. Der Kampfjet wird doch viel teurer als versprochen. Von einem Fixpreis, auf den Amherd stets beharrt hatte, wollen die USA nichts wissen. Dabei war es einer der wenigen Erfolge, den die Mitte-Bundesrätin in ihrer sechsjährigen Amtszeit aufweisen konnte: Nach einem erbitterten Abstimmungskampf hatte das Stimmvolk dem 6-Milliarden-Kauf zugestimmt – wenn auch nur hauchdünn mit 50,1 Prozent.

Plötzlich aber steht der Erfolg in ganz schiefem Licht. Hätte der Souverän von den massiven Mehrkosten gewusst, die Vorlage hätte kaum eine Mehrheit gefunden. Das Fiasko erschüttert einmal mehr das Vertrauen in die Politik. Amherds Vermächtnis liegt in Trümmern.

Das Problem ist nicht neu. Seit Jahrzehnten kommt es bei Rüstungsvorhaben immer wieder zu Mehrkosten in Millionenhöhe und mehrjährigen Verzögerungen. Bedeutet auch: Viele Probleme hat Amherd schon von ihren Vorgängern geerbt. Aber: Auch sie hat den Laden nicht in den Griff bekommen.

Schuld sind immer die anderen

Dabei zeigt sich beim VBS immer wieder dasselbe Muster: Warnungen wurden nicht ernst genommen, Probleme klein- oder ganz weggeredet – gegen aussen und innen. Exemplarisch zeigt das ein Bericht zur neuen Luftraumüberwachung. Dieser kritisiert die «problematische Führungskultur». Eine «Lehmschicht» verhindere, dass Probleme offen diskutiert würden.

Warnungen gab es auch beim F-35. Die Finanzkontrolle schlug schon vor drei Jahren Alarm, weil der Fixpreis rechtlich nicht gesichert sei. Das VBS reagierte gereizt auf die Warnrufe. Der Kampfjet-Kauf sollte gegen alle Widerstände durchgeboxt werden.

Von Problemen oder gar Fehlern wollte Amherd nichts wissen. Lieber prangerte sie die Indiskretionen an, welche die Probleme erst ans Tageslicht gebracht hatten.

Dazu passt, dass Amherd sogar ihre Bundesratskollegen wiederholt erst sehr spät informiert hatte. So wusste sie schon seit letztem Sommer, dass der F-35 teurer wird, informierte die Regierung aber erst kurz vor ihrem Abgang. Daneben fiel sie durch Alleingänge auf, was im Bundesrat ebenfalls für böses Blut sorgte. Mehr und mehr wirkte Amherd isoliert, unterstützt einzig von ihrer Mitte-Partei, die sie auf Biegen und Brechen verteidigt, komme, was wolle.

Politisch bleibt das F-35-Fiasko wie so oft ohne Folgen für die Verantwortlichen. Amherd hat kurz vor Bekanntwerden die Reissleine gezogen. Der Projektleiter wechselte in die Privatwirtschaft. Das zuständige Bundesamt für Rüstung hat einen neuen Chef und auch Armee- wie Luftwaffenchef sind auf dem Absprung. So dürfte auch die angekündigte Inspektion der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats keine Konsequenzen haben.

«Ich will nicht sagen, dass immer alles perfekt gelaufen ist», hatte Amherd bei ihrer Rücktrittsankündigung gesagt. Und: «Wo etwas erneuert wird, können Fehler passieren.» Die Fehler aber sieht Amherd wie meist nicht bei sich. Sie macht es sich damit etwas gar einfach.

Retten, was zu retten ist

Nun muss der neue Verteidigungsminister Martin Pfister (61) versuchen zu retten, was zu retten ist. Weil der F-35-Kauf für den Bundesrat alternativlos bleibt, soll die Diplomatie ein Entgegenkommen der USA erreichen. Das aber dürfte vergebliche Liebesmüh sein. Die Trump-Regierung hat keinen Grund, zulasten des US-Steuerzahlers Mehrkosten für die Schweiz zu übernehmen.

So bleiben Pfister zwei Optionen: Die eine ist, für die Mehrkosten einen Nachtragskredit zu beantragen. Dieser aber müsste eigentlich nochmals vors Stimmvolk, da dieses bisher nur einen 6-Milliarden-Kredit abgesegnet hat. Nach dem erneuten Debakel aber wäre das Risiko einer Bruchlandung gross. Womöglich zu gross.

Damit bliebe Pfister die Option, die Zahl der Jets zu senken, um den Kostenrahmen doch noch einhalten zu können. Denn andernorts ist all das Geld in der Armee kaum einzusparen.

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