Darum gehts
- Milena Moser freute sich auf das Schwimmen im See oder Fluss
- Ihre Sommerkleider passen nicht zum Wetter, sie wird krank
- Die Autorin beschliesst, Regen und Fieber zu umarmen
Meine ehemalige Schwiegermutter sah das Wetter als Person, als einen geheimnisvollen «er»: «Er will ja wieder schön aufs Wochenende hin», sagte sie zum Beispiel. Und ich rätselte dann, wer dieser «er» wohl sein könnte. Gott? Ist Gott ein Mann? Das ist eine Frage, die den Rahmen dieser Kolumne wohl sprengen würde. Oder meinte sie den freundlichen Mann auf ihrem Fernsehbildschirm, der ihr das Wetter der nächsten Tage nicht nur vorhersagte, sondern auch erklärte?
Wenn ich mir das Wetter als Person vorstellen müsste, dann als bärtigen alten Weisen, eine Mischung aus Guru und Comicfigur. Da sitzt er allein in seiner Höhle ganz oben auf einem Berg und schleudert Lebenslektionen in Form von Blitzen und Regenschauern auf uns herab. Denn nichts erinnert uns so drastisch daran, dass wir den Verlauf unseres Lebens nur bedingt kontrollieren wie das Wetter. Speziell das Ferienwetter.
Und, nur um das Offensichtliche klarzustellen: Natürlich weiss ich, dass wir die Veränderungen der letzten Jahre selbst verschuldet haben. Die Extremtemperaturen, die Naturkatastrophen, alles. Das ist mir schmerzhaft und schamerfüllt bewusst. Auch das ist ein grosses Thema, zu gross für diese Kolumne.
Mir geht es hier um etwas anderes. Mir geht es darum, wie persönlich wir das Wetter nehmen. Wir? Ich meine mich. Ich nehme es sehr persönlich, wenn ich einen Koffer voller Sommerkleider, Badeanzüge und Sandalen packe, sogar extra noch eine todschicke weite Leinenhose kaufe, die ich im nebligen San Francisco nie tragen könnte. Und es dann regnet. Wenn ich mich auf zwei Wochen Sommer in der Schweiz freue, vor meinen neiderfüllten Freundinnen damit angebe, wie sauber das Wasser überall ist, wie ich in jeden See und jeden Fluss springen werde – und es dann regnet.
Es regnet und regnet und regnet und hört gar nicht mehr auf. Während ich diese Zeilen schreibe, seit zehn von vierzehn Tagen. Die Wetterapp gaukelt mir fast jeden Tag Besserung vor, und es gibt tatsächlich kurze Momente, in denen die Sonne durch die Wolkenschicht winkt und ich urplötzlich unter meiner voluminösen Regenpelerine zu schwitzen beginne. Der Sommer ist da, ich kann ihn spüren. Doch er bleibt ganz knapp ausser Reichweite.
Meinen Koffer packe ich erst gar nicht aus, ich leihe mir links und rechts langärmlige Sachen und dicke Socken, doch es kommt, wie es kommen muss, und ich werde krank. Aber so richtig. Gleich mehrere meiner wenigen, wertvollen Tage mit der Familie lösen sich in einem Fiebertraum auf. «Das ist nicht fair!» trotze ich wie ein kleines Kind. Doch das ändert, wie wir wissen, gar nichts.
Denn gegen das Wetter kann man sich nicht auflehnen, und gegen Fieber auch nicht. Man kann sich nur ergeben. Und dieses Hingeben an das, was ist, dieses Aufgeben meiner Vorstellungen, die ich so liebevoll pflegte, das hat auch etwas Schönes. Etwas Befreiendes.
Statt meinen amerikanischen Freundinnen von den besten Pommes frites der Welt vorzuschwärmen, auf einem chlorfeuchten Tuch genossen, inmitten einer Gruppe von Kindern, die sich die besten Bissen wegschnappen, kann ich nach meiner Rückkehr mit einem Besuch bei einer echten Hausärztin auftrumpfen, einer Praxis in einem Wohnhaus, das Labor in der Küche, Wartezeit drei Minuten.
Und ich kann erzählen, wie ich dann durch den Wald zurückspaziert bin, weil mir frische Luft empfohlen wurde. Auch wenn sie nass ist. Ich umarme den Regen, ich umarme das Fieber, ich lasse mich treiben. Ich habe Ferien.