Darum gehts
- Polen rüstet massiv auf, um die wachsende Bedrohung durch Russland abzuwehren
- Polen entwickelt den «Ostschild»-Plan zur Verteidigung der Nato-Ostflanke
- Polen investiert 2025 rund 30 Milliarden Franken in die Verteidigung
Polen reagiert auf die wachsende Bedrohung durch Russland mit massiver Aufrüstung: 2025 fliessen gemäss dem Wirtschaftsportal WNP 4,48 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Verteidigung. In Zahlen: umgerechnet rund 30 Milliarden Franken. Der höchste Anteil in der Nato!
Das Land investiert laut Nato-Angaben über die Hälfte seines Budgets in neue Ausrüstung und Modernisierung, darunter 180 koreanische K2-Panzer und erneuerte Leopard 2PL. Die Milliardenoffensive soll Polens Rolle als militärische Speerspitze des Bündnisses im Osten festigen.
Greift Putin Polen an?
Diese Entwicklung kommt nicht von irgendwo. Seit Monaten warnen Experten und Geheimdienste vor einem russischen Angriff Russlands auf die Nato. Mit Drohnen und Kampfjets testet Russland schon jetzt, wie weit es die Nato herausfordern kann. Mehrere Staats- und Regierungschefs sprachen in den vergangenen Wochen von einem «hybriden Krieg».
Im September drangen mehr als ein Dutzend russische Drohnen in den polnischen Luftraum ein. Neben dem Baltikum gilt Polen als mögliches Ziel eines russischen Feldzugs auf Nato-Territorium – allein schon wegen der geografischen Nähe zum Reich von Kremlchef Wladimir Putin (73).
Aber wie gut ist Polen auf einen russischen Angriff vorbereitet? Und könnte Putin das Land gar einnehmen? Der Geopolitik-Experte Klemens Fischer (61) schätzt die Lage für Blick ein.
Nato-Mitgliedsstaaten agieren immer zusammen
«Kein einziger Nato-Staat ist in der Lage, selbständig einen russischen Angriff abwehren zu können», stellt der Österreicher klar. Schwarzmalen muss man deshalb aber nicht. Denn Polen ist in das Militärbündnis Nato eingebettet. Das bedeutet: Die Mitgliedsstaaten arbeiten zusammen und helfen einander im Bedrohungsfall.
«Dies wird am Beispiel der in den polnischen Luftraum eingedrungenen Drohnen deutlich. An der Abwehr dieser Drohnen waren neben polnischen Kräften auch italienische, niederländische und deutsche Einheiten beteiligt», erklärt Fischer am aktuellen Beispiel. «Polen allein hätte dies nicht so effizient und effektiv lösen können.»
Polen und das Projekt «Ostschild»
Verlässt man sich also nur auf die anderen Mitgliedsstaaten? Nein, wie an einem polnischen Mega-Projekt deutlich wird. Fischer: «Polen hat einen eigenen Plan zur Abschreckung und Verteidigung an seiner Ostgrenze entwickelt, der unter seinem Codenamen «Tarcza Wschód» (Ostschild) bekannt ist und von der Nato unterstützt wird.»
Was weiss der Experte über das Projekt «Ostschild»? «Der Plan umfasst den Bau von Panzersperren, Minenstreifen und anderen militärischen Befestigungen mit einem geplanten Investitionsvolumen in Höhe von rund 2,1 Milliarden Franken, um in der letzten Ausbaustufe die gesamte Grenze Polens zu Russland und Belarus militärisch zu befestigen.»
«Die erste Verteidigungslinie der Nato»
Ein Schwerpunkt liege dabei auf der Suwalki-Lücke, die von vielen Medien auch «Achillesferse der Nato» getauft wurde. Würde Russland die wichtige Landverbindung zwischen den baltischen Staaten und dem Rest der europäischen Mitgliedsstaaten erobern, wäre das eine sicherheitspolitische Katastrophe. Das Baltikum wäre in diesem Fall vollständig von den anderen Nato-Mitgliedsstaaten abgeschnitten – und somit ein gefundenes Fressen für die Russen.
Kurzum: «Der Ostschild-Plan ist für die Verteidigung der Nato-Ostflanke von überragender Bedeutung, da es sich dabei um die erste Verteidigungslinie der Nato gegenüber Russland handelt», sagt Fischer.
Erobert Putin ganz Polen?
Gegenüber den baltischen Staaten hat Polen einen entscheidenden Vorteil: Man verfügt über alle drei Teilstreitkräfte auf Land, See und in der Luft. «Diese Allkomponentenarmee ist einheitlich ausgerüstet, verfügt über eine ausgezeichnete Moral, die nicht zuletzt durch einen sehr starken Patriotismus getragen ist. Sie hat einen massiven Rückhalt in der Bevölkerung und sieht sich selbst als Bollwerk gegen Russland», nennt Fischer weitere Vorzüge.
Polen stellt für Putins Expansionspläne also eine grosse Herausforderung dar. Wie würde die russische Armee vorgehen? «Seestreitkräfte würden hier eher weniger eine Rolle spielen, da sie bei einem Angriff auf Polen automatisch auch mit den Marinestreitkräften der Nato-Anrainerstaaten der Ostsee konfrontiert wären», erläutert Fischer. «Die russischen Luftstreitkräfte würden vermutlich versuchen, in der ersten Phase möglichst viele polnische Flughäfen und Logistikkreuze zu treffen.»
Anschliessend hält es Fischer für wahrscheinlich, dass die Russen auf dem Landweg versuchen würden, die Suwalki-Lücke bis Kaliningrad zu schliessen. Dass Putins Truppen ganz Polen einnehmen, sei dagegen unwahrscheinlich, so Fischer. «Die russische Armee würde auf einen hochgerüsteten Nato-Gegner treffen, der nicht allein im Feld stünde.»