Muss die Ukraine den Donbass abtreten?
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«Sehr schwierige Frage»:Muss die Ukraine den Donbass abtreten?

Beim Treffen mit Selenski schlug der US-Präsident neue Töne an
Trumps erfreuliches Signal an Europa

Nein, ein Friede in der Ukraine ist noch in weiter Ferne. Dennoch hat Trump beim Treffen mit Selenski wichtige Zeichen gesetzt. Diese dürften vor allem Europa freuen. Eine Analyse.
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Donald Trump hiess Wolodimir Selenski in Mar-a-Lago willkommen.
Foto: JIM WATSON

Darum gehts

  • Donald Trump und Wolodimir Selenski trafen sich am Sonntag in Florida
  • 95 Prozent des Friedensplans geklärt, aber keine Einigung bei Kernfragen
  • Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht, doch Trump sendet positive Signale an Europa
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Guido FelderAusland-Redaktor

Donald Trump (79) und Wolodimir Selenski (47) in Mar-a-Lago, Wladimir Putin (73) sowie europäische Staats- und Regierungschefs am Draht: Das Treffen zwischen dem amerikanischen und dem ukrainischen Präsidenten auf Trumps Golfressort in Florida am Sonntag war effizient. Für den Frieden hat es aber kaum etwas gebracht.

Dennoch setzte Trump bemerkenswerte Zeichen, die nicht nur für die Ukraine, sondern für ganz Europa von Bedeutung sind. Kein Treffen von Trump und Selenski hat so lange gedauert wie jenes am Sonntag. Rund zweieinhalb Stunden sassen die beiden mit ihren Delegationen beim Arbeitsessen hinter verschlossenen Türen zusammen. Dazwischen telefonierten sie mit dem Kreml sowie europäischen Regierungen. Bei der anschliessenden, mit Spannung erwarteten Pressekonferenz erfolgte aber die Ernüchterung.

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Bei Treffen blieben die Teilnehmer unter sich. Hier schickt Donald Trump Medienleute aus dem Raum.
Foto: AFP

Zwar habe man Fortschritte gemacht und inzwischen rund 95 Prozent des 20-Punkte-Friedensplanes bereinigt, sagten Trump und Selenski übereinstimmend. Doch die eigentlichen Knacknüsse bestehen nach wie vor:

  • Von Waffenstillstand keine Spur.

  • Der Kreml beharrt auf dem Donbass.

  • Auch wenn Trump von einer gemeinsamen Lösung sprach, scheint beim Betrieb des weltweit grössten AKW von Saporischschja keine Einigung erzielt worden zu sein.

Bombenteppich über der Ukraine

Trump und Selenski kündigten an, Arbeitsgruppen zu bilden und diese die weiteren Details klären zu lassen. Bis eine Lösung vorliegt, dürfte es einige Wochen dauern. Auch Moskau teilte mit, dass man die Arbeit zur Beilegung der Ukraine-Krise im Rahmen eigens dafür eingerichteter Arbeitsgruppen fortsetzen wolle. Bisher dienten jedoch Versprechen des Kremls nur dazu, Trump zu besänftigen und die Friedensdiskussionen hinauszuzögern. Nennenswerte Zugeständnisse in Richtung Frieden gab es vonseiten Russlands bisher keine.

Im Gegenteil: Moskau bombt weiter. Vor allem der Luftkrieg tobt so heftig wie noch nie. «In dieser Woche haben die Russen mehr als 2100 Angriffsdrohnen, etwa 800 Gleitbomben und 94 Raketen verschiedener Typen abgefeuert», sagte Selenski im Vorfeld des Treffens.

Allein in der Nacht auf Samstag haben die Russen die Ukraine mit einem Raketen- und Drohnenteppich von über 500 Geschossen überzogen. Die meisten schlugen in der Region Kiew ein und legten die Strom- und Wärmeversorgung still. Zurzeit ist es in der ukrainischen Hauptstadt um die 0 Grad, im Verlauf der Woche wird die Temperatur in der Nacht bis auf minus 10 Grad sinken.

Als Antwort hat die Ukraine mit einer massiven Drohnenoffensive auf Moskau den russischen Flugverkehr lahmgelegt. Am Wochenende mussten über 300 Flüge annulliert oder verschoben werden – und das in der intensiven Reisezeit über die Feiertage. Laut dem russischen Verteidigungsministerium wurden 273 ukrainische Drohnen abgeschossen.

Trumps Hand nach Europa

Auch wenn in Mar-a-Lago keine grossen Fortschritte erzielt worden sind, sendete Trump aber mehrere bemerkenswerte Zeichen aus.

Ein Herz für Selenski: Trump nannte Selenski nicht nur einen «tapferen Mann», sondern beklagte auch die vielen Toten, die der zurzeit «komplizierteste Krieg» fordere. Von der Frist, mit der er die Ukraine zu einem Diktatfrieden unter Druck gesetzt hatte, wollte er plötzlich nichts mehr wissen.

Sympathie für Europa: Die europäischen Staaten sind doch nicht so schlimm, wie Trump in den vergangenen Wochen immer wieder gesagt hatte. In Mar-a-Lago bezeichnete er sie als «really great» und mit «great leaders». Elf Staats- und Regierungschefs aus Europa und Kanada sowie die Spitzen der Nato und der EU haben der Ukraine «ihre volle Unterstützung» zugesichert.

Diskussion ohne Medien: Trump ging es dieses Mal um den Inhalt und nicht, wie etwa bei Selenskis Demontage vor laufenden Kameras im Februar, um eine Realityshow. Der US-Präsident warf die Medien nach einer Minute mit einem «Geht etwas essen» sanft aber bestimmt aus dem Saal.

Ohne Vance: Schon mehrere Male ist Trumps Vize JD Vance (41) als bissiger Hund aufgetreten – auch bei Selenskis erstem Besuch im Februar. Dieses Mal war Vance nicht am Verhandlungstisch. Ja, er war überhaupt nicht zu sehen. Hat Trump den angriffslustigen Vize gegen Selenski bewusst an die kurze Leine genommen?

Aufwertung Europas

Am Ende bleibt von Mar-a-Lago weniger ein Durchbruch als die Verschiebung der Gewichte. Trump hat erkannt, dass er den Krieg nicht einfach so schnell per Dekret beenden kann. Indem er Selenski Respekt zollte und Europa aufwertete, rückte er von der Illusion des schnellen Deals ab.

Für die Ukraine bedeutet das vorerst zwar keinen Frieden. Es ist aber für Europa ein wichtiges Signal, dass die USA wieder bereit sind, den Konflikt als gemeinsame Aufgabe zu behandeln.

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