Gazprom macht im Krieg mit – eigene Milizen kämpfen für Putin
Putins Staatskonzern hinter FC-Sion-Testgegner Zenit

Der FC Sion reist für ein Testspiel gegen Zenit St. Petersburg nach Russland. Kein Problem, findet Christian Constantin. Geht gar nicht, sagen Walliser Klublegenden. Fakt ist: Zenit-Besitzer Gazprom ist Putins Geldquelle für seinen teuren Krieg – ja sogar mehr als das.
Publiziert: 28.06.2025 um 16:18 Uhr
|
Aktualisiert: 28.06.2025 um 16:47 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/13
Am 9. Juli spielt der FC Sion gegen Zenit St. Petersburg in Russland.
Foto: Zenit

Darum gehts

  • FC Sion spielt Testspiel in Russland gegen Zenit St. Petersburg
  • Gazprom finanziert indirekt Putins Krieg durch Gasexporte nach Europa
  • 2022 distanzierte sich der europäische Fussball von Gazprom – mit einer Ausnahme
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_243.JPG
Michael HotzRedaktor Wirtschaft

Christian Constantin (68) und sein FC Sion sorgen mal wieder für Aufsehen. Und für Kopfschütteln bei Walliser Fussballlegenden und Politikern. Der Stein des Anstosses: Die Sittener reisen für ein Testspiel ins Land des russischen Kriegstreibers Wladimir Putin (72). Am 9. Juli spielt Sion in St. Petersburg gegen Zenit. Den Auftritt in Russland lässt sich CC entlöhnen, sein Klub bekommt eine Antrittsprämie von rund 300'000 Franken.

Das erinnert an den Fall Fabio Celestini, dem als neuer Trainer von ZSKA Moskau Ärger mit der Schweizer Justiz droht. Es gibt aber einen Unterschied: CC und der FC Sion haben keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten. Etwa, weil die 300'000 Franken laut dem Sion-Päsidenten nicht von Zenit kommen, sondern vom Matchorganisator Jérome Salbert aus Paris. Und: «Wir haben das beim Staatssekretariat für Wirtschaft abgeklärt», sagte Constantin zu Blick. «Es gibt da null Probleme.»

Europa kauft immer noch russisches Gas

Rein durch die juristische Brille betrachtet, sind die Sittener also fein raus. Und dürfen folgenlos gegen Zenit St. Petersburg in der Gazprom-Arena antreten. Nur verrät bereits der Name des Zenit-Stadions, wo zumindest die moralischen Bedenken begraben sind. Zenit gehört dem russischen Gasgiganten Gazprom. Und ist gleichzeitig der Lieblingsclub von Putin.

Was für Constantin spricht: Die EU und damit die Schweiz führen den eng mit Russlands Staatsapparat verwobenen Energiekonzern nicht auf ihren Sanktionslisten – nur gewisse Gazprom-Töchter wie etwa die Mineralölsparte Gazprom Neft. Zu sehr ist Europa weiterhin auf russisches Gas angewiesen. Laut der Denkfabrik Ember importierte die EU letztes Jahr gar 18 Prozent mehr Gas aus Russland als im Vorjahr. Die Schweiz hat zwar keine Gas-Verträge mit Russland, bezieht aber indirekt über Drittländer wie Deutschland oder Italien Erdgas aus Putins Reich.

Ein Konzern mit 60 Tochterfirmen

Seit nunmehr fast 3,5 Jahren führt Putin Krieg in der Ukraine – ein teures Unterfangen. Im Westen hofft man, dass Putin an den eigenen Rüstungsausgaben scheitern könnte. Zuletzt machte Polens Aussenminister Radoslaw Sikorski (62) solche Andeutungen im Nachgang des Nato-Gipfels. Nur eben: Europa finanziert mit Gasimporten Russlands Angriffskrieg mit. Und dabei spielt Gazprom eine entscheidende Rolle. 2024 fuhr der staatlich kontrollierte Konzern einen Nettogewinn von knapp 12 Milliarden Franken ein.

Auch sonst sind die Zahlen zu Gazprom eindrücklich: Das Unternehmen soll knapp eine halbe Million Mitarbeitende beschäftigen. Und über etwa ein Sechstel aller sicher wirtschaftlich gewinnbaren Gasreserven der Welt verfügen. Sein Reich geht bis an den Nordpol. Gazprom ist ein eigenes Riesenimperium. Der Konzern hat gut 60 vollständige Tochterfirmen und hält an 45 weiteren Unternehmen die Aktienmehrheit. Dazu zählt etwa die berühmt-berüchtigte Nord Stream 2 AG mit Sitz in Zug, die eine zweite Pipeline nach Deutschland betreiben sollte. Das Gazprom-Universum umfasst aber auch einen Medienkonzern, eine Airline, einen Satellitenbetreiber – und eine Bank: die Gazprombank.

Gazprom-Milizen kämpfen in der Ukraine

Insbesondere von der Gazprombank fliesst viel Geld in Putins Krieg. So lässt etwa der Sanktionsentscheid der USA 2024 gegen die Bank tief blicken: «Über die Gazprombank kauft Russland militärisches Material für seine Kriegsanstrengungen gegen die Ukraine. Die russische Regierung nutzt die Gazprombank auch zur Bezahlung ihrer Soldaten – etwa für Kampfprämien – und zur Entschädigung der Familien russischer Soldaten, die in Putins brutalem Krieg gegen die Ukraine getötet wurden.»

Klare Worte zum Gazprom-Imperium findet auch Polina Iwanova, Korrespondentin der «Financial Times». Mit ihren Kollegen Christopher Miller und Max Seddon deckte sie 2023 für die «FT» auf, wie Gazprom aktiv im Krieg in der Ukraine beteiligt ist. «Ich habe Bilder von Gazprom-Sicherheitsleuten gesehen, die mit einer bewaffneten Miliz verbunden sind», so die Journalistin gegenüber dem Fussballportal «The Score». Und weiter: «Oder von Männern an der Front, mit allen Waffen ausgestattet, in Tarnkleidung, die entweder auf einem Übungsplatz oder bereits in der Ukraine stehen und ein Banner halten, das sie über diese private Militärfirma mit Gazprom verbindet.» Gemeint ist damit die Gazprom-Tochter PMC Potok, die seit 2023 auch auf der Schweizer Sanktionsliste steht. Die Miliz, die hauptsächlich aus Gazprom-Mitarbeitenden bestehe, beteilige sich aktiv am russischen Angriffskrieg, heisst es in der Begründung.

Gazprom ist Sponsor des letzten CL-Gegners von YB

Gazprom geriet im europäischen Fussball wegen des Kriegs schnell ins Abseits. Die Uefa beendete Ende Februar 2022 die Partnerschaft mit dem Unternehmen für die Champions League. Wenige Tage zuvor hatte der FC Schalke 04 den Sponsoringvertrag mit Gazprom aufgelöst. Nur der serbische Klub Roter Stern aus Belgrad trägt weiterhin Gazprom Neft auf seinen Trikots – und trat so Ende Januar in der Champions League gegen YB an.

Bedenken wegen Gazprom kennt auch Sions-Mäzen Constantin nicht: «Ich habe keine Skrupel, in Russland zu spielen», sagte er kürzlichen in einem Interview mit Blick.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
In diesem Artikel erwähnt
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
In diesem Artikel erwähnt