Die «Saslong» ist und bleibt die grösste Wundertüte im Alpin-Zirkus. Wenn die hinteren Nummern in den Genuss von besserem Licht und einer immer schneller werdenden Piste kommen, wird die Rangliste meistens auf den Kopf gestellt.
So wie im Dezember 1993, als der Liechtensteiner Markus Foser mit der Startnummer 66, vor dem Österreicher Werner Franz mit der 52 und Luxemburgs Jahrhundert-Rennfahrer Marc Girardelli mit der 30 gewinnt. Ganz so turbulent ist der Rennfilm im jüngsten Super-G auf der WM-Piste von 1970 zwar nicht, eine grosse Sensation beinhaltet dieses Rennen aber allemal – der Tscheche Jan Zabrystan verdrängt mit der Startnummer 29 unseren Superstar Marco Odermatt vom Sieger-Thron und beschert damit seinem Heimatland den ersten Alpin-Weltcupsieg bei den Männern.
Odermatt nimmt das mit einem süsssauren Lächeln zur Kenntnis: «Dieser Erfolg wäre mir besonders wichtig gewesen und für Jan wäre ja auch ein zweiter Rang einem genialen Ergebnis gleichgekommen. Aber er hat den Sieg nicht gestohlen, er ist ein guter Gleiter und ein guter Techniker. Klar hatte er das bessere Licht als die Athleten mit den vorderen Nummern, aber das hatten viele andere auch. Jan hat das aber als Einziger richtig gut ausgenutzt.»
«Da muss man sich etwas einfallen lassen»
Nach seinem 95. Weltcup-Podestplatz plädiert der 50-fache Weltcupsieger aber in aller Deutlichkeit dafür, «dass man sich in Gröden für die kommenden Jahre etwas einfallen lassen muss.» Vielleicht könnten die Rennen auf der «Saslong» etwas fairer gestaltet werden, wenn die Startzeit um eine halbe Stunde nach hinten verschoben wird. «Bei den Lauberhornrennen ist die Startzeit um 12.30 Uhr, damit in den Schlüsselstellen genügend Licht ist. Wenn du in Gröden vor oder kurz nach 12 Uhr mit 110 km/h durch die Ciaslat fährst, fühlt sich das an, wie wenn du diese so anspruchsvolle Passage mit verbundenen Augen bewältigen musst.»
Der vierfache Gesamtweltcupsieger leidet nach diesem Rennen besonders mit seinem Kumpel Justin Murisier mit: «Justin hat mit der Nummer 5 eine richtig gute Leistung abgeliefert. In der Endabrechnung hat es ihm dennoch nur für den 23. Rang gereicht. Das ist schon brutal.»
Odermatt geht schon mit Olympia-Plan an den Start
Odermatt selber trägt in diesem aussergewöhnlichen Rennen die Nummer 8. «Meine Fahrt war richtig gut, bis mir im Zielschuss ein Fehler unterlaufen ist. Ich hatte dort wirklich kein gutes Licht.» Und deshalb fungiert der amtierende Super-G-Weltmeister in der Schlussrangliste 22 Hundertstel hinter Zabrystan, dessen Weltcup-Bestleistung bis gestern der 14. Rang beim Super-G war.
Dann erklärt Odermatt, warum ihm der Sieg beim dritten Super-G in diesem Winter besonders wichtig gewesen wäre «In Copper Mountain und in Beaver Creek ist es mir nicht gelungen, innert 24 Stunden zwei Top-Leistungen abzuliefern. Deshalb habe ich es mir nach dem Abfahrtssieg am Donnerstag zur Challenge gemacht, dass ich im Super-G die genau gleiche Spannung aufbringe. Auch im Hinblick auf die Olympischen Spiele, wo ich auch bei zwei Rennen hintereinander Top-Leistungen erbringen möchte. Obwohl es in diesem Super-G für den Sieg nicht ganz gereicht hat, darf ich sagen, dass ich mein Vorhaben gut in die Tat umgesetzt habe.»
Neuerlicher von Allmen-Schocker
Grosses Glück hatte nach dem zweiten Rang in der Abfahrt auch Franjo von Allmen vor. Doch der 24-jährige Überflieger gerät beim ersten Sprung in heftige Turbulenzen. Mit einer akrobatischen Einlage kann der Abfahrts-Weltmeister zwar einen schweren Sturz verhindern, das Rennen ist für ihn aber an dieser Stelle zu Ende. «Letztendlich muss ich froh sein, dass ich ohne Verletzung davongekommen bin», konstatiert von Allmen, welcher bereits beim vorletzten Super-G in Beaver Creek gestürzt ist.
Immerhin: Am Samstag bietet sich von Allmen auf der Saslong in der Original-Abfahrt die grosse Chance zur Revanche.