Darum gehts
- Marco Odermatt fährt in der Gröden-Abfahrt den 50. Weltcup-Sieg ein
- Der Ski-Superstar ist damit gleichauf mit Alberto Tomba
- Die Italo-Legende glaubt, dass Odermatt auch von besonderen Umständen profitiert
«Nein, diese Zeit kann ich heute nicht knacken!» Genau das denkt sich Marco Odermatt (28), als er im Startgelände der verkürzten Saslong-Abfahrt vor dem Fernseher stehend die Fahrt von seinem Teamkollegen Franjo von Allmen (24) beobachtet. Tatsächlich gelingt von Allmen in seinem ersten Wettkampf nach dem üblen Abflug beim Beaver-Creek-Super-G eine sehr starke Fahrt.
Doch bevor Odermatt mit der Nummer 14 ins Rennen geht, erkennt der Nidwaldner dann doch noch einen Mini-Makel bei der Darbietung des amtierenden Abfahrts-Weltmeisters. «Mir ist aufgefallen, dass Franjo am Start einen guten Zehntel verloren hat.» Von Allmens bestätigt das und erklärt: «Mir ist beim Rennstart ein koordinativer Fehler unterlaufen.»
Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser kleine Fehler rennentscheidend ist – als Odermatt die Ziellinie überquert, liegt er 15 Hundertstel vor dem Berner Oberländer.
Späte Starter lassen Odermatt nochmals zittern
Danach muss Odermatt aber noch ein paarmal um seinen zweiten Saslong-Sieg zittern. Nach einer längeren, vom Nebel ausgelösten Unterbrechung wird die Piste immer schneller. Norwegens Super-G-Held Fredrik Möller (triumphierte im Vorjahr in Bormio) ist bis zur zweiten Zwischenzeit gleich schnell wie Odermatt, stürzt dann aber bei den Kamelbuckeln schwer.
Mit der 47 fährt der Franzose Nils Alphand (29, Sohn vom zweifachen Gesamtweltcupsieger Luc) mit Zwischenbestzeit in die Ciaslat ein, ehe er im letzten Abschnitt doch noch auf den fünften Rang zurückfällt. Kurz vor dem Eindunkeln ist Odermatts sechster Weltcupsieg bei einer Abfahrt dann aber endlich amtlich.
Überschwänglich ist seine Freude allerdings nicht: «Wenn Kollegen wie Fredrik Möller so schwer stürzen, gehen Emotionen weg.» Aber natürlich ist der jüngste Triumph vom 28-jährigen Buochser in zweierlei Hinsicht besonders speziell. Odermatt hat die 1000. Abfahrt in der 58-jährigen Weltcup-Geschichte gewonnen. Noch wichtiger: Mit seinem 50. Weltcupsieg zieht der vierfache Schweizer Sportler des Jahres im ewigen Ranking mit Italiens Superstar Alberto Tomba (58) gleich. «Dass ich die tausendste Weltcup-Abfahrt gewinnen konnte, finde ich genial und 50 Weltcupsiege sind natürlich auch eine schöne Zahl. Aber es ist nicht so, dass ich als Kind von einer solchen Marke geträumt habe. Nun finde ich es aber richtig cool, dass ich diesen Schritt machen konnte.»
Tomba: «Odermatts Konkurrenten sind 35 oder älter»
Doch wie viel weiss Odermatt über Alberto Tomba, mit dem er jetzt in der Kategorie Weltcupsiege ex aequo den vierten Rang belegt? «Ich habe von Alberto deutlich mehr Geschichten gehört, als ich Fahrten von ihm gesehen habe. Ich bin ja einer richtigen Party auch nicht abgeneigt, aber wenn das stimmt, was ich alles über Tomba gehört habe, bin ich im Vergleich zu ihm deutlich ruhiger.»
Und wie denkt der einstige Technik- und Party-König Tomba über Odermatt? Es ist der fünffache Gesamtweltcupsieger Marc Girardelli, der diese Frage im Auftrag von Blick dem dreifachen Olympiasieger aus Bologna gestellt hat. «Keine Frage, Odermatt ist neben Ingemar Stenmark, Hermann Maier, Marcel Hirscher und mir der überragende Athlet in der Weltcup-Geschichte», sagt Tomba im Dialog mit seinem Kumpel Girardelli. Doch dann meldet der mittlerweile 58-Jährige einen Vorbehalt an: «Mit Cyprien Sarrazin und Aleksander Aamodt Kilde haben sich die stärksten Rivalen von Odermatt durch schwere Stürze selbst eliminiert. Seine nächsten Konkurrenten aus Österreich sind jetzt 35 oder noch älter.»
Odermatt habe sicher noch ein paar Jahre vor sich, meint Tomba, und fügt an: «Er soll diese Zeit gut nutzen, so lange er von seiner Konkurrenz nicht aufs Schärfste gefordert wird.»
Diese Aussage belegt, dass der grosse Tomba das aktuelle Ski-Geschehen nicht zu 100 Prozent im Griff hat. Odermatts gefährlichster Austria-Widersacher Vincent Kriechmayr zählt erst 34 Lenzen. Und Franjo von Allmen, der seinen Teamleader im Vorjahr dreimal bei Weltcuprennen auf den zweiten Rang verwiesen hat, ist erst 24. Schwache Konkurrenz sieht anders aus.