Darum gehts
- Urs Lehmann spricht erstmals seit seinem Wechsel zur FIS ausführlich über seinen neuen Job
- Er beschreibt FIS-Präsident Johan Eliasch als «superschlauer Visionär»
- Der Abfahrtsweltmeister von 1993 war 17 Jahre lang Swiss-Ski-Präsident
Es war die grosse Überraschung vor dem Ski-Saisonstart: Urs Lehmann, der langjährige starke Mann an der Spitze von Swiss-Ski, wechselte als CEO zum Ski-Weltverband FIS. Der Weg von Muri (Swiss-Ski-Sitz) in die FIS-Zentrale nach Oberhofen an den Thunersee war zwar geografisch kurz, doch emotional ein Quantensprung.
Nach der FIS-Präsidentenwahl 2021, bei der Lehmann gegen den schwedisch-britischen Unternehmer Johan Eliasch unterlag, deutete wenig auf eine Zusammenarbeit hin. Doch trotzdem: Nach 17 prägenden Jahren bei Swiss-Ski begann für den Aargauer Ende September ein komplett neues Kapitel.
Lehmann spricht von «Kaltstart» bei der FIS
Mit Blick spricht Urs Lehmann nun über seine ersten Erfahrungen bei der FIS. Dabei gesteht er: Die ersten Wochen waren alles andere als ein sanfter Einstieg. Im Gegenteil: Er spricht von einem «Kaltstart». Besonders in den Bereichen Vermarktung und Finanzen wurde sein Wissen sofort voll gefordert.
Der Verkauf des Schneesports ist ein Thema, das Lehmann auch in den kommenden Jahren stark beschäftigen wird. Lehmann blickt dabei sehnsüchtig in Richtung Osten. Ein chinesischer Skistar wäre für ihn der ultimative Hebel für den asiatischen Markt. «Dann kommt mit der Zeit das Fernsehen und die Visibilität auch in diesen Regionen», ist er überzeugt.
Doch solche Ausnahmeerscheinungen fallen nicht vom Himmel. Athleten wie die amerikanisch-chinesische Freestyle-Ikone Eileen Gu, der norwegisch-brasilianische Entertainer Lucas Pinheiro Braathen oder das italienisch-albanische Talent Lara Colturi seien deshalb «Glücksfälle» für ihn.
Lehmann will jedoch nicht nur auf Zufälle warten, sondern das Produkt Skisport grundlegend moderner präsentieren. Sein Vorbild ist die Formel 1, die zeigt, wie man Helden inszeniert: «Wenn du es schaffst, dass die Liveübertragung schon 45 Minuten vor dem Start anfängt, dann hast du gewonnen.»
«Eliasch hat manchmal schwer fassbare Ideen»
Ideen, die FIS-Präsident Johan Eliasch gerne noch weiter treibt – manchmal weiter, als es der Sport erträgt. Genau da möchte Lehmann ansetzen. Während Eliasch die grossen Träume skizziert, sorgt Lehmann für deren Umsetzung in einem machbaren Rahmen.
«Eliasch ist ein superschlauer Visionär, aber er hat manchmal schwer fassbare Ideen. Jetzt hat er eingesehen, dass meine Ansichten realistischer sind und dass ich ihm helfen kann», erklärt Lehmann das neue Duo.
Jobangebot kam für Lehmann völlig unerwartet
Dass ausgerechnet Johan Eliasch ihn fragen würde, die operative Leitung für die FIS zu übernehmen, damit hatte auch Lehmann nicht gerechnet. «Als das Angebot kam, musste ich schon zuerst einmal leer schlucken», gesteht der Abfahrtsweltmeister von 1993 offen. Das einst angespannte Verhältnis zwischen dem Präsidenten und seinem neuen CEO hat sich seit dem Amtsantritt jedoch radikal gewandelt. Heute ist der Austausch der beiden sehr eng. «Wir hören uns täglich mehrmals am Telefon», so Lehmann.
Damit die Zusammenarbeit funktioniert, wurden im Vorfeld klare Grenzen gezogen. Lehmann überliess nichts dem Zufall: «Das Organigramm und den Stellenbeschrieb habe ich gemacht.» Diese Struktur war für ihn die Grundvoraussetzung, um die PS des Präsidenten auch auf die Strasse zu bringen.
Die Anfrage des Präsidenten sieht er heute als Akt der Einsicht. «Er ist auf mich zugekommen, weil er eingesehen hat, dass ich ihm helfen kann. Das war völlig unerwartet für mich. Es war, wie wenn dir Lara Croft plötzlich einen Heiratsantrag machen würde.»