Gut-Behrami fährt mit starkem 2. Lauf aufs Sölden-Podest
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Gelungener Saisonstart:Gut-Behrami fährt mit starkem 2. Lauf aufs Sölden-Podest

Lara Gut-Behrami über Ehrgeiz und Platz 3 zum Saison-Start
«Siege hier, Podest da – wir sind in der Schweiz verwöhnt»

Lara Gut-Behrami wird Dritte, Siegerin Julia Scheib erlöst Österreich. Beide Athletinnen verbindet ihr enormer Ehrgeiz. Und sie zeigen kaum Emotionen. Warum nicht?
Publiziert: 18:11 Uhr
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Aktualisiert: 18:23 Uhr
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Julia Scheib gewinnt in Sölden und beendet eine lange österreichische Durststrecke.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Lara Gut-Behrami kritisiert Athleten und erreicht Podium in Sölden
  • Julia Scheib gewinnt ersten Weltcupsieg, teilt Ehrgeiz mit Gut-Behrami
  • 15'900 Zuschauer jubeln lauter als Siegerin Scheib im Zielraum
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Mathias GermannReporter Sport

Donnerstagnachmittag in Sölden. Lara Gut-Behrami (34) sitzt beim Race Talk neben FIS-Präsident Johan Eliasch – und hält eine Brandrede. «Früher waren wir sauer, wenn wir nicht gewonnen haben», sagt sie. Sie nennt Anja Pärson (44, Sd), Janica Kostelic (43, Kro), Tina Maze (42, Sln) – und meint auch sich selbst. «Heute ist es wichtiger, gemocht zu werden», kritisiert sie.

24 Stunden später steht sie auf dem Podest. 1300 Höhenmeter höher, im Zielraum des Riesenslaloms, lächelt sie als Dritte. «Den ersten Lauf habe ich verschlafen, bin zu schön gefahren. Da verlierst du schnell eine Sekunde», sagt sie. Als Halbzeit-Fünfte lag sie 1,54 Sekunden zurück.

«Da habe ich mich genervt. Der Schnee war einfach. Im zweiten Lauf war ich unsauber, aber ich habe attackiert – das zählt.» Am Ende fehlen 1,11 Sekunden auf Siegerin Julia Scheib (27, Ö), eine halbe auf Paula Moltzan (31, USA).

Der Ehrgeiz verbindet Scheib und Gut-Behrami

Dass Scheib ihren ersten Weltcupsieg feiert, dürfte Gut-Behrami freuen. Nicht, weil Scheib die neunjährige Riesenslalom-Durstrecke der Österreicherinnen beendet. Nein. Vielmehr aus Sympahtie. Denn Scheib ist eine, die wie Gut-Behrami die Medien eher scheut als liebt. Auch setzt Scheib kein Lächeln auf, nur weil es viele wollen.

Wohl fast alle der 15’900 Zuschauer im Ziel jubeln an diesem kühlen Tag lauter als die Steirerin. «Nicht der mit dem breitesten Lächeln ist automatisch der Glücklichste», meint sie trocken. Und: «Ich bin nicht immer so cool, kann auch anders. Aber mit Ruhe lässt es sich einfacher leben.» Ihre Erleichterung sei jedenfalls so gross, «als seien tausend Kilo von den Schultern abgefallen». 

Scheibs Potenzial ist seit langem bekannt. Und auch ihr Ehrgeiz, der ihr zuweilen im Weg stand. Mit zweieinhalb kurvte sie mit ihrem rosa Ski-Overall samt Sturmhaube die Hänge runter. Wenig später sagte sie ihrem Papa, dass sie eines Tages ein Weltcuprennen gewinnen wolle.

Im Gegensatz zu Gut-Behrami wirkte sie bei ihrem ersten Weltcupstart vor acht Jahren nicht unbekümmert, schon gar nicht keck. Sondern, wie heute – sehr reserviert. Mit 17 hatte sie den ersten Kreuzbandriss mit Meniskusschaden, fünf Jahre kam der zweite dazu. Auch Corona und das pfeiffersche Drüsenfieber hatte sie hart erwischt. Scheib sprach einmal davon, dass sie die «dunkelsten Stunden», die man sich vorstellen könne, erlebt habe.

Gut-Behrami: «Nein, es ist nicht okay!»

Es sind aber weniger die Verletzungen, die Scheib mit Gut-Behrami verbindet. Es ist eher ihr enormer Ehrgeiz. Scheib möchte nicht mitfahren, sie will siegen. In der Zufriedenheit sieht sie stets auch immer die Gefahr des Stillstands. Kein Wunder, kündigt Scheib nach ihrem Sölden-Triumph an: «Das Ziel ist, die Kristallkugel im Riesentorlauf zu gewinnen.» 

Solche Aussagen gefallen Gut-Behrami. Die zweifache Gesamtweltcupsiegerin hat kein Verständnis für Ski-Profis, die sich mit weniger begnügen. «Ich arbeite doch nicht, um Zehnte zu werden. Es stört mich, wenn junge Athletinnen kommen, die das okay finden. Nein, das ist es nicht!»

Sie versteht nicht, dass einigen egal sei, ob man sich qualifiziere, Zehnte werde oder gewinne. «Wir trainieren jeden Tag, um zu gewinnen. Ich stehe am Morgen nicht auf, um 25. zu werden. Natürlich kann das mal passieren und dann akzeptiere ich das auch. Aber es ist nicht in Ordnung, zufrieden zu sein, wenn man einmal im Leben in die Top 15 gefahren ist.»

Scheib fährt zum 20. Mal in ihrer Karriere in die Top 15. Das ist aber längst nicht ihr Anspruch. Kein Wunder: Wer einen 68 Prozent abfallenden Steilhang so brillant meistert wie sie, darf zu Recht nach Höherem streben. Ein Puzzlestein des Glücks ist dabei Martin Sprenger. Der ehemalige Erfolgscoach von Nicole Hosp (41, Ö) und Alexis Pinturault (34, Fr) ist ihr neuer Technik-Trainer Martin Sprenger – und hat den Zugang auf Anhieb gefunden. «Martin ist ein Profi. Er ist 24 Stunden am Tag für uns da. Er brennt dafür, ist sich für nichts zu schade. Von der Sorte gibts nicht viele», lobt sie.

Mit Fahne runterfahren und winken?

Zurück zu Gut-Behrami. Zu Beginn ihrer Karriere zeigte sie – im Gegensatz zu Scheib – noch ihre Freude, aber auch ihr Ärger. In den letzten Jahren kommen diese nur noch in homöopathischen Portionen. Lieber teilt sie ihre Emotionen mit ihren Liebsten als mit der Öffentlichkeit. Doch wie ist es jetzt, nach ihrem letzten Sölden-Podest? «Vielleicht ist es auch ein Selbstschutz in meinem Unterbewusstsein, dass ich nicht so emotional bin. Aber es fühlt sich alles so an wie immer.» Sie sei nicht hier, um mit einer Fahne herunterzufahren und zu winken. «Ich schwitze nicht jeden Tag im Kraftraum für so etwas.»

Gut-Behrami verhindert – so wie Scheib bei den Österreicherinnen – eine Schweizer Schlappe. Camille Rast (15.), Vanessa Kasper (29.) und Wendy Holdener (30.) holen Punkte, aber nicht viele. Aufmuntern müsse sie das Team aber nicht, findet die Tessinerin. «Sölden war nur ein Rennen. Und wir sind in der Schweiz auch verwöhnt, Siege hier, Podest da. Aber Skifahren braucht 100 Prozent Vertrauen. Das ist Weltcup, kein Regionalrennen, die anderen schlafen nicht.»

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