Darum gehts
- Marlen Reusser strebt Sieg beim Giro d'Italia Women an
- Reusser sieht Tour de France als gefährlicher und bevorzugt den Giro
- 919,2 Kilometer, 14'000 Höhenmeter und 146 Gegnerinnen erwarten Reusser beim Giro
Millionen Velo-Fans schauen nach Frankreich. Klar, die Tour de France läuft. Allerdings lohnt sich auch der Blick etwas südlicher, nach Italien. Dort startet am Sonntag der Giro d’Italia Women.
«Ich wünsche mir mega, ihn zu gewinnen», sagt Marlen Reusser (33). Utopisch ist das Ziel der Bernerin nicht, im Gegenteil. Bei der Tour de Suisse hat sie alle, auch die Weltnummer 1, Demi Vollering (26, Ho), geschlagen.
Reusser zählt neben Vorjahressiegerin Elisa Longo Borghini (33, It) und der zweifachen Strassenweltmeisterin Lotte Kopecky (29, Be) zu den Favoritinnen im Kampf um den Gesamtsieg.
Nach wochenlanger Vorbereitung auf dem Berninapass kann sie es kaum erwarten, endlich loszulegen. «Aber ich bin nicht wie ein Kind vor Weihnachten, das bald Geschenke bekommt. Ich weiss, dass ich acht Tage vollen Fokus haben, mich meinen Ängsten und Zweifeln stellen und kämpfen muss.»
Ängste und Zweifel? Reusser hat eigentlich wenig Grund für solche Gefühle. Der Start mit dem 13,6 Kilometer langen Zeitfahren rund um Bergamo ist genau nach ihrem Gusto, und auch die drei Etappen mit Bergankünften sind etwas für sie.
Die Tour ist gefährlicher als der Giro
Gleichzeitig weiss die ausgebildete Ärztin, wie nah Freud und Leid beieinanderliegen. Genau darum entschied sie sich mit ihrem Team Movistar, voll auf den Giro und nicht auf die Tour de France zu setzen.
«Die Tour ist die wichtigste Rundfahrt der Welt. Das ist mir bewusst. Aber eben auch die gefährlichste. In diesem Jahr hat sie zudem extrem viele schmale Strassen, es geht rauf und runter, alle sind nervös. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es Stürze à gogo geben wird.»
«Das finde ich einfach komisch»
Tatsächlich ist der Giro von Anfang an viel physischer, was zu einer raschen Selektion führen und so das Feld beruhigen könnte. Dazu kommt dazu, dass die Tour de France (26. Juli bis 3. August) zwar eine Etappe länger ist als der Giro (9 statt 8), aber kein Zeitfahren beinhaltet. Für Reusser, eine Spezialistin im Kampf gegen die Uhr, ist das unverständlich. «Ich finde es einfach komisch», sagt sie.
Dennoch wird Reusser auch die Tour de France fahren. Im Idealfall als frisch gebackene Giro-Siegerin. «Dann bin ich froh, wenn die ersten Tage durch sind, ich hoffentlich heil durchgekommen und im Gesamtklassement irgendwo noch vorne mit dabei bin.»
Das ist aber Zukunftsmusik. Reussers Fokus gilt der Italien-Rundfahrt. 919,2 Kilometer, 14’000 Höhenmeter und 146 Gegnerinnen warten auf sie.