Darum gehts
- Die Meisterfeier des FC Basel zeigt, wie die Region Basel sich gerne selber sieht
- Der FCB durchdringt die Stadt noch immer
- Aber der Klub muss die nächsten Fangenerationen für sich gewinnen
Damit das einmal festgehalten ist: Das war die wohl mit Abstand schiefste Gesangsleistung, die eine Meisterfeier des FC Basel je erlebt hat. Es war da in den letzten 23 Jahren ja schon einiges an lädierten Stimmbändern zu hören. Aber was Jonas Adjetey an diesem Sonntagabend glückselig in ein Mikrofon krakeelt, erreicht eine eigene Qualität. Und es steht halt trotzdem für all das, als was Basel sich selbst sehen will. Als Stadt. Als Region. Als Lebensgefühl.
Adjetey ist vor 21 Jahren in der ghanaischen Millionenmetropole Accra zur Welt gekommen. Als Teenager ist er vor drei Jahren eher per Zufall in Basel gelandet. Doch jetzt steht der Verteidiger auf dem Casino-Balkon und schmettert in einem auf alle möglichen Arten erstaunlichen Baseldeutsch «Z’Basel am mym Rhy» in die laue Meisternacht. Und die Herzen der Menschen, die sich unten dicht drängen, fliegen ihm zu.
So sieht sich Basel gerne
So will Basel gerne sein. Weltoffen. Integrierend. Aber auch ein Ort, in den sich die Menschen doch bitte verlieben sollen, die aus der Fremde hierher kommen. «FCB-Fan kasch nid wärde – FCB-Fan, das muesch syy.» So singen sie das in der Kurve. Bedeutet: Den FCB kannst du dir nicht aussuchen und später vielleicht wieder abstreifen. Der FCB, der packt dich. Und dann lässt er dich nie mehr los.
So sieht sich auch diese Stadt mit ihren Bewohnerinnen und Bewohnern. Wer hierher kommt, der kann es schaffen. Sogar nach ganz oben. Die Familien des «alten Geldes» aus dem «Daig»? Als Migranten gestartet. Helmut Benthaus, der dem FCB Ende der Sechziger beigebracht hat, dass man Pokale tatsächlich gewinnen kann? Ein deutscher Entwicklungshelfer in Sachen Fussball. Xherdan Shaqiri? Als Kleinkind eingewandert.
Alle angekommen, aufgenommen und geblieben oder zurückgekehrt. Weil sie ein wichtiges Basler Gesetz begriffen haben: Wer nach Basel kommt, der tut gut daran, das zu loben, was die Einheimischen an sich selber mögen. Und was das ist, hat auch heute noch damit zu tun, dass man am Rheinknie das Gefühl zelebriert, anders zu sein als die anderen.
«Abscheu vor der Schroffheit der Eidgenossen»
«In der einmütigen Abscheu der Basler vor der Schroffheit und Kompromisslosigkeit der Eidgenossen lässt sich eine grundsätzliche Wesensverschiedenheit erkennen», hat der Basler Händler und Diplomat Henman Offenburg vor über 600 Jahren geschrieben. So sieht sich die Region heute noch. Darum dreht sie sich so gerne um sich selber. Und damit auch um eines ihrer Heiligtümer – den FCB.
Wer es sich einfach macht in diesen Jubeltagen, der schreibt: Der FCB bestimmt den Puls der Stadt. Aber was heisst das eigentlich? Da sind die lauten Dinge, klar. Die Party auf dem Barfi. Der kollektive Jubelschrei im Zentrum nach einem 0:0 zwischen Servette und den Young Boys, der bis hinauf auf den Bonzenhügel über der Stadt getragen wird.
Fast noch mehr aber sind es die eher leisen, die alltäglichen Dinge. Die 84-Jährige, seit Jugendzeiten nicht mehr im Stadion, selten vor dem Bildschirm, die stets leicht besorgt fragt: «Und, wie geht es dem FCB?» Mit derselben Anteilnahme mit der sie nach der kranken Nachbarin fragt. Die Zehnjährige, die sich auf den Geburtstag jetzt doch das neue Flammentrikot schenken lässt. Die leichten Dissonanzen, wenn der Ehepartner auf einer Wanderung plötzlich die Abkürzung sucht, weil Sonntag um 16.30 Uhr ein wichtiger Termin ist. Die SVP, die das zu harte Vorgehen der Polizei gegen Fans beklagt. Die SVP!
Basel braucht den FCB – aber der FCB braucht auch Basel
Basel braucht seinen FCB. Als Kitt, der Generationen und Gesellschaftsschichten vereint. Als Soap-Opera, an der alle teilhaben können. Als Thema, über das man sich auch mal streiten kann, ohne dass es gleich um fundamentale Werte geht. Als Anker in einer Welt, die einen manchmal schwindeln lässt.
Aber genauso braucht der FCB seine Stadt und seine Region. Darum ist dieser Meistertitel nach acht Jahren Pause so wichtig. Viele Baslerinnen und Basler sind ihrem Klub treu. Doch diese Treue muss immer wieder verdient werden, damit sie nicht in enttäuschte Liebe umschlägt.
Und der FCB muss weiter an seiner seit 1893 laufenden Erzählung arbeiten, damit er auch die nächsten Generationen ins Joggeli zieht. Basel hat sich verändert seit 2002 und dem ersten Meistertitel nach 22 Jahren Dürre. Damals war der Pokal auch ein Pflaster auf die offenen Wunden einer Stadt, die einen jahrzehntelangen Niedergang hinter sich hatte. Als «A-Stadt» wurde sie bezeichnet. Als Ort, in dem bald nur noch Arme, Alte, Auszubildende und Ausländer leben würden.
Heute weiss der Kanton Basel-Stadt kaum, wie er den Reichtum verteilen soll, den ihm die Life-Science-Riesen Novartis und Roche in die Kassen spülen. Die Stadt ist so international geworden, wie sie sich immer gefühlt hat. Im St. Johann und im Gundeli rennen überraschend viele Buben im al-Nassr-Trikot von Cristiano Ronaldo umher.
Xherdan Shaqiri – einfach unbezahlbar!
Darum ist eine Geschichte wie jene von Xherdan Shaqiri unbezahlbar. Für die Älteren ist der 33-Jährige der einstige FCB-Junior, der zurückkehrt. Er steht für die Verwurzelung mit der Region. Für die Jüngeren ist er der weit gereiste Nati-Star, den sie plötzlich Woche für Woche sehen dürfen. Und der dann tatsächlich all die Zauberdinge tut, die man sich immer von ihm erzählt hat.
«Hyylgschichte» heisst eine Erzählform rund um die Basler Fasnacht. Melodramatische Geschichten, die einen zu Tränen rühren, weil etwas Schlimmes geschieht, es aber am Ende doch irgendwie gut herauskommt. Ganz so wie bei diesem FCB, der letzte Saison noch gegen den Abstieg gespielt hat. Eigentlich ist der Meistertitel 2025 reiner Kitsch. Aber darauf steht Basel ja. Und auf schräge Gesangseinlagen. Wenn sie von Herzen kommen.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Basel | 35 | 47 | 67 | |
2 | Servette FC | 35 | 5 | 56 | |
3 | BSC Young Boys | 35 | 6 | 54 | |
4 | FC Luzern | 35 | 8 | 52 | |
5 | FC Lugano | 35 | 0 | 52 | |
6 | FC Lausanne-Sport | 35 | 9 | 51 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Zürich | 35 | -2 | 50 | |
2 | FC St. Gallen | 35 | 0 | 48 | |
3 | FC Sion | 35 | -9 | 40 | |
4 | FC Winterthur | 35 | -24 | 36 | |
5 | Yverdon Sport FC | 35 | -24 | 35 | |
6 | Grasshopper Club Zürich | 35 | -16 | 33 |