So hat man Filippo Lombardi (69) noch nie gesehen. Wie ein geschlagener Hund sass der Ambri-Präsident am Mittwoch bei der Medienkonferenz zwischen Sportchef Paolo Duca und Trainer Luca Cereda und sagte reumütig, dass er einen grossen Fehler gemacht habe und wütend auf sich selbst sei.
Er habe deshalb dem Verwaltungsrat seinen Rücktritt angeboten, so der Medien-Unternehmer. Die Krokodilstränen halfen nichts. Die tief verletzten Duca und Cereda waren unerbittlich und gaben ebenfalls ihren Rücktritt. Duca sagte: «Wenn du jemandem in den Rücken schiesst, kannst du nicht einfach die Kugel rausnehmen und Sorry sagen.».
Lombardis Fehltritt? Er hatte sich mit dem ehemaligen Fribourg-Trainer und -Sportchef Christian Dubé getroffen, obwohl er, Duca und Cereda vereinbart hatten, dass man zusammen eine Lösung suchen werde, selbst wenn man zum Schluss kommen sollte, dass es einen Wechsel an der Bande brauche.
Bevor er 2017 das Duo an Bord holte, war der Klub ein Schleudersitz für Trainer gewesen. In den letzten Jahren war es dann nur noch im Büro ein Kommen und Gehen. Ex-Schiri-Chef Andreas Fischer ist der fünfte Geschäftsführer in den letzten fünf Jahren nach Diego Fiorentini, der interimistisch für John Mischkulnig übernommen hatte, Nicola Mona und Michele Orsi.
Ohne Lombardi gäbe es wohl keine Gottardo Arena
Leute, die Lombardis Wirken aus der Nähe verfolgen konnten, sagen, er habe zwei Gesichter. Auf der einen Seite zeigt er sein breites Lächeln, wenn er vor eine Kamera tritt oder Kontakte pflegt. Kaum einer hat in der Schweiz und über die Landesgrenzen hinaus ein so grosses Beziehungsnetz wie der ehemalige Journalist.
Lombardi ist ein begnadeter Redner und vermag Leute für seine Sache zu gewinnen. Ohne ihn wäre der für Ambri überlebenswichtige Bau der Gottardo Arena kaum möglich gewesen. «Eines muss man schon sehen: So eine Halle in einer Bergregion aufstellen, das kann nur er. Er hat so viele Connections, weiss genau, wo er Geld auftreiben kann», sagt ein Insider, der nicht namentlich genannt werden möchte. «Wenn man mit ihm spricht, hat man das Gefühl, dass er über alle möglichen Themenbereiche bis ins letzte Detail Bescheid weiss. Ob das über Eishockey, Finanzen oder Immobilien sei.»
Dann gibt es die andere Seite. Jene, die Duca und Cereda zuletzt schmerzvoll kennenlernen mussten. Jene des eiskalten Machtmenschen, der macht, was er will. Dann sind alle anderen nur noch Marionetten in der Lombardi-Show.
«Nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus Eigeninteresse»
Nicola Mona (49), der 2022 nach drei Jahren als CEO ging, schrieb nach dem Knall vom Mittwoch auf Linkedin, dass man «den schlimmsten Epilog einer Ära erlebt» habe. «Nicht so sehr wegen des Ergebnisses, sondern wegen der Methode und Form.» Was für ihn falsch läuft bei Ambri? «Zu oft mischten sich der Vorstand oder einzelne Mitglieder in das Tagesgeschäft ein, kontaktierten Mitarbeiter direkt, setzten Entscheidungen oder Arbeitsmethoden durch und umgingen dabei die Verantwortlichen. Nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus Eigeninteresse oder dem weit verbreiteten und gefährlichen Glauben, dass führen bedeutet, alles zu entscheiden.»
Des Weiteren schreibt er von einem strukturellen Governance-Problem, «bei dem Kompetenz durch Ego und Respekt vor Rollen durch Machteitelkeit ersetzt wird. Es ist an der Zeit, dass Ambri wieder von kompetenten und verantwortungsbewussten Menschen geführt wird und nicht von persönlichen Interessen.»
Duca und Cereda waren keine Sesselkleber. Das Tandem wäre bereit gewesen, für das Wohl seines Herzensklubs den Platz zu räumen. Sowohl im letzten Sommer als auch zwei Jahre davor, als sich Cereda ausgebrannt fühlte, hatten die beiden Gespräche mit Lombardi geführt, ob es nicht Zeit für einen Wechsel sei.
Achteinhalb Jahre war Cereda Trainer bei seinem Stammklub, mit 503 Partien an der Bande ist er mit Abstand Rekordhalter bei den Biancoblù. Populist Lombardi hatte immer wieder die Balance gefunden, zwischen Kritik und Unterstützung. So verurteilte er die Internet-Hetze gegen Cereda und war zur Stelle, als Duca für seine Ausländer-Politik attackiert wurde.
Mit Duca/Cereda hatte Lombardi ein Herzblut-Duo, das mehr als nur einen Job machte und mit dem sich die Tifosi identifizieren konnten. Davon profitierte der sendungsbewusste Volkstribun, der sich noch so gerne feiern liess. Sei es in der neuen Gottardo Arena oder beim Spengler-Cup-Sieg 2022.
Lombardi sollte man nie abschreiben
Wie weiter mit dem «Mini-Berlusconi», der mit dem von ihm 1996 gegründeten Lokalsender Teleticino, Radio 3 und dem «Corriere del Ticino» gleich in drei Medienunternehmen grossen Einfluss hat? Zieht der Ex-Hauptmann seinen Rücktritt wirklich durch?
Als der zweifache Vater 2019 nach 20 Jahren um 45 Stimmen als Ständerat abgewählt wurde, dachten viele, dass seine politische Karriere beendet sei. Doch der Macher, der aus gutem Haus stammt (Vater Giovanni war ein Bauingenieur von internationalem Renommee), kehrte zurück. 2021 wurde der Mitte-Mann in die Stadtregierung von Lugano gewählt – das als Ambri-Präsident.
Lombardi ist ein Hansdampf in allen Gassen, der sich selbst als Workaholic bezeichnet. Es sitzt in diversen Gremien und Verwaltungsräten und ist Präsident der ASO, der Organisation, die 800'000 Auslandschweizer vertritt.
Abschreiben sollte man Lombardi nie, zumal Ambri in einer finanziell schwierigen Situation ist. Es drücken die Schulden der Kredite, die man für den Stadionbau und wegen Covid aufnehmen musste. Doch Lombardis Verrat an Duca und Cereda hat sein Vermächtnis bei Ambri beschädigt.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
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1 | HC Davos | 13 | 26 | 35 | |
2 | SC Rapperswil-Jona Lakers | 14 | 16 | 32 | |
3 | Lausanne HC | 14 | 21 | 27 | |
4 | HC Fribourg-Gottéron | 14 | 11 | 24 | |
5 | Genève-Servette HC | 13 | -14 | 23 | |
6 | EV Zug | 14 | -1 | 23 | |
7 | ZSC Lions | 14 | 10 | 23 | |
8 | EHC Biel | 13 | 4 | 19 | |
9 | SCL Tigers | 14 | -9 | 17 | |
10 | EHC Kloten | 15 | -8 | 17 | |
11 | SC Bern | 12 | -10 | 14 | |
12 | HC Lugano | 13 | -7 | 13 | |
13 | HC Ambri-Piotta | 14 | -17 | 13 | |
14 | HC Ajoie | 13 | -22 | 5 |