Darum gehts
- Mieter klagen über schlechte Wohnverhältnisse
- Vermieter soll versuchen, Bewohner zu vertreiben
- 284 Haushalte erhielten Massenkündigung
Das Licht in den Gängen funktioniert oft nicht. Ein tropfendes, schimmliges Loch in der Korridordecke. Wuchernde Pflanzen, die fast durch die Fenster hineinwachsen. Das sind nur einige Beispiele aus der Mängelliste, die die enttäuschten Bewohner der Vita-Siedlung in Langnau am Albis ZH ihrem Vermieter vorwerfen. Gegenüber Blick erklären die Mieter: «Wir fühlen uns nicht mehr wohl in unserem Zuhause. Es ist ein täglicher Kampf, hier zu leben.»
Im Frühjahr flatterte ein Massenkündigungsschreiben in die Briefkästen der 284 Haushalte. Grund ist eine Sanierung und Verdichtung des 65'000 Quadratmeter grossen Geländes. Die Mieter sollten bis Ende September ausziehen – es sei denn, sie unterzeichneten eine Verzichtserklärung, nicht rechtlich gegen die Kündigung vorzugehen. Dann dürfen sie ein Jahr länger bleiben, also bis Ende September 2026.
Frust statt Fairness
Viele Mieter wehrten sich, gründeten eine Interessengemeinschaft und leiteten rechtliche Schritte ein. Einige haben den Schlichtungsprozess bereits hinter sich. Weil sich Mieter und Vermieter dort nicht einigen konnten, dauert das Verfahren an.
Bisher haben nur 60 Parteien die Siedlung verlassen. Die Mehrheit bleibt und ist unzufrieden. Denn: Der Zustand der Liegenschaften habe sich drastisch verschlechtert. Die Verbleibenden sind sicher: «Unser Vermieter will uns herausekeln.»
Sie sind sich einig: «Wir zahlen noch gleich viel Miete wie vorher. Dafür erwarten wir wenigstens normale Wohnverhältnisse.»
Das Licht in den Gängen funktioniere oft nicht und der Rasen sei streckenweise nicht regelmässig gemäht sowie die Büsche nicht gestutzt worden. Eine Mieterin habe im Sommer lange Zeit ihr Fenster nicht öffnen können, weil sonst Käfer und Heuschrecken hineinsprangen. Reklamationen seien lange unbeantwortet geblieben. «Telefonisch erreicht man niemanden. Nur schriftliche Anfragen werden nach langer Zeit beantwortet», meint eine Mutter, die wegen des laufenden Verfahrens anonym bleiben will.
Diverse Schäden
Beim Blick-Besuch klafft in einem Gang vor den Wohnungseingängen ein grosses Loch in der Decke, aus dem es tropft und das schimmelt. Mitte August sei ein Teil des Putzes abgebröckelt. Reparaturen seien bislang nicht erfolgt, heisst es. Einzelne Mieter seien angefragt worden, den vollgelaufenen Eimer auszuleeren. Doch sie verwiesen auf den Hauswart. «Das Haus wird verwahrlost, und wir sollen noch zusätzliche Aufgaben übernehmen», sagen zwei Frauen.
Geputzt werde sowieso schon lange nicht mehr in den öffentlichen Bereichen, bemängelt auch Thomas K.* (57). Auf der Strasse vor den Blöcken gibt es zudem Schlaglöcher, die nicht repariert würden. Dadurch seien bereits Autos beschädigt worden. Verwundert erzählen die Mieter auch, dass seit rund zwei Jahren niemand mehr eine Nebenkostenabrechnung erhalten habe.
Bei einem Rundgang durch den Keller erzählt Mieter Marco Y.* (37), dass seit einem Jahr der langjährige Hauswart weg sei. Seither schaue niemand mehr zuverlässig zur Liegenschaft. «Alle machen, was sie wollen», sagt er. Die Trocknungsräume seien dreckig und die Lüftungen würden nicht mehr richtig funktionieren. «Niemals würde ich da freiwillig meine Kleider trocknen», so Y., der sich eine eigene Waschmaschine in die Wohnung eingebaut hat.
Neue Zwischenmieter
Alessandra dal Bosco (51) lebte sieben Jahre in der Siedlung und hat nun mit Glück eine neue Wohnung gefunden. Fristgerecht ist sie im September 2025 ausgezogen. Für sie war die Wohnungsübergabe ein Schreck: «Mir wurde gekündigt wegen Sanierung, und jetzt will die Verwaltung die Wohnung trotzdem noch für ein Jahr vermieten.» Deshalb soll sie für ein neues Schloss und Renovation der Wände bezahlen. «Das ist nicht fair. Ich halte mich an die Regeln und werde gebüsst.»
Einige Zwischenmieter sind bereits eingezogen. Seither laufe alles aus dem Ruder, erzählen langjährige Mieter. «Niemand erklärt den Neuen die Hausregeln.» Das Wasch-System funktioniere nicht mehr, der Keller sei eine Müllhalde und Sachbeschädigungen sollen sich häufen. Eine Mutter erzählt, dass jemand die Räder ihres Kinderwagens zerstochen habe. «Man fühlt sich nicht mehr sicher.»
Eigentümerin wehrt sich
Die Liegenschaftsverwaltung Apleona Schweiz AG verweist auf Anfrage von Blick auf die Eigentümerin der Liegenschaft, die Zurich Versicherung. Dort streitet man den Vorwurf von unregelmässiger Liegenschaftspflege ab. Das beauftragte Reinigungsunternehmen entsorge wöchentlich Littering, Abfälle und illegale Sperrgutansammlungen – auf Kosten der Eigentümerschaft –, obwohl diese von den Mietern nicht ordnungsgemäss entsorgt würden.
Ausserdem sei man dran, Schäden wie das Loch in der Decke oder die Schlaglöcher in den Strassen zu beheben. Bei punktuellen Meldungen von Missständen veranlasse man zusätzliche Massnahmen. Die Eigentümerin betont: «Transparente und offene Kommunikation ist uns ein wichtiges Anliegen, insbesondere in herausfordernden Situationen wie einer bevorstehenden Sanierung.»
Trotz der Missstände: Viele der Mieter wollen bleiben, wie sie Blick erklären. «Etwas Gleichwertiges und Bezahlbares findet man nicht in dieser tollen Umgebung.» Ihr Wunsch: Umsiedeln und anschliessend für ein paar Hundert Franken mehr im Monat weiterhin dort wohnen dürfen. Denn: «Das ist unser Zuhause. Seit Jahren.»
* Namen bekannt