«Gehen davon aus, dass ein Drittel des Gesamtvolumens abgestürzt ist»
1:58
Die aktuelle Lage in Blatten:«Wir gehen davon aus, dass ein Drittel abgestürzt ist»

Bergsturz-Alarm in Blatten VS
So überwacht die Schweiz Bröckelberge

Ein Felssturz bedroht das Dorf Blatten VS. Naturkatastrophen an Bergen können verheerend werden. Eine gute Überwachung ist unerlässlich. Ein Experte erklärt, wie gefährliche Bröckelberge in der Schweiz beobachtet werden.
Publiziert: 17:08 Uhr
|
Aktualisiert: 18:01 Uhr
1/8
Ein Bergsturz bedroht das Dorf Blatten VS. Mittlerweile ist die Ortschaft komplett evakuiert.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Felssturz in Blatten VS führt zur Evakuierung des Dorfes
  • Mehrstufige Überwachungssysteme erfassen Bewegungen im Zentimeter- bis Millimeterbereich
  • Drei Stufen: Detektion, Beobachtung und Alarmsysteme mit höchster Zuverlässigkeit
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Sandra_Marschner_Praktikantin News_Ringier Blick_1-Bearbeitet.jpg
Sandra MarschnerRedaktorin News-Desk

In den frühen Abendstunden des vergangenen Mittwochs kam es südlich der Gemeinde Blatten VS im Lötschental zu einem Felssturz. Bereits am Samstagabend begann die Evakuierung des Dorfes, am Montag verliess auch der Rest der Bewohner ihr Zuhause.

Die gefährliche Situation erinnert an den Bergsturz in Brienz GR, der das Dorf 2023 bedrohte. Wie solche Gefahrenlagen in der Schweiz überwacht werden, darüber hat Blick mit einem Experten gesprochen.

«Gehen davon aus, dass ein Drittel des Gesamtvolumens abgestürzt ist»
1:58
Die aktuelle Lage in Blatten:«Wir gehen davon aus, dass ein Drittel abgestürzt ist»

Mehrstufige Überwachung

Verschiedene Überwachungssysteme agieren in solchen Situationen über ein mehrstufiges Verfahren, erklärt Yves Bühler, Leiter der Gruppe Alpine Fernerkundung am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF). Auf Stufe eins stehen Detektionssysteme: «Radarsatelliten, überwachen die Berghänge über grosse Gebiete und können Bewegungen im Zentimeter- bis Millimeterbereich erfassen.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Es gebe jedoch Einschränkungen: «In sehr steilen Bereichen oder je nach Richtung der Bewegungen können die Satelliten nicht alle Veränderungen erfassen. Sie weisen blinde Flecken auf.» Durch die Kombination verschiedener Satelliten zeige die erste Stufe jedoch bereits ziemlich gut, wo Bewegungen auftreten. Wichtig: Im Vergleich zu den anderen Sensoren funktionierten die Radarsatelliten auch bei Bewölkung und eingeschränkten Sichtverhältnissen. 

Umfassende Warnsysteme

Treten in bestimmten Bereichen grosse oder sich rasch beschleunigende Bewegungen auf, komme es auf die Beobachtungssysteme der zweiten Stufe an. «Das können, wie in Brienz, auf dem Boden installierte Radargeräte sein», erklärt Bühler. Jedoch sei die Blickrichtung der Geräte entscheidend, nur Bewegungen in Blickrichtung des Radars könnten gemessen werden. Auch Laser scannen die Berghänge ab. Weiter lieferten Drohnen sehr hochauflösende Modelle der Bergoberflächen und zeigen, wo sich etwas hebe oder senke. Auch über Helikopter oder Flugzeuge seien solche Aufnahmen möglich. 

Ergänzend setze man am Boden auf Beobachtungssysteme wie Kameras, die in bestimmten Zeitabständen Bilder machen oder kleine Spiegel, welche auf Millimeter genau vermessen werden. Präzise GPS-Geräte erfassen auch punktuelle Bewegungen. So könne überwacht werden, wie sich Bewegungen in einem bestimmten Zeitraum an den beobachteten Punkten vollzogen haben.

Zeitraffer zeigt, wie schnell sich der Hang bewegt
0:13
Im Zeitraffer:So schnell bewegt sich der Hang in Blatten VS

Oft fehle hier aber der Überblick über das gesamte Gebiet, betont Yves Bühler. «Wir forschen daher gezielt, wie man die verschiedenen Warnsysteme miteinander kombinieren kann und was ihre jeweiligen Stärken und Schwächen sind. Blinde Flecken der einzelnen Komponenten sollen darüber verstärkt ausgeglichen werden.» 

Alarmsysteme mit höchster Zuverlässigkeit

«Auf der letzten Stufe stehen die Alarmsysteme. Hier braucht man die höchste Zuverlässigkeit, nachdem die Systeme zuvor eine Gefahrenlage bestätigt haben», erklärt der Experte weiter. In Brienz setze man zum Beispiel auf einen Radar für Steinschlag. Bei Alarm schalte die Ampel an der Strasse durch das gefährdete Gebiet dann auf Rot um.

So beobachtet die Schweiz Bröckelberge.
Foto: Blick-Grafik / Marcel Aerni

Ergänzend zu den einzelnen Warnsystemen ermögliche die Überwachung ein rasches Handeln, wie der Fall in Brienz gezeigt habe, verdeutlicht Bühler. Der Umfang der Warn- und Alarmsysteme sei immer auch an eine Kostenfrage gebunden. «Je intensiver und genauer die Überwachung, desto teurer wird es. Vor allem Alarmsysteme benötigen eine sehr hohe Zuverlässigkeit und haben deshalb einen höheren Preis.»

Die Situation in Blatten habe nun gezeigt, dass es auch vergleichsweise kostengünstiger gehen könne: «Installierte Kameras, die immer Bilder aufnehmen, lassen besonders grössere Bewegungen gut erkennen und zeigen die Intensität der Entwicklungen.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?