Darum gehts
- Felssturz in Blatten VS führt zur Evakuierung des Dorfes
- Mehrstufige Überwachungssysteme erfassen Bewegungen im Zentimeter- bis Millimeterbereich
- Drei Stufen: Detektion, Beobachtung und Alarmsysteme mit höchster Zuverlässigkeit
In den frühen Abendstunden des vergangenen Mittwochs kam es südlich der Gemeinde Blatten VS im Lötschental zu einem Felssturz. Bereits am Samstagabend begann die Evakuierung des Dorfes, am Montag verliess auch der Rest der Bewohner ihr Zuhause.
Die gefährliche Situation erinnert an den Bergsturz in Brienz GR, der das Dorf 2023 bedrohte. Wie solche Gefahrenlagen in der Schweiz überwacht werden, darüber hat Blick mit einem Experten gesprochen.
Mehrstufige Überwachung
Verschiedene Überwachungssysteme agieren in solchen Situationen über ein mehrstufiges Verfahren, erklärt Yves Bühler, Leiter der Gruppe Alpine Fernerkundung am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF). Auf Stufe eins stehen Detektionssysteme: «Radarsatelliten, überwachen die Berghänge über grosse Gebiete und können Bewegungen im Zentimeter- bis Millimeterbereich erfassen.»
Es gebe jedoch Einschränkungen: «In sehr steilen Bereichen oder je nach Richtung der Bewegungen können die Satelliten nicht alle Veränderungen erfassen. Sie weisen blinde Flecken auf.» Durch die Kombination verschiedener Satelliten zeige die erste Stufe jedoch bereits ziemlich gut, wo Bewegungen auftreten. Wichtig: Im Vergleich zu den anderen Sensoren funktionierten die Radarsatelliten auch bei Bewölkung und eingeschränkten Sichtverhältnissen.
Umfassende Warnsysteme
Treten in bestimmten Bereichen grosse oder sich rasch beschleunigende Bewegungen auf, komme es auf die Beobachtungssysteme der zweiten Stufe an. «Das können, wie in Brienz, auf dem Boden installierte Radargeräte sein», erklärt Bühler. Jedoch sei die Blickrichtung der Geräte entscheidend, nur Bewegungen in Blickrichtung des Radars könnten gemessen werden. Auch Laser scannen die Berghänge ab. Weiter lieferten Drohnen sehr hochauflösende Modelle der Bergoberflächen und zeigen, wo sich etwas hebe oder senke. Auch über Helikopter oder Flugzeuge seien solche Aufnahmen möglich.
Ergänzend setze man am Boden auf Beobachtungssysteme wie Kameras, die in bestimmten Zeitabständen Bilder machen oder kleine Spiegel, welche auf Millimeter genau vermessen werden. Präzise GPS-Geräte erfassen auch punktuelle Bewegungen. So könne überwacht werden, wie sich Bewegungen in einem bestimmten Zeitraum an den beobachteten Punkten vollzogen haben.
Oft fehle hier aber der Überblick über das gesamte Gebiet, betont Yves Bühler. «Wir forschen daher gezielt, wie man die verschiedenen Warnsysteme miteinander kombinieren kann und was ihre jeweiligen Stärken und Schwächen sind. Blinde Flecken der einzelnen Komponenten sollen darüber verstärkt ausgeglichen werden.»
Alarmsysteme mit höchster Zuverlässigkeit
«Auf der letzten Stufe stehen die Alarmsysteme. Hier braucht man die höchste Zuverlässigkeit, nachdem die Systeme zuvor eine Gefahrenlage bestätigt haben», erklärt der Experte weiter. In Brienz setze man zum Beispiel auf einen Radar für Steinschlag. Bei Alarm schalte die Ampel an der Strasse durch das gefährdete Gebiet dann auf Rot um.
Ergänzend zu den einzelnen Warnsystemen ermögliche die Überwachung ein rasches Handeln, wie der Fall in Brienz gezeigt habe, verdeutlicht Bühler. Der Umfang der Warn- und Alarmsysteme sei immer auch an eine Kostenfrage gebunden. «Je intensiver und genauer die Überwachung, desto teurer wird es. Vor allem Alarmsysteme benötigen eine sehr hohe Zuverlässigkeit und haben deshalb einen höheren Preis.»
Die Situation in Blatten habe nun gezeigt, dass es auch vergleichsweise kostengünstiger gehen könne: «Installierte Kameras, die immer Bilder aufnehmen, lassen besonders grössere Bewegungen gut erkennen und zeigen die Intensität der Entwicklungen.»