Darum gehts
- Felssturz bedroht Blatten VS, Evakuierung nötig
- Worst-Case-Szenario: Ganzer Berg könnte wegbrechen und Dorf verschütten
- Bis zu 5 Millionen Kubikmeter Material könnten sich bewegen
Lukas Kalbermatten (53) war lange Gemeindepräsident von Blatten VS. Den Direktor des Hotels Edelweiss sollte die Nachricht vom Felssturz eigentlich nicht schocken. Doch was dem 300-Einwohner-Ort nun drohen könnte, lässt den Hotelier nicht kalt. Zu dem Material, das sich von dem Berg Kleines Nesthorn gelöst hat, sagt Kalbermatten zu Blick: «Es sind unvorstellbare Mengen.»
Eine Aussage, die die Dorfbewohner nicht gerne hören werden. Das Gedankenkarussell dürfte sich bei vielen drehen. Was droht Blatten? Was wird im Worst-Case-Szenario aus meinem Haus? Im Gespräch mit Blick äussert sich neben Kalbermatten auch Matthias Ebener vom Regionalen Führungsstab Lötschental.
Worst-Case- und Best-Case-Szenario
«Die Experten haben am Montagmorgen festgestellt, dass die Bewegung am Berg immer grösser wird», so Ebener. Die Bevölkerung verstehe sehr gut, dass eine Evakuierung nötig ist. Im schlimmsten Fall könnten mehr als 66'000 Lastwagen-Ladungen Geröll die Ortschaft unter sich begraben.
Im Worst-Case-Szenario würde laut Ebener das ganze Kleine Nesthorn wegbrechen. In diesem Fall würden der Fluss Lonza, die Talstrasse und Gebäude im Gemeindegebiet verschüttet werden.
Das beste Szenario wäre demnach, wenn der Berg in kleinen Tranchen wegbrechen würde. Das sagte auch Alban Brigger von der Dienststelle für Naturgefahren an der Medienkonferenz am Montagnachmittag. Man hoffe, dass weiterhin der Berg in kleinen Schüben ins Tal stürzt. «Es ist eine Frage von Stunden, aber es wird kommen», sagte Brigger. Demnach rechnen der Behörden derzeit auch mit ständigen Abbrüchen.
Kommt es wie in Randa 1991?
Und wie beurteilt Kalbermatten die Gefahr, die vom Kleinen Nesthorn ausgeht? «Das Problem, das wir haben, ist, dass sich ein ganzer Berg mit fünf Millionen Kubik über uns bewegt», fasst er das Ausmass der Bedrohung zusammen. Er merkt an, dass es auch dann zu einer Katastrophe kommen könnte, wenn das Dorf nicht unmittelbar beschädigt wird. Denn: Hintendran werde sich ein See stauen – «wie damals in Randa». 1991 krachten in Randa im Mattertal bei einem Dreifach-Bergsturz Felsblöcke teils in der Grösse von Einfamilienhäusern ins Tal. Die Bahnlinie, Häuser, Strassen und Tiere wurden unter dem Schutt begraben. Menschen kamen nicht zu Schaden. 35 Schafe und sieben Pferde überlebten die Dreifach-Katastrophe allerdings nicht.
«Das hätte man sich nie vorstellen können»
«Für alle Szenarien hat der Führungsstab auch schon von früher Sachen bereit», verrät Kalbermatten. «Was man einfach nicht bereit gehabt hat, sind die Mengen. Das hätte man sich nie vorstellen können, dass ein ganzer Berg kommt.»
Die Stimmung im Lötschental ist angespannt. Rund 500 Meter oberhalb des Flusses Lonza und dem Dorf Blatten kam das Material in der vergangenen Woche zum Stillstand. Auf die Frage, wann der restliche Berg kommt, gibt es noch keine Antwort.