Darum gehts
- Bundespräsidentin Keller-Sutter traf Bundeskanzler Merz in Berlin für bilaterale Gespräche
- Merz sieht Genf als Verhandlungsort für Ukraine-Friedensgespräche
- Er steht der Schweiz positiv gegenüber und lobt die helvetische Arbeitsmoral
Die Schweiz zu Gast bei Freunden! Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61, FDP) traf heute in Berlin den deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz (69, CDU). Die Finanzministerin wurde mit militärischen Ehren im Bundeskanzleramt begrüsst. Im Mittelpunkt des gemeinsamen Gesprächs standen die bilaterale Zusammenarbeit, europapolitische sowie aussen- und sicherheitspolitische Fragen. Thematisiert wurden auch die Auswirkungen der US-Zollpolitik. Zuletzt hatte die US-Regierung Zölle in der Höhe von 39 Prozent gegen die Schweiz verhängt – mehr als das Doppelte der Zölle auf Waren aus der EU.
An einer gemeinsamen Medienkonferenz dankte Merz der Schweiz zuerst für «grossartige Fussballmomente» an der EM der Frauen in der Schweiz. Und er betonte das gute Verhältnis: «Die Schweiz ist ein verlässlicher und guter Nachbar.» Man wolle die Zusammenarbeit weiter verstärken und vertiefen. Auch an offenen Grenzen im Schengen-Raum halte man fest, betonte Merz mit Blick auf die zahlreichen Grenzgänger.
Für Genf als Verhandlungsort
Was auffiel: Merz machte sich stark für Genf als Verhandlungsort eines Waffenstillstands oder Friedens in der Ukraine. Da wolle er auch der «Koalition der Willigen» vorschlagen, mit welcher ein Treffen ansteht. Damit schliesst er sich der Idee von Emmanuel Macron (47) an. Die Schweiz sei bereit, ihre guten Dienste anzubieten, betonte Keller-Sutter. Sei es als Gaststaat oder mit Expertise. «Wir sind bereit, entsprechende Gespräche in Genf aufzugleisen und abzuhalten».
Man stehe diesbezüglich mit den Involvierten in Kontakt – «auch mit Russland», so Keller-Sutter. «Es ist wichtig, dass es einen Schritt vorwärtsgeht und dieser Krieg beendet werden kann. Es müssen aber alle Parteien bereit sein, sich gemeinsam an den Tisch zu setzen.»
Keller-Sutter sorgt bei Merz für Lacher
In der Fragerunde wollte eine Journalistin wissen, ob Deutschland die Schweiz bei den US-Strafzöllen unterstützt. Merz liess Keller-Sutter zuerst Stellung nehmen. «In vermintem Gelände sind alle Männer Gentlemen – nach dem Motto: Ladys first!», meinte Keller-Sutter verschmitzt, was bei Merz für einen Lacher sorgte. Die Schweiz müsse das Problem selber lösen und habe den USA eine neue Offerte unterbreitet. «Wenn es Unterstützung von aussen gibt, nehmen wir diese aber gerne wahr.»
Er habe ihr «wirklich nur aus Höflichkeit» den Vortritt gelassen, sagte Merz, nachdem er sich wieder gefasst hat. Er hoffe aber, dass die exorbitant hohen Strafzölle gesenkt werden könnten. Die Schweiz sei Teil des europäischen Wirtschaftsraums, da habe man die gleichen Interessen. Auch für die EU sei die Situation nicht komfortabel.
Auf eine mögliche EU-Mitgliedschaft der Schweiz angesprochen, zeigte er sich diplomatisch. Das Thema stehe derzeit nicht auf der Tagesordnung. «Ich wünsche mir aber eine Zusammenarbeit so eng wie möglich», unterstrich Merz. Er sei ein grosser Befürworter der Integration in unterschiedlichen Tiefen, aber: «Je enger unser Verhältnis, umso besser für alle Beteiligten. Wie eng die Zusammenarbeit sein kann, entscheiden die Schweizer Bürgerinnen und Bürger in ihrer Souveränität.»
Merz lobt die helvetische Arbeitsmoral
Keller-Sutter durfte einen freundlichen Empfang geniessen. Stand die Schweiz bei der früheren Regierung unter SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz (67) nicht hoch im Kurs, äussert sich Merz wohlwollend über die Schweiz. Gerade erst lobte er die helvetische Arbeitsmoral, welche sich die Deutschen als Vorbild nehmen sollten. «Wir arbeiten 200 Stunden weniger als die Schweizer!», kritisierte er im ZDF-Sommerinterview.
Der Knatsch um die ausgemusterten Leopard-2-Panzer scheint vergessen, die Unstimmigkeiten um die einseitig verschärften Grenzkontrollen sind abtemperiert. Und gemäss Wahlprogramm der Merz-Partei soll Deutschland die Partnerschaften und Kooperationen mit Nachbarstaaten stärken. «Das gilt insbesondere für die Länder des Europäischen Wirtschaftsraums, Norwegen, Island und Liechtenstein sowie für unseren Nachbarn Schweiz», heisst es dazu.
Verbindungen in die Schweiz
Merz selbst hat verschiedene Anknüpfungspunkte in die Schweiz. In den letzten Jahrzehnten war er immer wieder zu Besuch – etwa in seiner Zeit als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion oder verschiedentlich für Vorträge. Und letzten Januar besuchte er, noch mitten im Wahlkampf, das World Economic Forum (WEF) in Davos GR.
Sein wichtigster Schweiz-Bezug: Von 2006 bis 2020 sass er im Verwaltungsrat von Stadler Rail mit Sitz in Bussnang TG. «Merz kennt die Schweiz gut, war oft hier», sagte Verwaltungsratspräsident Peter Spuhler (66) letztes Jahr gegenüber CH Media. «Vor allem hat er unseren direktdemokratischen Prozess sehr gut kennengelernt.»
Auch der frühere Mitte-Präsident Gerhard Pfister (62) traf den heutigen Bundeskanzler mehrmals, etwa an Versammlungen der Europäischen Volkspartei. «Merz ist der Schweiz definitiv näher und kennt unser Land besser als Scholz», sagte er nach dem CDU-Wahlsieg vom Februar zu Blick. «Er kommt aus der klassischen Nachkriegs-CDU mit republikanischer Tradition und hat Sympathien für unser Land, das ist sicher ein Vorteil.»
«Spannende Begegnung»
Es ist nicht das erste Mal, dass Keller-Sutter auf Merz trifft. Anfang Jahr lief sie ihm an der Münchner Sicherheitskonferenz über den Weg. Wichtig seien immer auch die ungeplanten Treffen, sagte sie damals zu Blick. «Als Schweizerin ist man ja immer fünf Minuten zu früh da. So können sich auch spannende Begegnungen ergeben, zum Beispiel ein Handschlag mit dem deutschen CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.» Der CDU-Mann war damals noch nicht gewählt.
Im Mai hingegen nahmen beide am Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft im albanischen Tirana teil. Merz diesmal als Kanzler.