Darum gehts
- Alice Weidels Wohnsitz in der Schweiz sorgt in Berlin für Zoff.
- Die AfD betont: Sie zahlt Steuern in Deutschland.
- Politiker halten Weidel die Wohnsituation entgegen.
Der Zoff um den Schweizer Wohnsitz von Alice Weidel (46) spitzt sich zu. Die Chefin der Rechtsaussen-Partei «Alternative für Deutschland» (AfD) wohnt mit ihrer Partnerin und den beiden Kindern in Einsiedeln SZ. Offiziell ist sie im deutschen Überlingen am Bodensee gemeldet, ebenso hält sie sich als Bundestagsabgeordnete häufig in Berlin auf. Weidel wird in Parlamentsdebatten von politischen Gegnern zunehmend mit ihrem Schwyzer Wohnsitz konfrontiert, wie eine Blick-Auswertung zeigte.
Die AfD hat den Ton verschärft und setzt auf persönliche Angriffe – was auch Abgeordnete anderer Parteien zu harten Kontern provoziert. In Zwischenrufen wird Weidel ihr Wohnsitz in der Schweiz als Widerspruch zu ihrer Rhetorik vorgehalten. Lange sassen sie und ihre Parteikollegen die Seitenhiebe lieber aus. Jetzt aber geht der Schlagabtausch in eine neue Runde: Den Vorwurf, Weidel zahle ihre Steuern in der Schweiz und nicht in Deutschland, scheint die AfD nervös zu machen.
«Selber Steuern in der Schweiz zahlen!»
In den sozialen Medien kursiert derzeit ein Video, in dem ein AfD-Spitzenmann Weidel mit juristischen Ausführungen gegen die Schweiz-Vorwürfe verteidigt. Darin liefert die Partei – so ausführlich wie bisher nie – eine Erklärung zur Steuerfrage. Und auch im Parlament selbst reagierte die Parteichefin. Befürchtet man, dass dieser Punkt an Weidels Glaubwürdigkeit kratzt?
In einer Rede Mitte Oktober wetterte die AfD-Chefin über angebliche Fehlentscheidungen der Regierung und warnte vor «Masseneinwanderung». Da rief der SPD-Abgeordnete Dirk Wiese (42) dazwischen: «Aber selber Steuern in der Schweiz zahlen!» Diesmal wich Weidel vom Redetext ab und entgegnete: «Sie wissen, dass das nicht stimmt.»
Aus Weidel wird «Schweidel»
Besonders für Wirbel sorgte eine Rede von SPD-Mann Jan Dieren (34). Er sprach zuvor von vermögenden Deutschen, die lieber in der Schweiz wohnten. «Das ist also ein Steuervermeidungsmodell, von dem ja auch Ihre Fraktionsvorsitzende – und ich weiss nicht, wer noch bei Ihnen in der AfD – gerne profitiert.»
Darauf reagierte der AfD-Abgeordnete Maximilian Kneller (32) mit einer sogenannten Kurzintervention. Er sprach von den «Fake News, Frau Weidel würde in der Schweiz leben» – und forderte eine Entschuldigung. «Das ist nämlich Schwachsinn.» Weidel sei in Deutschland gemeldet und wohne dort.
Dieren wiederum konterte scharf. Im Protokoll ist festgehalten, dass er Weidel dabei als «Schweidel» bezeichnete – wohl eher eine bewusste Anspielung auf die Schweiz als ein Versprecher. Er verlangte Beweise, «dass sie Steuern in Deutschland zahlt». Kneller schmallippig: «Was geht Sie das an?»
Die Erklärung für Weidels Steuersituation
Später veröffentlichte Kneller auf seinen Social-Media-Kanälen ein Video, das unter AfD-Anhängern nun rege verbreitet wird. Die Überschrift: «Alice Weidel lebt in der Schweiz? SPD-Fake News widerlegt!» Im Video liest der AfD-Abgeordnete eine juristische Erklärung vor, die die Steuerpflicht Weidels in Deutschland begründet.
Darin heisst es, Alice Weidel sei «in Deutschland unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig». Laut Gesetz gelte das für alle, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren «gewöhnlichen Aufenthalt» haben. Weidel erfülle beides: Sie habe eine Wohnung in Überlingen und halte sich als Bundestagsabgeordnete überwiegend in Deutschland auf.
«Ein Zweitwohnsitz in der Schweiz» ändere daran nichts, so Kneller weiter. Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen beiden Ländern gelte Deutschland als sogenannter «Ansässigkeitsstaat». Zur Erklärung: Solche Abkommen sorgen dafür, dass Personen nicht in zwei Ländern für das gleiche Einkommen besteuert werden.
Weil Weidel ihr Mandat in Berlin ausübe, liege auch der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen «eindeutig in Deutschland». Daraus folge, dass «rechtlich klar ist, dass Weidel in Deutschland Steuern zahlen muss». Kneller: «Der Vorwurf, sie zahle hier keine Steuern, ist unbegründet.» Steuerrechtler hatten sich gegenüber Blick ähnlich geäussert.
Und was ist mit der Schweiz?
Hat Kneller die Erklärung zu Weidels Steuersituation verfasst? Ist sie nun quasi die offizielle Sprachregelung? Eine Blick-Anfrage blieb unbeantwortet.
Allerdings: Dass Weidel gar kein Steuergeld in der Schweiz abliefert, dürfte nicht stimmen. Die Wohnung in Einsiedeln besitzen Weidel und ihre Frau je zur Hälfte, wie CH Media recherchierte. Zumindest den Eigenmietwert der Immobilie müsste Weidel demnach in der Schweiz versteuern.