«Gestern musste ich vertrösten, jetzt ist es klar»
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Guy Parmelin über Zoll-Erfolg:«Gestern musste ich vertrösten, jetzt ist es klar»

Was der Zolldeal über die Schweiz verrät
Die Schweiz knackt den Trump-Code!

Der 15-Prozent-Zolldeal mit den USA ist perfekt. Die harte Nuss Trump wurde geknackt. Ein Befreiungsschlag. Wie gelang, was kaum jemand noch für möglich hielt? Ein Leitartikel über Macht, Miliz und das Aussergewöhnliche der Schweiz.
Publiziert: 15.11.2025 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 15.11.2025 um 07:01 Uhr
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Die Schweiz und Trump: eine ambivalente Beziehung.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Statt 39 Prozent neu 15 Prozent Zoll für Schweizer Exporte in die USA
  • Eine Katastrophe für die Schweizer Wirtschaft ist abgewendet
  • Das sind die Köpfe und die Tricks hinter dem Zollwunder
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Rolf CavalliChefredaktor Blick

Parmelin atmet auf. Die Wirtschaft atmet auf. Die Schweiz atmet auf.

Was sich in den letzten Tagen abzeichnete, ist jetzt offiziell: Statt wie seit August 39 Prozent verlangen die USA künftig noch 15 Prozent Zoll auf Schweizer Exporte. 39 Prozent – das war ein Frontalangriff auf Schweizer Vorzeigefirmen: gefährdete Exporte, gestrichene Jobs, sinkende Steuereinnahmen – ein Wohlstandsverlust weit über die Wirtschaft hinaus.

Bis jetzt haben uns Trumps Zölle laut NZZ-Berechnungen rund 1,5 Milliarden Franken gekostet. Auch 15 Prozent verschlingen noch über 200 Millionen pro Monat. Viel – aber billiger, als den Wohlstand zu riskieren. Und: Mit 15 Prozent steht die Schweiz auf Augenhöhe mit der EU.

Der Zolldeal ist ein Befreiungsschlag. Und ein politisches Lehrstück. 

Während Bundesbern schwieg, handelte die Wirtschaft – diskret, entschlossen, risikobereit. Jean-Frédéric Dufour (57), Rolex-CEO. Johann Rupert (75), Richemont-Mogul. Fredy Gantner (57), Investor. Daniel Jaeggi, Rohstoffhändler, Marwan Shakarchi (63), Goldhändler. Fünf globale Schwergewichte mit Sinn für Macht und Symbolik.

Neue Akteure fürs Schweizer Modell

Die Unternehmer erreichten, was Bundesräte nicht im Traum schafften: ein Termin im Oval Office. Und sie kamen nicht nur mit Argumenten, sondern auch mit Geschenken – einer Spezial-Rolex und einem gravierten Goldbarren.

Trump, der sich mit Ministern schwertut, empfing den Schweizer Business-Club – hörte zu, liess sich beschenken, zeigte Goodwill.

Auffällig: Es sind keine im Volk bekannten Wirtschaftsköpfe, sondern Milliardäre, die lieber Deals machen als Debatten führen. Und doch zeigt ihr Auftritt: Das Schweizer Modell funktioniert – auch mit neuen Akteuren.

Superreiche machen Politik – geht das?

Was folgte, war keine Bücklingsmission – sondern ein Spiel über die Bande. Bundesbern hielt sich bewusst zurück. Im Hintergrund zog Seco-Chefin Helene Budliger Artieda (60) die Fäden. Parmelin flog mit ihr in der Nacht auf Donnerstag nach Washington, um den Deal politisch abzuschliessen.

Natürlich kann man fragen: Ist das noch Aussenpolitik – oder schon Oligarchie? Eine Handvoll Superreiche machen Politik für den Staat? Doch die Kritik greift zu kurz. Die Unternehmer handelten aus Eigeninteresse, ja – aber sie verteidigten zugleich das Landesinteresse. Und zwar wirksamer als jede offizielle Diplomatie.

Swatch-Schweiz und Rolex-Schweiz

Swatch-Patron Nick Hayek (71) nannte die Berner Diplomaten nach dem sommerlichen Zolldeaster «Pfadfinder in kurzen Hosen» – mutlos, planlos. Er forderte mehr Wilhelm Tell, weniger Vasall. Gegenmassnahmen statt Luxusgeschenke. Hayek traf einen Nerv.

Doch der Widerspruch löst sich auf, wenn jeder seine Rolle kennt. Swatch-Schweiz und Rolex-Schweiz – nicht Gegensätze, sondern Ergänzungen. Die Unternehmer brauchen keine öffentliche Legitimation – und erreichen, was die Politik nicht vermochte. Der Staat übernimmt dort, wo es zählt: Verantwortung, Legitimation, Abschluss.

Gesslerhut und kurze Zündschnur

Diese Arbeitsteilung macht unser Land stark. Balance zwischen Eigeninitiative und Institution. Zwischen Eigenverantwortung und Gemeinsinn. Zwischen Goldbarren und Gesetz.

Der Zoll-Deal steht. Die Schweiz kann durchatmen. Trump bleibt unberechenbar – ein König mit Gesslerhut und kurzer Zündschnur. Doch die Schweiz zeigt: Sie kann sich wehren, ohne sich zu verraten.

Der Moment gehört keinem Helden, sondern dem System. Einer eigenwilligen Mischung aus Miliz, Markt und Staat. Einer Schweiz, die sich selten in Szene setzt – aber funktioniert, wenn es zählt.

Das ist mehr wert als jeder Zollrabatt.

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