Darum gehts
- Schweizer Eliten werden an der Uni Lausanne erforscht. Einfluss auf wichtige Entscheidungen
- Wirtschaft stark im Parlament vertreten. Parlamentarier sind selbst die grössten Lobbyisten
- Fast 80 Prozent der SP-Fraktion haben Hochschulabschluss. SVP hat am meisten Parlamentarier ohne
Die mächtigen, einflussreichen Kreise in der Schweiz werden direkt neben einer Autobahn erforscht. An der Uni Lausanne beschäftigt sich Felix Bühlmann (50) mit der Elite in Wirtschaft, Politik und Verwaltung. «Ein paar Hundert» Menschen seien es, die hierzulande dazugehören.
«Zur Elite gehört, wer Einfluss auf wichtige Entscheidungen im Land hat. Das können die Chefs grosser Firmen sein, aber auch Parlamentarier, Bundesräte oder Amtsdirektoren», sagt Bühlmann. Ein Ranking gebe es nicht. Klar ist etwa: Parteipräsidenten und Fraktionschefs seien einflussreicher als Hinterbänkler. Bei den grossen Firmen sieht der Professor eine Konzentration an der Spitze: UBS, Nestlé, Roche und Novartis sind deutlich grösser als andere Firmen. Dementsprechend haben UBS-Boss Sergio Ermotti (65), Roche-Chef Thomas Schinecker (50), Novartis-CEO Vasant Narasimhan (49) und Co. auch mehr Einfluss.
Vom Hinterzimmer zum Powerplay
Doch welche Rolle spielen die Eliten überhaupt in der Politik? Schliesslich kann jeder Entscheid durch das Volk wieder gekippt werden. Bühlmann sagt: «Die Wirtschaft ist im Parlament stark vertreten. Die Parlamentarier sind durch ihre Jobs stark vernetzt und selbst die grössten Lobbyisten.» Wer eine Initiative starte oder das Referendum lancieren will, braucht dafür viel Geld. «Das kommt aus der Wirtschaft.»
Aber das Verhältnis zwischen der Wirtschafts- und der Politelite hat sich verändert. Die UBS zieht ein Powerplay auf, um eine stärkere Bankenregulierung durch das Finanzdepartement von Bundesrätin Karin Keller-Sutter (61, FDP) zu verhindern.
In den 1960er-Jahren wäre das wohl undenkbar gewesen. «Zu dieser Zeit wurde Politik viel mehr in Hinterzimmern gemacht. Die Wirtschaftslenker kannten die Parlamentarier gut, oft kamen sie aus der gleichen Gesellschaftsschicht.» Heute sei das Umfeld ein anderes, so Bühlmann. «60 Prozent aller Chefs von börsenkotierten Unternehmen wurden nicht in der Schweiz geboren. Somit sind die Wege nicht mehr so nah.» Dazu seien auch die Medien immer lauter und das Parlament professioneller.
«Rebellion gegen Wirtschaftselite»
Wohl auch darum setzte jetzt auch die UBS auf ein lauteres Lobbying. «Sie hat es geschafft, die öffentliche Meinung zu drehen.» Selbst wenn viele Experten die Vorschläge als nicht so streng beurteilen, habe es die UBS mit ihren Wegzug-Gerüchten geschafft, den Diskurs zu prägen.
In den 1980er-Jahren trat Unternehmer und SVP-Nationalrat Christoph Blocher (85) ins Rampenlicht. «Sein Aufstieg war eine Rebellion gegen die damalige Wirtschaftselite», sagt Bühlmann. «Er wollte mehr Einfluss und bekam diesen dann auch dank der politischen Erfolge.»
Später wurde die Wirtschaft kritischer betrachtet. «Es gab mehr Regulierungen, die Unternehmen mussten transparenter werden, und die Abzocker-Initiative von Thomas Minder wurde angenommen.»
Bessere Chancen in der Politik
Kämpfe zwischen den Elitengruppen seien nicht unüblich, so Bühlmann. «Es kommt zu Verschiebungen. Und dennoch wissen alle, dass sie aufeinander angewiesen sind.»
Interessant: Wer selbst zur Elite gehören will, hat in der Politik die besten Chancen. «In der Wirtschaft und der Verwaltung werden oft Leute eingestellt, die eine ähnliche Ausbildung haben und sich gegenseitig sympathisch sein.» In der Politik funktioniere der Auswahlmechanismus anders. «Wer keine Uni besuchte, hat es in der Politik einfacher, weil dort gewählt wird.»
Mittlerweile gibt es aber grosse Unterschiede zwischen den Parteien. In den 1980er-Jahren sei jeweils noch die SP jene Partei gewesen, die durchlässig war, was die Bildung anging. «Doch heute haben fast 80 Prozent der SP-Fraktion einen Hochschulabschluss», sagt Bühlmann. «Hingegen hat die SVP am meisten Parlamentarier ohne Bachelor oder Master.»
Es nach ganz oben zu schaffen, wird ohne Studium allerdings schwierig. «Die meisten Bundesräte haben mittlerweile einen Uni-Abschluss. Bundesräte mit einer Lehre sind selten.»