Darum gehts
- Volksinitiative für Erbschaftssteuer auf Nachlässe über 50 Millionen Franken
- Initiativtitel als politische Strategie, oft nicht direkt inhaltsbezogen
- Bundeskanzlei kann Titel anpassen lassen, griff aber sehr selten ein
Grosses Thema ist das Erben – genauer gesagt: eine nationale Erbschaftssteuer. Am 30. November entscheidet das Stimmvolk über eine Volksinitiative der Jungsozialisten. Im Kern geht es um die Frage, ob auf Nachlässe von über 50 Millionen Franken künftig eine Steuer von 50 Prozent erhoben werden soll. Die Einnahmen sollen in einen Klimafonds fliessen.
Doch wer in den kommenden Wochen den Abstimmungszettel vor sich hat, könnte sich verwundert die Augen reiben. Erben? Kein Wort dazu! Die Abstimmungsfrage lautet, ob man die Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» annehmen wolle. So heisst die Initiative offiziell.
Die Gegner schlagen zurück
Der Titel ist Teil der politischen Strategie. Denn Initiativkomitees dürfen den Namen einer Vorlage mehr oder weniger selbst bestimmen – sie nutzen diese Freiheit, um ihre Botschaft zu rahmen. Der Titel soll positiv wirken, Zustimmung wecken, auf den gewünschten Inhalt lenken.
Kein Wunder, werden in der öffentlichen Debatte andere Begriffe benutzt. Geläufig sind Bezeichnungen wie «Erbschaftsinitiative», «Erbschaftssteuer-Initiative» oder schlicht «Juso-Initiative».
Die Gegnerschaft hat sich ihre eigenen Etiketten geschaffen – sie sind ebenso aufgeladen und zeichnen ein anderes Bild der «Initiative für eine Zukunft». Wirtschaftsverbände wie Swissmem sprechen von der «Enteignungsinitiative», die FDP gar von einer «sozialistischen Enteignungsinitiative». Die SVP verbreitet zudem den Begriff «Bereicherungsinitiative». Und SP-Abweichler Daniel Jositsch (60) etwa warnt vor der «Neid-Initiative».
Stimmungsmache mit der Wortwahl
Jede Seite versucht, mit der Wortwahl Stimmung zu machen. Immer wieder geben in Abstimmungskämpfen die Bezeichnungen zu reden, und nicht selten hat der offizielle Name nicht gleich mit dem Kern des Inhalts zu tun. Ist das nicht Etikettenschwindel – zugelassen von Bundesbern?
Klar ist: Der Titel einer Initiative ist Teil des politischen Marketings, von nüchternen Gesetzestexten ist er weit entfernt. Beliebt sind griffige Formulierungen, die komplexe Vorhaben auf eine eingängige Botschaft verdichten.
Im September stand die Schweiz vor einem ähnlichen Rätsel – bei der Referendumsabstimmung waren die Damen und Herren im Bundeshaus selbst dafür verantwortlich: Alle redeten vom Eigenmietwert, doch auf dem Stimmzettel kam das Wort gar nicht vor. Faktisch entschied das Volk über die Abschaffung dieser fiktiven Steuer auf selbst bewohntes Eigentum. Die Abstimmungsfrage tönte jedoch bürokratisch: «Wollen Sie den Bundesbeschluss über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften annehmen?»
Der Grund für die verwirrende Formulierung lag im komplizierten Kompromiss, den das Parlament nach jahrelanger Debatte ausgehandelt hatte. Weil sich die Bergkantone gegen den Wegfall ihrer Einnahmen wehrten, erhielten sie im Gegenzug das Recht, eine neue Liegenschaftssteuer auf Zweitwohnungen einzuführen. Die beiden Vorlagen waren miteinander verknüpft. Der Kompromiss kam an der Urne durch.
Im September stand die Schweiz vor einem ähnlichen Rätsel – bei der Referendumsabstimmung waren die Damen und Herren im Bundeshaus selbst dafür verantwortlich: Alle redeten vom Eigenmietwert, doch auf dem Stimmzettel kam das Wort gar nicht vor. Faktisch entschied das Volk über die Abschaffung dieser fiktiven Steuer auf selbst bewohntes Eigentum. Die Abstimmungsfrage tönte jedoch bürokratisch: «Wollen Sie den Bundesbeschluss über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften annehmen?»
Der Grund für die verwirrende Formulierung lag im komplizierten Kompromiss, den das Parlament nach jahrelanger Debatte ausgehandelt hatte. Weil sich die Bergkantone gegen den Wegfall ihrer Einnahmen wehrten, erhielten sie im Gegenzug das Recht, eine neue Liegenschaftssteuer auf Zweitwohnungen einzuführen. Die beiden Vorlagen waren miteinander verknüpft. Der Kompromiss kam an der Urne durch.
Klar ist ebenso: Das Phänomen ist nicht neu. Die SVP etwa lancierte die sogenannte Nachhaltigkeitsinitiative – bekannt als «10-Millionen-Initiative». Was die Titel verschweigen: Hat die Schweiz zehn Millionen Einwohner, soll der Bundesrat die Personenfreizügigkeit mit der EU kündigen.
2013 wurde unter dem Titel «Gegen die Abzockerei» erfolgreich die Empörung über Managerlöhne geweckt. Tatsächlich ging es um Änderungen im Aktienrecht, doch der Begriff «Abzocker» wurde dank der Initiative aus der justiziablen Ecke herausgeholt.
Wenn sogar Bern genug hat
In Bern taucht immer wieder die Frage auf, wie genau ein Titel sein muss. Die zuständige Bundeskanzlei muss vor einer Unterschriftensammlung die formellen Anforderungen einer Initiative prüfen. Laut Vorschriften darf sie den Titel ändern, falls er «irreführend ist, kommerzielle oder persönliche Werbung enthält oder zu Verwechslungen Anlass gibt».
Doch solche Eingriffe sind äusserst selten. Der bekannteste Fall liegt über ein Vierteljahrhundert zurück: Die Initiative «Das freie Wort» wollte 1999 das Verbot der Rassendiskriminierung abschaffen. Weil der Titel den Inhalt zu sehr verschleierte, musste er geändert werden.
Meist ist die Bundeskanzlei zurückhaltend – sie will nicht selbst politisch Einfluss nehmen. Zudem führt sie frühzeitig mit Initiativkomitees Gespräche. Dabei soll es immer wieder gelungen sein, völlig sachfremde Titel zu verhindern.
Alle Versuche, neue Regeln einzuführen, blieben erfolglos. So forderte etwa der heutige FDP-Fraktionschef Damien Cottier (50) vor fünf Jahren: Volksinitiativen sollten «neutralere Titel» tragen, um die freie Meinungsbildung zu sichern. Cottiers Vorstoss scheiterte im Parlament. Kritiker warnten vor der Schwierigkeit, solche Titel festzulegen – es könnte zu Rechtsstreitigkeiten kommen.