Darum gehts
- Frühpensionierungen sollen unattraktiver werden
- Senioren sollen freiwillig länger arbeiten
- AHV-Reform 2030 geht im Frühling in die Vernehmlassung
Zuckerbrot und Peitsche! Damit will SP-Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider (62) die Schweizerinnen und Schweizer zum länger Arbeiten bewegen. Mit der nächsten grossen AHV-Reform 2030 will sie Anreize schaffen, damit man freiwillig über das ordentliche Rentenalter hinaus im Erwerbsleben bleibt.
Einerseits soll sich das Weiterchrampfen für Senioren über 65 hinaus lohnen – etwa mit einem höheren Freibetrag. Im Gegenzug sagt Baume-Schneider den Frühpensionierungen den Kampf an. Der Fokus liegt dabei auf den Pensionskassen: In der zweiten Säule soll das Mindestalter von 58 auf 63 Jahre steigen – analog zur AHV.
AHV-Frührente wird verschlechtert
Doch auch in der ersten Säule will Baume-Schneider die Zügel straffer ziehen. Heute gilt: Wer ein Jahr früher in Pension geht, erhält lebenslang eine um 6,8 Prozent tiefere AHV-Rente. Bei zwei Jahren Vorbezug sind es gar 13,6 Prozent.
Das soll vorläufig so bleiben – und bedeutet damit eine Verschlechterung. Das kommt so: Da die vorgezogene Rentensumme theoretisch über die Jahre durch eine tiefere Rente kompensiert wird, sollte der Kürzungssatz bei steigender Lebenserwartung sinken. Dies, weil sich der «Rentenvorschuss» über einen längeren Zeitraum abstottern lässt.
Verbesserung gestrichen
Heute sind die seit 1997 geltenden Kürzungssätze daher zu hoch. Der Bundesrat wollte deshalb mit der vom Stimmvolk gutgeheissenen AHV-21-Reform eine Anpassung vornehmen. In der damaligen Botschaft errechnete er einen Kürzungssatz von 4 Prozent für ein Jahr Vorbezug sowie 7,7 Prozent bei zwei Jahren als versicherungstechnisch angemessen. Für Geringverdienende sollte die Kürzungen noch tiefer ausfallen. Das Parlament entschied aber, dass die Anpassung frühestens per 2027 vorgenommen werden darf.
Der Bundesrat will auf diese Anpassung nun aber gleich ganz verzichten, wie aus internen Dokumenten der Ämterkonsultation zur AHV 2030 hervorgeht, die Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz vorliegen.
«Diese Anpassung würde dazu führen, dass der vorzeitige Ruhestand attraktiver und der Aufschub weniger interessant würde», schreibt das zuständige Bundesamt für Sozialversicherungen in einem Aussprachepapier dazu. «Die Ziele der vorliegenden Revision bestehen jedoch darin, die Anreize für einen vorzeitigen Ruhestand zu verringern und umgekehrt die Erwerbstätigkeit über das 65. Lebensjahr hinaus zu fördern.» Tatsächlich müssten auch die Rentenzuschläge bei einem AHV-Aufschub gekürzt werden.
Frührente stärker kürzen
Baume-Schneider will daher zuwarten und die Kürzungssätze erst mit der AHV-Reform 2030 anpassen. Allerdings nicht nach unten, sondern tendenziell nach oben! Die versicherungstechnischen Prinzipien will sie kippen, «um die Frühpensionierung in Zukunft weniger attraktiv zu machen und den Aufschub des Rentenbezugs interessanter zu gestalten». Es sei «notwendig, die Sätze auf der Grundlage von Anreizprinzipien festzulegen».
Sie nimmt dabei den Ball auf, den ihr der Ständerat in der Sommersession zugespielt hat. In einer einstimmig angenommenen Motion verlangt die kleine Kammer, den aktuellen Kürzungssatz von 6,8 Prozent pro Jahr beizubehalten oder gar noch zu erhöhen. Gleichzeitig soll bei einem späteren Rentenbezug der Zuschlag stärker erhöht werden. Der Nationalrat hat dem Vorhaben in der Wintersession mit 129 zu 62 Stimmen ebenfalls grünes Licht gegeben.
Gegen Fachkräftemangel
Der Vorstoss geht auf FDP-Ständerat Damian Müller (41, LU) zurück. Bei der AHV-21-Reform sei man in die falsche Richtung gegangen. Die Kürzungssätze zu reduzieren und damit die freiwillige Vorpensionierung noch attraktiver zu machen, sei unverständlich. Dies umso mehr, als auch die Rentenzuschläge bei einem AHV-Aufschub gekürzt worden wären. «Gegenüber heute wäre man künftig sogar noch bestraft worden, wenn man freiwillig länger gearbeitet hätte!», so Müller.
«Freiwillige Frühpensionierungen sind ungut und verstärken letztlich den Migrationsdruck.» Stattdessen sei es viel sinnvoller, die freiwillige Weiterarbeit zu fördern, um auch dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. «Niemand muss länger arbeiten. Wer dies aber freiwillig tut, der soll auch mit einem anständigen Rentenzuschlag belohnt werden.»
SP: «Rentenaltererhöhung durch Hintertür»
Kritik kommt von links-grüner Seite. Dass die Sätze nicht wie mit der AHV-21-Reform versprochen gesenkt würden, sei «demokratiepolitisch doch etwas fragwürdig», sagt SP-Co-Fraktionschefin Samira Marti (31). Gleichzeitig sei die sozialpolitische Abstufung bis heute nicht umgesetzt.
«Anstatt hierzu nun Lösungen zu präsentieren, sieht der Bundesrat mit der AHV 2030 einen eigentlichen Paradigmenwechsel vor», so Marti. «Die SP-Fraktion wehrt sich gegen solche Rentenaltererhöhungen durch die Hintertüre.»
Vernehmlassung im Frühling
Wie hoch die Kürzungssätze künftig ausfallen, lässt Baume-Schneider vorerst offen. Allerdings macht sie im Aussprachepapier klar, dass sie «je nach Einkommen differenziert werden müssten». Sprich: Bei Geringverdienenden würden diese tiefer angesetzt als bei hohen Einkommen. Unklar bleibt vorerst auch, wie sich die Massnahme finanziell auf die AHV-Kosten insgesamt auswirkt.
Nächsten Frühling Jahr will Baume-Schneider die AHV-Reform 2030 in die Vernehmlassung geben. Erst dann wird Klarheit herrschen, wie stark die SP-Bundesrätin potenzielle Frührentner an die Kandare nimmt.