Schweiz auf grosser Bühne
Vermiesen Trump und Putin Cassis den Top-Job?

Bald übernimmt die Schweiz unter Aussenminister Ignazio Cassis den Vorsitz der Sicherheitsorganisation OSZE. Das verspricht Prestige – doch Russlands Blockade und Amerikas Desinteresse lähmen die Organisation massiv. Wird das Ganze für Bern zum Flop?
Publiziert: 00:01 Uhr
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Für Russlands Präsident Wladimir Putin (l.) und US-Präsident Donald Trump (r.) hat die Sicherheitsorganisation OSZE keine grosse Bedeutung.
Foto: Imago/ZUMA Press Wire

Darum gehts

  • Schweiz übernimmt 2026 den OSZE-Vorsitz, Grossmächte torpedieren die Organisation
  • Für Trump ist die OSZE faktisch bedeutungslos, Russland nutzt sie für Propaganda
  • Didier Burkhalter konnte sich 2014 als OSZE-Chef international profilieren
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Es ist ein Prestigeprojekt der Berner Diplomatie – und für den langjährigen Aussenminister Ignazio Cassis (64, FDP) vielleicht die letzte Chance, sich noch einmal auf internationaler Bühne zu beweisen. Bald übernimmt die Schweiz den Vorsitz der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Doch was wird der Posten 2026 noch wert sein? Gleich zwei Grossmächte torpedieren die Organisation derzeit.

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die OSZE ins Wanken gebracht. Kreml-Herrscher Wladimir Putin (72) blockiert sie systematisch, legt Beschlüsse lahm. Und die USA? Die Regierung von Donald Trump (79) misst der OSZE kaum Bedeutung bei. Dies zeigte sich am jüngsten Gipfel im aktuellen Vorsitzland Finnland: Moskau schickte nur Diplomaten aus der untersten Reihe nach Helsinki. Auch aus Washington reisten keine Spitzenvertreter an – relevante Wortmeldungen blieben aus. Ein Tiefpunkt.

Was denkt Trump über die OSZE?

Der Sicherheitsexperte Henri Vanhanen war in Helsinki als Beobachter vor Ort. «Die OSZE ist in der Politik der aktuellen US-Regierung bisher in keiner Weise sichtbar», sagte er dem finnischen Nachrichtenportal «Ilta-Sanomat». Sein Urteil: «Trump weiss vielleicht gar nicht, was das ist.» Auch die «Süddeutsche Zeitung» sah zuvor in einer Einordnung «keine verlässlichen Belege», dass Trump die Organisation überhaupt kennt. 

Unter Ex-Präsident Joe Biden (82) fielen die USA in der OSZE regelmässig mit scharfen Russland-Statements auf. Davon ist wenig geblieben. Wie gering das Interesse ist, zeigte sich dieses Jahr auch an einer Sondersitzung der OSZE-Botschafter: Der US-Redebeitrag soll aus drei Sätzen bestanden haben. Demnach wurden lediglich Social-Media-Beiträge von Trump und seiner Administration zitiert – mit der Forderung, der Krieg in der Ukraine müsse sofort enden.

Wie treibt Putin die Organisation vor sich her?

Russland missbraucht die Organisation seit Jahren für Propaganda und Blockade-Spielchen. Die Moskauer Delegation nutzt Sitzungen, um westliche Staaten anzugreifen und die Ukraine als angeblichen Aggressor darzustellen. Sie wirft der OSZE Einseitigkeit vor. Weil alle Entscheidungen im Konsens getroffen werden müssen, hat der Kreml trotz Isolation noch Einfluss. 

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Seit Jahren fehlt der OSZE ein reguläres Budget, sie hangelt sich mir provisorischen Finanzbeschlüssen durch. Dabei sollte sie eigentlich Brücken schlagen. 57 Länder sitzen an einem Tisch – von den USA und Kanada über die europäischen Staaten bis zu Russland und der Ukraine. Doch heute gibt es vor allem eines: geopolitische Machtspielchen.

Warum konnte sich die Schweiz früher auf dem Posten profilieren?

Als Cassis’ Vorgänger Didier Burkhalter (65, FDP) 2014 den OSZE-Vorsitz führte, konnte sich Bern international profilieren. Nach dem vereinbarten Waffenstillstand entsandte die Organisation eine Beobachtermission in die Ukraine. Deren Teams dokumentierten Verstösse gegen die Feuerpause im Donbass. Zwar durften sie keine Schuldzuweisungen machen, doch ihre Präsenz und Berichte trugen dazu bei, lokale Feuerpausen durchzusetzen.

Heute, gut ein Jahrzehnt später, hat die Schweiz eine schwierige Ausgangslage. Cassis’ Aussendepartement räumt gegenüber Blick ein: «Die Schweiz wird den Vorsitz der OSZE in einem komplexen Umfeld übernehmen, da die jüngsten geopolitischen Entwicklungen und der Krieg gegen die Ukraine den Handlungsspielraum der Organisation einschränken.» 

Umso mehr will man das Standing der OSZE stärken. Sie bleibe «die einzige Organisation, in der alle Fragen zur Sicherheit in Europa in Anwesenheit der europäischen Staaten, der USA und Russlands diskutiert werden können».

Und wie könnte der Schweizer Vorsitz doch zum Erfolg werden?

Plötzlich könnten sich der OSZE neue Möglichkeiten bieten – diese Botschaft verbreiten Berner Diplomaten hinter vorgehaltener Hand. Sollte sich der Krieg dem Ende zuneigen und eine Verhandlungslösung mit der Ukraine abzeichnen, könnte die Organisation den Waffenstillstand überwachen. Zumal Moskau stärkere Akteure wohl ablehnen würde.

Offiziell tönt es zurückhaltender. Das Aussendepartement betont: «Beim derzeitigen Stand der Dinge lässt sich nicht vorhersagen, welche Rolle die OSZE im Falle eines Waffenstillstands spielen könnte.» Die Schweiz werde sich aber dafür einsetzen, «dass die OSZE bereit ist, bei Bedarf eine Rolle zu übernehmen – sei es in der Ukraine oder in anderen Kontexten».

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