Darum gehts
- SVP-Parlamentarier arbeiten an Gegenvorschlag zur Neutralitätsinitiative von Christoph Blocher
- Sorge um Schweizer Rüstungsindustrie treibt SVP zu Kompromissen
- SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi unterstützt die ursprüngliche Initiative
Für die Rüstungsindustrie stemmen sich die SVP-Parlamentarier auch mal gegen die Interessen ihres Doyens. Alt Bundesrat Christoph Blocher (84) ist die treibende Kraft hinter der Neutralitätsinitiative. In Bern werkeln seine Parteikollegen aber bereits an einem Gegenvorschlag.
Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, unterstützen SVP-Parlamentarier in der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats (APK-N) einen direkten Gegenentwurf. Für eine Partei, die normalerweise kompromisslos an ihren Initiativtexten festhält, ist es ein aussergewöhnlicher Schritt.
Gibt es eine krachende Niederlage?
Die Initiative fordert die Verankerung der «immerwährenden und bewaffneten» Neutralität in der Verfassung. Sie würde damit Sanktionen gegen kriegführende Staaten verbieten.
Der Gegenvorschlag aus der APK-N will sicherstellen, dass etwa Massnahmen gegenüber Russland weiterhin möglich wären. Denn Teile der SVP befürchten, dass die Initiative mit ihrer strengen Auslegung der Neutralität an der Urne krachend scheitern wird – und damit die Neutralitätsbefürworter langfristig schwächen könnte.
Die Zerrissenheit der SVP zeigt sich auch in den Aussagen Blochers. «Ich musste die Initiative damals im Alleingang entwerfen», sagt er gegenüber dem «Tages-Anzeiger». «Nach dem Angriff der Russen auf die Ukraine hatte sonst niemand die Kraft dazu.»
Im Stich gelassen wurde Blocher aber nicht gerade: Zahlreiche gleichgesinnte SVP-Parlamentarier sitzen noch heute im Initiativkomitee und stehen hinter der Vorlage. «Wir sind überzeugt, dass das Volk die Neutralität gemäss dem Text der Neutralitätsinitiative in der Bundesverfassung verankern will», sagt etwa SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (46).
SVP-Deal mit Industrieverband
Doch hinter den Absichten steckt ein weitaus lukrativerer Grund: die Sorge um die Schweizer Rüstungsindustrie. Eine Annahme der Initiative in ihrer ursprünglichen Form könnte nämlich Schweizer Waffenexporte erschweren oder sogar unmöglich machen. Auch der Bundesrat warnt in seiner Botschaft zur Initiative vor einer möglichen Schwächung der Schweizer Rüstungsindustrie.
«In Abwägung zwischen der Neutralität und den Anliegen der Rüstungsindustrie geht Erstere vor», so Fraktionschef Aeschi. Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, soll sich die SVP mit Vertretern des Industrieverbands Swissmem abgesprochen haben. Dieser vertritt auch die Rüstungsbranche.
Der Deal: Die Partei unterstützt eine Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes, damit Rüstungsexporte im Idealfall auch nach der Annahme der Initiative weiterhin möglich wären. Swissmem macht sich währenddessen für den Gegenvorschlag stark.
«Wir suchen nach einer industriefreundlichen Lösung, die mit der Neutralität vereinbar ist», sagt SVP-Nationalrat Thomas Hurter (61). «Wenn die Aussenpolitische Kommission hier einen guten Gegenvorschlag erarbeitet, hilft das der Sache.» Dass die SVP aber besonders aus rüstungspolitischer Sicht den Gegenvorschlag vorantreibt, will in der Partei niemand offen sagen.