Darum gehts
- Freihandelsabkommen Mercosur unterzeichnet, aber Kritik von allen Seiten
- Bauernverband fordert flankierende Massnahmen zum Ausgleich der Importe
- Rindfleisch, Wein und Chlorhühner im Zentrum der Kritik
Das Rindsfilet schmeckte köstlich. Vor dem Sommer war Bundesrat Guy Parmelin (65) in Brasilien und Argentinien. Dort konnte er sich vor Ort von der Qualität des lateinamerikanischen Rindfleischs überzeugen. Es gab so viel Fleisch, dass Parmelin scherzte, er werde in der Schweiz ausschliesslich Gemüse essen.
Der Appetit dürfte dem Landwirtschaftsminister inzwischen vergangen sein. Zwar hat er diese Woche das Freihandelsabkommen Mercosur unterzeichnet. Doch das Prestigeprojekt des SVP-Bundesrats ist absturzgefährdet: Linke und Rechte schiessen gegen den Deal mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.
Parmelins Parteikollege Jacques Nicolet (59, SVP) hat eine Motion eingereicht, die einen Ausschluss von Rindfleisch, Poulet und Wein aus dem Freihandelsabkommen fordert. Die Grünen haben schon länger angekündigt, das Stimmvolk entscheiden zu lassen. «Der massenhafte Import von billigem Fleisch, Tierfutter und Wein schwächt unsere Bäuerinnen und Bauern und den Konsumentenschutz. Das Abkommen befeuert die Zerstörung des Amazonas und den Klimawandel», sagt Grünen-Chefin Lisa Mazzone (37).
SP-Molina kritisiert Aufweichung des Regenwaldschutzes
Kritik gibts auch von Fabian Molina (35, SP). Blick liegt eine Interpellation vor, in der Molina den Ausverkauf der Amazonas-Region kritisiert. «Wie beurteilt der Bundesrat die aktuellen Bestrebungen in Brasilien, den Regenwaldschutz aufzuweichen? Welche Folgen werden durch den Erlass des Umweltgenehmigungs-Gesetzes sowie die drohende Aufhebung des Sojamoratoriums erwartet?», will Molina von Parmelin wissen.
Auch der Schweizer Bauernverband fürchtet die Konkurrenz aus Lateinamerika. «Die Importe aus Mercosur-Staaten sind billig und setzen das Preisniveau unter Druck. Für uns braucht es deshalb flankierende Massnahmen zum Ausgleich», fordert Bauernpräsident Markus Ritter (58, Mitte).
Winzer vom Winzer Parmelin enttäuscht
Auch aus dem engsten Umfeld erreicht Parmelin Kritik. Viele Winzer aus der Waadt sind enttäuscht darüber, dass ausgerechnet ein Waadtländer Winzer die Einfuhrbedingungen für Weine aus Übersee lockert. In der Westschweiz hat sich die Gruppe «Raisins de la colère» (Trauben des Zorns) formiert, die von Parmelin Solidarität einfordert.
Parmelins Sprecher zeigt Verständnis für die Anliegen der Schweizer Bauern: «Für die Schweizer Landwirtschaft sensible Produkte werden durch bilaterale Kontingente geschützt, die die Importmengen begrenzen. Das Departement hat aber die Analyse und die daraus abgeleitete Forderung des Schweizer Bauernverbands um flankierende Massnahmen und Strukturverbesserungen zur Kenntnis genommen und wird diese auch noch im Detail prüfen.»
«In der Schweiz wartet niemand auf die US-Chlorhühner»
Für einen weiteren Handelsdeal erntet Parmelin ebenfalls Kritik: Der Plan, mit dem Import von Chlorhühnern US-Präsident Donald Trump zu einem Zolldeal zu überreden, sorgt von links bis rechts für Empörung. «Der Bundesrat handelt gegen die Interessen der Bevölkerung. Chlorhühner aus Massentierhaltung, die um die halbe Welt geflogen werden, darf es in unseren Läden nicht geben», findet Grünen-Chefin Mazzone. Und Markus Ritter sekundiert: «In der Schweiz wartet niemand auf die US-Chlorhühner. Wir haben in der Schweiz ein hohes Tierwohlniveau in der Geflügelproduktion, und die Schweizer Kundschaft legt auch Wert darauf.» Auch glaubt Markus Ritter nicht, dass mit ein paar Chlorhühnern Trumps Zollhammer vom Tisch ist.