Darum gehts
- IV-Finanzen verschlechtern sich rapide, Baume-Schneider plant neue Revision
- Zusatzfinanzierung durch Lohnbeiträge oder höhere Mehrwertsteuer in Prüfung
- IV schuldet AHV 10,3 Milliarden Franken, Defizite von 200 bis 400 Millionen jährlich
Während sich bei der AHV die Finanzperspektiven verbessern, sieht es bei der Invalidenversicherung (IV) düster aus. Ohne Gegenmassnahmen verschlechtern sich die Finanzen rapide.
Der Bund rechnet in den nächsten Jahren mit Betriebsdefiziten von jährlich 200 bis 400 Millionen Franken. Der mit knapp 4 Milliarden Franken gefüllte IV-Fonds ist bis 2039 geleert. Zudem schiebt die IV einen Schuldenberg vor sich hin – 10,3 Milliarden Franken muss sie der AHV noch zurückzahlen.
Nun will SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (61) die IV-Finanzen wieder ins Lot bringen. Dafür gleist die Sozialministerin eine neue IV-Revision auf. Auf der Ausgabenseite liegt der Fokus auf einer verstärkten beruflichen Eingliederung, insbesondere junger Menschen. Mit einer Integrationsleistung und weiteren Massnahmen will sie Gelder einsparen.
IV-Defizite ausgleichen
Finanziell reicht das nicht aus. Richtig einschenken soll deshalb eine neue Zusatzfinanzierung. Geht es nach Baume-Schneider, sollen zusätzliche Lohnbeiträge oder eine höhere Mehrwertsteuer für Entlastung sorgen. Das geht aus amtsinternen Dokumenten zur Ämterkonsultation hervor, die Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz vorliegen.
Zwar wurden weitere Finanzierungsquellen wie etwa eine höhere Steuer auf Alkohol und Tabak geprüft, ebenso ein Geldtransfer aus dem gut dotierten Fonds der Erwerbsersatzordnung. Diese wurden aber verworfen.
Baume-Schneider verfolgt verschiedene Ansatzpunkte. So will sie die IV-Rechnung mit einer unbefristeten Zusatzfinanzierung langfristig ins Gleichgewicht bringen. Bei den Lohnbeiträgen würden 0,1 Prozentpunkte mehr für rund 450 Millionen Franken Mehreinnahmen sorgen, eine um 0,1 Prozentpunkte höhere Mehrwertsteuer rund 380 Millionen Franken. Damit liessen sich die erwarteten Defizite locker decken.
Schuldenberg abbauen
Angehen will Baume-Schneider auch die Schuldenlast der IV bei der AHV. Im Austausch mit der Finanzverwaltung «hat sich die Rückzahlung der IV-Schulden durch befristete und zweckgebundene Mehreinnahmen als die Variante mit den wenigstens Nachteilen herauskristallisiert», heisst es in den Unterlagen.
Auch hier liegt der Fokus auf Lohnbeiträgen und Mehrwertsteuer. Mit 0,2 Lohnprozentpunkten «könnten die Schulden innerhalb von circa zehn Jahren zurückbezahlt werden», macht das BSV ein Beispiel. Bei der Mehrwertsteuer würden 0,2 bis 0,25 Prozentpunkte fällig.
Es wäre nicht das erste Mal, dass für die Schuldentilgung auf eine Zusatzfinanzierung zurückgegriffen wird. Von 2011 bis 2017 wurden 0,4 Mehrwertsteuer-Prozentpunkte erhoben, womit die IV der AHV rund 5 Milliarden Franken zurückzahlen konnte. Seit 2018 stagniert die Schuld bei 10,3 Milliarden Franken.
Widerstand gegen Zusatzfinanzierung
Widerstand gegen die Vorschläge markiert das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Wirtschaftsdepartement von SVP-Bundesrat Guy Parmelin (65). Eine mögliche Zusatzfinanzierung unbefristet einzuführen, erachtet es als verfrüht.
Zudem sei schon mit der AHV-Finanzierung eine «deutliche Mehrbelastung» zu erwarten. «Weitergehende Erhöhungen sind zur Wahrung der Standortattraktivität wann immer möglich zu vermeiden.» Daher solle «eine Reform angestrebt werden, die keine unbefristete Zusatzfinanzierung erfordert».
Die Eidgenössische Finanzverwaltung im Finanzdepartement von FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter (61) wiederum drängt auf eine «rasche Reform», um die IV finanziell ins Gleichgewicht zu bringen. Dies müsse «Vorrang vor dem Aufräumen von Altlasten» haben. Sprich: Die IV-Entschuldung will die Finanzverwaltung nur an die Hand nehmen, «wenn nach den Mehrwertsteuer- und Lohnbeitragserhöhungen für die AHV noch Spielraum für weitere Erhöhungen besteht».
Einfluss der AHV-Reform
Noch ist nichts entschieden. Welche Finanzierungsvariante kommt, hängt auch davon ab, wie die 13. AHV-Rente finanziert und was in der nächsten grossen AHV-Reform 2030 angepackt wird.
Baume-Schneider hat vom Bundesrat den Auftrag gefasst, die Optionen zu prüfen und bis Ende Februar 2026 die Leitlinien für eine neue IV-Revision vorzulegen. Bis Ende nächsten Jahres will der Bundesrat die Revision in die Vernehmlassung schicken.