Darum gehts
- SVP-Zuwanderungsinitiative hat intakte Chancen an der Urne
- Parlament steigt ohne direkten Gegenvorschlag in den Abstimmungskampf
- Initiative kommt 2026 vors Volk
Jetzt ist es fix: Die SVP-Zuwanderungsinitiative kommt blank vors Volk. Nach dem Nationalrat will auch der Ständerat nichts von einem direkten Gegenvorschlag wissen. Mit 29 zu 15 Stimmen lehnte die kleine Kammer am Montagabend ab, überhaupt auf entsprechende Ideen einzutreten. Mit 29 zu 9 Stimmen bei 6 Enthaltungen empfiehlt sie die Initiative auch gleich zur Ablehnung.
Damit entscheidet das Stimmvolk voraussichtlich im Juni 2026 über das Begehren, mit welchem die SVP eine 10-Millionen-Schweiz vor 2050 verhindern – und dafür notfalls auch die Personenfreizügigkeit mit der EU und damit die bilateralen Verträge kippen – will.
Die Erfolgschancen an der Urne sind intakt, wie eine neue Tamedia-Umfrage belegt. 48 Prozent würden der Volksinitiative derzeit zustimmen, nur 41 Prozent lehnen sie ab. Der Rest ist noch unentschlossen.
Gegenvorschläge vom Tisch gefegt
Vor diesem Szenario fürchtet sich insbesondere die Mitte, welche die Initiative deshalb mit einem Gegenvorschlag auskontern wollte. Vergeblich versuchten mehrere Ständeräte, ihren Ratskollegen einen Gegenvorschlag schmackhaft zu machen.
Mitte-Ständerat Daniel Fässler (65, AI) wollte nahe an der SVP-Initiative bleiben – mit einer gewichtigen Ausnahme: Statt die Personenfreizügigkeit automatisch zu kündigen, soll das Stimmvolk bei Erreichen der 10-Millionen-Grenze obligatorisch über die Weiterführung der Personenfreizügigkeit abstimmen. Mitte-Ständerätin Heidi Z'graggen (59, UR) hingegen regte an, eine Zuwanderungsabgabe in der Verfassung festschreiben.
FDP-Ständerätin Petra Gössi (49, SZ) wiederum wollte einen scharfen Mechanismus zur Auslösung der Schutzklausel verankern. Sollte die ständige Wohnbevölkerung dreimal hintereinander mehr als 0,8 Prozent pro Jahr wachsen, würde die Schutzklausel ausgelöst, so die Idee. Bei einer Neun-Millionen-Bevölkerung wäre der Schwellenwert ein Plus von 72’000 Personen.
Man müsse die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen, deshalb brauche es einen Gegenvorschlag, tönte das Trio unisono. «All jene, welche die Initiative ohne direkten Gegenentwurf an die Urne bringen wollen, pokern hoch und riskieren, mit ihren Prognosen falsch zu liegen», warnte Fässler, der wie auch Z'graggen ein Bild des «Dichtestress» auf Strassen und Schienen, in Schulen oder bei der Wohnungssuche zeichnete. «Die Initiative bringt auf den Punkt, was unser Land zunehmend an seine Grenzen führt», sagte Z'graggen. «Viele spüren: Es wird eng in der Schweiz – zu eng!»
Da sie mit ihren Argumenten nicht durchdrang, sprach sich die Urnerin am Schluss für die Initiative aus. Ebenso Fässler. Sechs Mitte-Ständeräte enthielten sich in dieser Frage.
SVP-Friedli beantragte Annahme
SVP-Ständerätin Esther Friedli (48, SG) hatte die Ja-Empfehlung beantragt. «Dieses Wachstum ist ungesund», sagte sie mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung. Allein letztes Jahr habe die Nettozuwanderung 83'000 Personen betragen. «Das ist in der Grössenordnung einer Stadt St. Gallen oder Luzern.»
Während nur fünf Mitte-Ständeräte die Initiative offen ablehnen, ist die Linie bei SP, FDP, Grünen und GLP klar: Ihre Ständeräte stellen sich geschlossen gegen das Begehren. «Die Initiative wirkt faktisch als Wohlstandsbremse für uns alle», mahnte GLP-Ständerätin Tiana Moser (46, ZH). Sie warnte vor «chaotischen Zuständen», solle die Personenfreizügigkeit dahinfallen.
Auch Gössi stellte sich gegen die Initiative. Sie treffe zwar einen Nerv, befand sie in der Debatte. Gleichzeitig machte sie klar: «Sie ist zu radikal.»
Jans: «Initiative löst kein einziges Problem»
Das Resultat war damit ganz im Sinne von SP-Bundesrat Beat Jans (61), der sich weder für die Initiative noch einen Gegenvorschlag erwärmen mochte. «Die Initiative löst kein einziges Problem, sondern sie schafft ganz viele neue», betonte er in der Debatte. «Die Zuwanderung ist wichtig für unseren Wohlstand.»
Klar ist: Trotz des jetzigen Sieges für die Initiativgegner ist das Spiel noch nicht gelaufen. Jans muss sich auf einen harten Abstimmungskampf gefasst machen.
Gegenvorschlag ist vom Tisch! Initiative kommt blank vors Volk
Das Thema Gegenvorschlag ist vom Tisch. Die kleine Kammer will gar nicht auf die Minderheitsanträge eintreten. Der Entscheid fällt mit 29 zu 15 Stimmen. Die SVP-Initiative kommt damit also blank vors Volk!
Auch der Antrag von Esther Friedli für eine Annahme der Initiative wird mit 29 zu 9 Stimmen bei 6 Enthaltungen abgelehnt.
Die Debatte ist damit beendet. Demnächst liest du hier eine Zusammenfassung.
«BIP pro Kopf ist gestiegen»
Jans erläutert, weshalb der Bundesrat auch die Gegenvorschläge ablehnt. Dabei betont er, dass seit Einführung der Personenfreizügigkeit das BIP pro Kopf um rund ein Viertel gestiegen sei.
Jans: «Brexit kommt Briten teuer zu stehen»
Den Briten habe man mit dem Brexit ein goldenes Zeitalter versprochen. Doch nun komme der Brexit die Briten teuer zu stehen, so Jans. Gleiches drohe mit der SVP-Initiative. «Sie kann nicht einhalten, was sie verspricht.»
In den 1990er-Jahren sei nicht alles besser gewesen, sagt Jans. Heute seien die Löhne höher, ebenso die Lebenserwartung. Die Arbeitslosigkeit hingegen sei tiefer als damals.
Die Antwort auf die aktuellen Herausforderungen seien die neuen EU-Verträge, so Jans. Man wolle konstruktive Lösungen, die funktionierten.
Schutzklausel als Notbremse
«Der Bundesrat will Lösungen, die funktionieren», so Jans. Er verweist auf die Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials, den Ausbau er Verkehrsinfrastruktur oder die Förderung preisgünstiger Wohnungen. Der Bundesrat mache «konkrete Vorschläge». Man müsse mit Massnahmen nicht zuwarten, bis die 9,5-Millionen-Grenze erreicht sei.
Wenn wir die Zuwanderung effektiv bremsen wollen, müssen wir die Wirtschaft bremsen, so Jans. «Das will der Bundesrat aber nicht.» Er wirbt auch für seine Schutzklausel, die mit den neuen EU-Verträgen vorgesehen sei. Das sei eine Notbremse.
SP-Jans: «Initiative gefährdet die Sicherheit der Schweiz»
Die Initiative verschärfe den Fachkräftemangel und setzte das gute Verhältnis zu EU aufs Spiel. Die Initiative gefährde die Sicherheit der Schweiz, indem sie Grenzschutz und Polizei von wichtigen Informationen abschneide. Dann nämlich, wenn man beim Schengener Informationssystem nicht mehr dabei sei, so Jans.
Jans: «Initiative löst kein einziges Problem»
Nun ist Bundesrat Beat Jans an der Reihe. Es gebe nicht nur jene Kommentare und Umfragen, bei welchen die Zuwanderung als Problem betrachtet werde. Es gebe eben auch Rankings, wonach die Schweiz zu den reichsten, sichersten oder innovativsten Ländern der Welt gehöre. Ebenso, dass die Schweizer Bevölkerung zu den Glücklichsten gehöre.
«Die Zuwanderung ist wichtig für unseren Wohlstand», betont Jans. Zuwanderung und Wohlstand gehörten zusammen. «Die Initiative löst kein einiges Problem, sondern sie schafft viele neue.»
FDP-Co-Chef lehnt Initiative ab
Man müsse die komplexen Herausforderungen der Zuwanderung herausschälen und anpacken, sagt FDP-Co-Chef Benjamin Mühlemann. «Die Schweiz hat immer wieder bewiesen, dass sie Wachstum produktiv bewältigen kann.»
Schon heute gebe es Hebel zur Steuerung der Zuwanderung. «Wir müssen den Druck dort reduzieren, wo wir handeln können – eben im Inland», sagt er. Man müsse das inländische Fachkräftepotenzial besser ausschöpfen. «Wir müssen mehr Menschen in den Arbeitsmarkt bringen, die hier leben.»
Er zeigt sich weder von der Initiative noch von den Gegenvorschlägen überzeugt. Er lehnt alle ab.
SVP-Schwander: «Der Mittelstand verschwindet»
Der volkswirtschaftliche Graben zwischen der Schweiz und der EU werde ausgeblendet, moniert SVP-Ständerat Pirmin Schwander. Das BIP pro Kopf stagniere schon seit 15 Jahren, teils sei es sogar negativ. Er spricht nicht nur von einem «Wohlstandsverlust», sondern auch von einem «drastischen Kaufkraftverlust». Für ihn ist klar: «Der Mittelstand verschwindet.»
Er macht sich für eine Annahme der Initiative stark. «Wir haben 20 Jahre nichts gemacht, jetzt müssen wir etwas machen!»
SP-Maillard: «Wollen wir weiterhin Kinder und Jugendliche auf unseren Strassen haben?»
SP-Ständerat Pierre-Yves Maillard erinnert daran, dass die Bevölkerung ohne Zuwanderung schrumpfen würde, weil die inländische Geburtenzahl zu niedrig sei.
Damit würde sich auch das Bild des Landes ändern. Mehr Ältere, weniger Junge. «Wollen wir weiterhin Kinder und Jugendliche auf unseren Strassen haben, die sich auf dem Arbeitsmarkt engagieren und unsere zukünftigen Renten bezahlen können?», fragte er rhetorisch.
Die Initiative löse keine Probleme. Stattdessen brauche es mehr Lohnschutz oder eine bessere Mietkontrolle
Mitte-Binder: «Die Schweiz ist ein Einwanderungsland»
Die Schweiz war einst ein Auswanderungsland, weil sie arm gewesen sei. Nun sei sie ein Einwanderungsland, weil sie ein reiches Land sei, illustriert Mitte-Ständerätin Marianne Binder. Die Firmen würden viele ausländische Arbeitskräfte holen, weil sie diese brauchen würden.
Sie erinnert daran, dass aufgrund der tiefen Geburtenrate und einer alternden Bevölkerung ein Migrationstopp grosse Probleme mit sich bringen würde.
«Ich werde diese Initiative sicher ablehnen», macht sie klar. Allerdings will sie den Gegenvorschlag aus der Feder ihres Kollegen Fässler unterstützen. Dann könne eine spätere Generation entscheiden, wie sie mit der Situation umgehen wolle.