Darum gehts
- Brexit-Folgen für britisches Gesundheitswesen: sinkende Pflegequalität und steigende Patientensterblichkeit
- GLP-Nationalrat warnt: SVP-Initiative könnte ähnliche Auswirkungen aufs Schweizer Gesundheitssystem haben
- Jede dritte Pflegefachperson und fast jeder zweite Arzt in der Schweiz stammen aus dem Ausland
1485 Todesfälle zusätzlich pro Jahr. Fast 3000 ungeplante Wiederaufnahmen von Patienten. Der Brexit hat drastische Folgen für das britische Gesundheitswesen. Aufgrund strikterer Einwanderungsregeln für EU-Bürger sinkt die Pflegequalität, während die Patientensterblichkeit steigt.
Zu diesem Schluss kommt zumindest das deutsche Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit, welches die Brexit-Folgen für die Spitäler des britischen Gesundheitsdienstes untersucht hat. Das Problem: Mit dem Wegfall der EU-Freizügigkeit fehle es vielerorts an qualifiziertem Gesundheitspersonal. Stattdessen würden weniger Qualifizierte aus Drittstaaten den Job übernehmen.
GLP-Hässig: «Behandlung wird schlechter»
Bei GLP-Nationalrat Patrick Hässig (46, ZH) schrillen angesichts dieser Ergebnisse die Alarmglocken. «Die Studie ist ein Warnruf für die Schweiz», sagt der diplomierte Pflegefachmann zu Blick. «Die Brexit-Auswirkungen auf die britische Gesundheitsversorgung sind fatal. Nun droht uns dieses Szenario ebenso.»
Es ist die 10-Millionen-Initiative der SVP, die Hässig Bauchschmerzen bereitet. Diese will nämlich verhindern, dass die Schweizer Bevölkerung vor 2050 auf zehn Millionen Menschen ansteigt – und dafür notfalls auch die Personenfreizügigkeit mit der EU und damit die bilateralen Verträge kippen.
«Das wäre für unser Land verheerend», so Hässig. In seinem Arbeitsalltag als Pflegefachmann sehe er täglich, wie das Gesundheitswesen bereits heute personell knapp besetzt sei. «Wenn wir die Personenfreizügigkeit kappen, stürzen wir ein überlastetes System ins Chaos», macht er deutlich. «Dann müssen wir den Patientinnen und Patienten ehrlich sagen: Ihre Behandlung wird länger dauern – und schlechter werden.»
Fast jeder zweite Arzt aus dem Ausland
Er hat keine Zweifel, dass die Schweiz mit ähnlichen Problemen konfrontiert würde wie derzeit Grossbritannien.«Ein Wegfall der Personenfreizügigkeit in der Schweiz hätte noch schlimmere Auswirkungen, da unser Ausländeranteil im Gesundheitspersonal weit höher ist.»
Jede dritte Pflegefachperson und fast jeder zweite Arzt kommen hierzulande aus dem Ausland. «Diese Menschen halten unser gutes Gesundheitswesen am Laufen», so Hässig. «Eine Initiative, die genau diesen Menschen den Zugang erschwert, ist verantwortungslos.»
Gerade in der Pflege gebe es heute schon zu viele Aussteiger und zu wenige Einsteiger in der Pflege. Eine Politik, die zusätzlich Unsicherheit schaffe, beschleunige diese Abwärtsspirale, moniert der GLP-Politiker.
Eine Abkehr von der Personenfreizügigkeit würde demnach nicht nur die Pflege unter Druck setzen, sondern die Sicherheit der Patienten direkt gefährden. Für Hässig ist klar: «Die SVP-Initiative ist nicht nur ein Gesundheitsrisiko, sie ist lebensgefährlich!»
SVP: Bei Bedarf höhere Kontingente
Bei der SVP wundert man sich über Hässigs Warnruf. «Sinkt die Zuwanderung, braucht es auch weniger zusätzliche Pflegefachkräfte», sagt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (46) zu Blick. «Mit der Nachhaltigkeitsinitiative dürfen weiterhin Personen einreisen, allerdings nur noch knapp die Hälfte gegenüber heute.»
Er kenne die erwähnte Studie zwar nicht, doch die Situation in Grossbritannien sei mit jener in der Schweiz nicht vergleichbar. Aufgrund der hohen Löhne und der hohen Lebensqualität bleibe die Schweiz weiterhin attraktiv, so Aeschi. Der SVP gehe es darum, die Zuwanderung intelligent zu steuern. «Sollten wir mehr qualifizierte Pflegekräfte brauchen, können wir das über höhere Kontingente lösen.»
Eine Kündigung der Personenfreizügigkeit werde erst mit Überschreiten der 10-Millionen-Schwelle ein Thema. «Doch so weit wird es nicht kommen, da bei Annahme der Initiative die Wirtschaft von sich aus die Zuwanderung zurückfährt, damit es nicht zu einer Kündigung kommt», ist Aeschi überzeugt.
Der Ton für eine harte Debatte ist gesetzt. Der Nationalrat lehnt die Initiative ab, der Ständerat entscheidet in der Wintersession darüber. Voraussichtlich im Sommer 2026 kommt die Initiative vors Volk.