Darum gehts
- Ständerat will Taschenmunition für Soldaten nicht wieder einführen
- Befürworter sehen Wehrfähigkeit als wichtiger, Gegner warnten vor häuslicher Gewalt
- 13'000 Unterschriften gegen Wiedereinführung der Taschenmunition gesammelt
Frauenorganisationen und Ärzte schlugen Alarm! Dass Schweizer Soldaten neben der persönlichen Waffe schon bald wieder die sogenannte Taschenmunition nach Hause nehmen sollten, machte ihnen Sorge. Viel wahrscheinlicher als der Einmarsch einer fremden Armee sei nämlich der Anstieg häuslicher Gewalt, von Drohpotenzial sowie von Suiziden, warnten sie.
Bürgerliche im Ständerat sahen das anders. Sie wollten, dass Armeeangehörige im Fall einer Mobilmachung rasch bereit wären. Schliesslich sei die Sicherheitslage in Europa seit dem Kalten Krieg nie mehr so angespannt gewesen wie heute.
Die Ratsmehrheit aber lehnte die Forderung am Mittwoch letztlich deutlich mit 31 gegen 9 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab. Die Heimabgabe lasse sich aus militärischer Sicht nicht rechtfertigen, meinte auch Verteidigungsminister Martin Pfister (63). «Es ist kaum vorstellbar, dass sich ein Soldat den Weg zu seinem Verband frei schiessen muss.»
Suizide mit Armeewaffen hatten sich gehäuft
Schon seit 2007 dürfen Armeeangehörige die Taschenmunition nicht mehr zu Hause lagern. Das hatten Bundesrat und Parlament entschieden, nachdem sich Suizide mit Armeewaffen gehäuft hatten.
Der Verband Alliance F verweist zudem auf den tragischen Fall von Corinne Rey-Bellet (1972–2006). Ihr Ehemann hatte die ehemalige Skirennfahrerin und ihren Bruder mit seiner Armeewaffe erschossen. Der Täter beging danach Suizid.
Sei zu Hause keine Munition vorhanden, würden kurzfristige Gelegenheiten möglichst verhindert, gab SP-Ständerat Daniel Jositsch (60) zu bedenken. «Zudem verstärkt die Taschenmunition die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz wohl nicht entscheidend.»
«Dürfen nicht im dümmsten Moment unbewaffnet sein»
Für die Befürworter aber ist die Wehrfähigkeit der Armee wichtiger. Immerhin habe der Bundesrat beim damaligen Einzug der Haushalts-Patrone versichert, eine Neubeurteilung sei von der Sicherheitslage abhängig. Dieser Moment sei jetzt gekommen.
Die Gefahr eines Luftangriffs werde von Bundesrat und Armee als realistisch eingestuft. Auch erachte der Nachrichtendienst die Terrorgefahr weiter als erhöht. «Heute aber ist die Armee nur beschränkt in der Lage, die Munition dezentral anzubieten», hatte SVP-Ständerat Werner Salzmann (63) die Forderung begründet.
Wenn es denn überhaupt genügend Munition habe, sei es eine logistische Herausforderung, die Soldaten im Notfall rasch auszurüsten. «Wir dürfen doch nicht im dümmsten, heisst entscheidenden Moment unbewaffnet sein», hatte Stefan Holenstein vom Verband Militärischer Gesellschaften gegenüber Blick betont.
Bedenken wegen der zu Hause gelagerten Munition hat VMG-Präsident Holenstein keine: «Der Schweizer ist als Bürger und Milizsoldat seit je her verantwortungsbewusst genug.»
Über 13'000 Unterschriften dagegen gesammelt
Der Bundesrat dagegen kommt zu anderen Schlüssen. Übers ganze Jahr verteilt stünden Truppen im Dienst, die notfalls direkt einzusetzen wären. Weitere könnten aufgeboten und ausgerüstet werden. Daher sei schon 2022 ein Antrag zur Wiedereinführung der Taschenmunition abgelehnt worden. Der Bundesrat will einzig dafür sorgen, dass die Armee auch genügend Munition auf Vorrat hat. Sonst habe sich für ihn nichts geändert.
Das sieht die Frauen-Allianz genauso – gerade in einem Jahr mit einem tragischen Höchststand von 28 Femiziden im Land. Die geplante Wiedereinführung der Taschenmunition bringe Frauen und Kinder in den eigenen vier Wänden akut in Gefahr. Innert Kürze wurden über 13'000 Unterschriften dagegen gesammelt. Die bürgerliche Mehrheit im Ständerat lässt sich davon kaum beeindrucken.