Es ist zwar noch kein Frieden in Sicht. Aber zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine vor fast dreieinhalb Jahren zeichnet sich ein umfassender Verhandlungsprozess mit allen Beteiligten ab – die ersten Details findest du in unserem Liveticker zum Gipfel in Washington..
Bereits am Freitag sprachen US-Präsident Donald Trump (79) und Kremlchef Wladimir Putin (72) in Alaska direkt miteinander. Nun folgte ein Treffen Trumps mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (47) und europäischen Spitzenpolitikern in Washington. Was hat dieser Gipfel konkret gebracht – und was ist noch offen?
Kommt es zu einem Treffen zwischen Putin und Selenski?
Danach sieht es aus. Der US-Präsident verkündete, er habe damit begonnen, ein Zweiertreffen der beiden Präsidenten vorzubereiten. Ort und Zeit sind bislang unbekannt. Die Begegnung soll aber nach Angaben von Bundeskanzler Friedrich Merz (69, CDU) «innerhalb der nächsten beiden Wochen» stattfinden. Danach – so Trumps Plan – soll ein Dreiertreffen mit ihm selbst folgen.
Offensichtlich ist dieser Plan aber noch nicht ganz fix. Nach einem Telefonat Trumps mit Putin sprach der Kreml zunächst nicht von einem Treffen auf Präsidentenebene. Zwar hat Putin bereits mehrfach erklärt, dass er bereit sei zu einem Treffen mit Selenski, allerdings nannte er dabei stets als Bedingung, dass grundlegende Fragen vorab geklärt sein müssten. Selenski sagte dagegen im Weissen Haus erneut, dass er Putin treffen und auch Trump gern dabeihaben wolle.
Wie können Sicherheitsgarantien für die Ukraine aussehen?
Mit sogenannten Sicherheitsgarantien können Staaten oder internationale Organisationen einem Land verbindliche Zusagen geben, um dessen Schutz zu gewährleisten und es vor externen Bedrohungen zu schützen. Im Fall der Ukraine bergen vor allem zwei Varianten Konfliktpotenzial:
1. Zusicherungen nach dem Vorbild des Artikels 5 des Nato-Vertrages: Dieser Artikel besagt, dass Bündnispartner im Fall eines Angriffs auf die Unterstützung der Alliierten zählen können und eine Attacke auf ein Mitglied als ein Angriff auf alle gewertet wird.
2. Friedenstruppen für die Ukraine: Rutte, Merz und auch Trump liessen offen, wie genau eine solche Truppe aussehen könnte. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach von «Rückversicherungstruppen auf dem Meer, in der Luft und am Boden», die von den Verbündeten der Ukraine zur Verfügung gestellt werden könnten.
Was sagt Moskau dazu?
Putin hatte nach seinem Treffen mit Trump in Alaska zwar auch von Sicherheitsgarantien für die Ukraine gesprochen, diesen Punkt aber nicht näher ausgeführt. Das russische Aussenministerium bekräftigte am Tag der Gespräche in Washington, dass Russland keine Truppen aus Nato-Staaten zur Friedenssicherung nach einem Waffenstillstand in der Ukraine akzeptieren werde. Bei solch einem Szenario drohe eine Eskalation und der Konflikt zu einer globalen Konfrontation zu werden, hiess es aus Moskau.
Gibt es eine Waffenruhe oder nicht?
Das ist völlig unklar. Die Aussagen der verschiedenen Akteure sind unterschiedlich. Trump hatte ursprünglich eine sofortige Waffenruhe für die Ukraine verlangt. Nach seinem Treffen mit Putin, der in diesem Punkt kein erkennbares Einlenken signalisierte, war davon keine Rede.
Was am Gipfel jedoch für Aufsehen gesorgt hat: Selenski zeigte sich erstmals dazu bereit, mit Putin zu sprechen – auch wenn vorgängig noch kein Waffenstillstand erreicht wurde. Zuvor forderte der Ukrainer stets eine Waffenruhe als Bedingung für Verhandlungen.
Was ist mit Gebietsabtretungen an Russland?
Russland forderte stets, dass die Ukraine für einen Waffenstillstand den Verlust eigener Gebiete anerkennen solle. Die annektierten ukrainischen Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson werden seit 2022 in der russischen Verfassung als neue Regionen aufgeführt.
In einem Memorandum machte Moskau den Vorschlag, dass die ukrainischen Streitkräfte komplett aus den noch nicht ganz von russischen Truppen kontrollierte Gebieten Luhansk und Donezk abziehen, zur Bedingung für einen Waffenstillstand. Im Gebiet Donezk liegen die strategisch wichtigen Städte Kramatorsk und Slowjansk, die Kiew noch hält und nicht aufgeben will.
Spekuliert wird, dass Russland besetzte Teile der ukrainischen Gebiete Sumy, Charkiw, Dnipropetrowsk und Mykolajiw aufgeben und dafür die volle Kontrolle in Donezk und Luhansk erhalten könnte. Offen ist auch die Zukunft der Gebiete Saporischschja und Cherson. Sie sind jeweils zu mehr als 50 Prozent unter russischer Kontrolle, jedoch hat Kiew in den Gebietshauptstädten weiter das Sagen.
Selenski betonte immer wieder, die ukrainische Verfassung lasse keinen Verzicht auf Gebiete oder den Tausch von Land zu. Er sagte auch, dass er über territoriale Fragen direkt mit Putin verhandeln wolle. Die europäischen Verbündeten betonten, dass die Ukraine eine Entscheidung über einen von Russland geforderten Verzicht auf Gebiete selbst treffen müsse.
Wie optimistisch sind die Europäer?
Nach dem Gipfel war Erleichterung herauszuhören. So sagte Merz zum Beispiel: «Meine Erwartungen sind eigentlich nicht nur getroffen, sondern übertroffen worden.» Er wolle nicht verhehlen, dass er unsicher gewesen sei, ob das Treffen so ausgehen werde. «Das hätte auch anders verlaufen können.» Es gab aber auch andere Zwischentöne. Der finnische Präsident Alexander Stubb sagte dem US-Sender CNN nach dem Treffen, die grundlegenden strategischen Ziele Putins hätten sich nicht geändert. Der Kremlchef wolle Russland als Supermacht sehen. «Er möchte den Westen spalten.» Und er wolle der Ukraine die Souveränität nehmen, ergänzte der Finne, dessen Land direkt an Russland grenzt.