Droht beim heutigen Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (47) im Weissen Haus ein erneutes dramatisches Debakel wie im Februar? US-Präsident Donald Trump (79) hatte Selenski vor laufenden Kameras gedemütigt. Selenski sei undankbar für all die US-Militärhilfe. Der Gast wurde buchstäblich aus dem Oval Office geworfen.
Kurz vor Selenskis heutigem Empfang im Oval Office hat Trump den Druck auf den Ukrainer erhöht, Kompromisse zu machen. «Der ukrainische Präsident Selenski kann den Krieg mit Russland, wenn er will, fast sofort beenden oder weiterkämpfen», schrieb der US-Präsident in der Nacht auf Montag auf Truth Social. Selenski müsse, deutet Trump an, zwei Grundbedingungen akzeptieren: Die Krim bleibe russisch und kein Nato-Beitritt der Ukraine. Wie mehrere Medien berichten, wird Selenski um 19.15 Uhr Schweizer Zeit im Weissen Haus erwartet.
Dabei spricht Trump auch von einem «grossen Tag im Weissen Haus» heute Montag. «Noch nie waren so viele europäische Staats- und Regierungschefs auf einmal da. Es ist mir eine grosse Ehre, sie zu Gast zu haben.»
Kurz danach postete Selenski auf X, er sei bereits in Washington angekommen und er danke Trump für die Einladung. Er und die Europäer, so Selenski, «wir alle teilen den starken Wunsch, diesen Krieg schnell und zuverlässig zu beenden.» Gemeinsam werde man «Russland zu einem echten Frieden zwingen».
Europäischer Begleitschutz
Die Europäer leisten Selenski bei seinem ersten Besuch im Weissen Haus seit der Demütigung vor einem halben Jahr prominenten Begleitschutz: Der Kriegspräsident wird unterstützt vom deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz (60), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (47), dem britische Premier Keir Starmer (62), Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (48), Finnlands Präsident Alexander Stubb (57), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) sowie Nato-Generalsekretär Mark Rutte (58).
Inzwischen hat Trumps Chefdiplomat Marco Rubio (54) dargelegt, was Washington von Selenski und den Europäern erwartet. Rubio war am Freitag beim Alaska-Gipfel mit Russlands Präsident Wladimir Putin (72) und Trump im Raum, wo sechs Männer fast drei Stunden lang verhandelten.
«Das mag unangenehm sein»
Was für Frieden besprochen gehöre, sei nicht angenehm, sagte der US-Aussenminister in einem Interview am Wochenende. Washington besteht darauf, dass Frieden in der Ukraine von beiden Seiten Zugeständnisse erfordert. Rubio lehnt den Vorwurf der Kapitulation Kiews ab und verteidigt die Entscheidung des Weissen Hauses, keine neuen Sanktionen gegen Moskau zu verhängen. So hat Trumps ehemaliger Vizepräsident Mike Pence (66) im Gespräch mit CNN gefordert, Trump müssen den «Hammer» auf Putin niedersausen lassen. Der Kreml-Herrscher verstehe nur die Sprache von «Stärke».
In gleich mehreren Interviews auf den wichtigen US-Nachrichtensendungen NBC, ABC und CBS hat Rubio deutlich gemacht, wie ein dauerhafter Frieden zwischen Russland und der Ukraine aussehen könnte.
Kompromisse von beiden Seiten seien unvermeidlich. «Wenn eine Seite alles bekommt, was sie will, nennt man das Kapitulation», sagte Rubio bei CBS. «Es gibt Dinge, die Russland will, aber nicht bekommen kann, und es gibt Dinge, die die Ukraine will, aber nicht bekommen wird. Beide Seiten müssen etwas aufgeben. Das mag ‹unangenehm› sein, aber so ist es nun einmal.» Rubio wählte das Wort «distasteful», was auch «geschmacklos» bedeutet.
Zugeständnis an Moskau
Auch problematische Perspektiven würden nicht ignoriert, versichert Rubio: «Die Ukraine fühlt sich offensichtlich geschädigt, und das zu Recht. Die russische Seite scheint sich nicht sonderlich darum zu kümmern, wie viele russische Soldaten sterben.» Trumps Chefdiplomat verglich den Konflikt mit einem «Fleischwolf», in dem Russland bereit ist, grosse Opfer zu bringen.
Laut Rubio wolle Präsident Trump zur Konfliktlösung auf Einfachheit als Strategie setzen. Putin könne noch so auf angebliche «Ursachen des Konflikts» beharren, die ausgeräumt gehörten. Rubio: Statt in historischen Schuldfragen zu verharren, sei die zentrale Frage: «Werden sie aufhören zu kämpfen oder nicht?»
Weiter warnte Rubio: Keine neuen Sanktionen zu erheben, das sei das Zugeständnis an Moskau, um Gespräche zu ermöglichen. «Sobald man neue Sanktionen verhängt, wird unsere Fähigkeit, sie an den Verhandlungstisch zu bringen, erheblich eingeschränkt sein.»
«Letztendlich liegt die Entscheidung bei den Ukrainern»
Die Rolle der USA am Verhandlungstisch sei Vermittler, nicht Entscheider. «Die Vereinigten Staaten sind nicht in der Lage, irgendetwas zu akzeptieren oder abzulehnen, denn letztendlich liegt die Entscheidung bei den Ukrainern.»
Schritt für Schritt gehe man nun auf den nächsten Gipfel zu. Zwar sei noch kein Frieden in Sicht, aber: «Wir sahen Bewegung, genug Bewegung, um ein Folgetreffen mit Selenski und den Europäern zu rechtfertigen.»
Ziel sei ein Abkommen, das das Ende des Krieges sichert und der Ukraine den Wiederaufbau ermöglicht. «Friedensabkommen basieren nicht auf Vertrauen», so Rubio. «Sondern auf Überprüfung, Fakten, Massnahmen, Realitäten.»