Darum gehts
- Bundesrätin Baume-Schneider diskutiert Pharmadeal und Frauen-Gewalt-Prävention
- Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche wird in der Schweiz diskutiert
- 13. AHV-Rente soll ab Dezember 2026 durch moderate Mehrwertsteuererhöhung finanziert werden
Frau Bundesrätin, Trump hat Roche und Novartis zu einem Deal gezwungen. Ist das eine gute oder schlechte Nachricht für die Schweiz?
Elisabeth Baume-Schneider: Es handelt sich um eine Vereinbarung zwischen der US-Regierung und privaten Unternehmen. Da noch nicht alle Einzelheiten des Deals bekannt sind, ist es nicht möglich, eine abschliessende Bewertung vorzunehmen. Klar ist, dass die Schweiz ihre Medikamentenpreise weiterhin eigenständig festlegt und diesen Prozess bei Bedarf überprüft.
Roche und Novartis werden Milliarden in den USA investieren. Kommt die Schweiz künftig zu kurz?
Ich hatte in diesem Jahr viel Kontakt mit Roche und Novartis. Beide kennen und schätzen die Stärken des Standorts Schweiz. Ich bin zuversichtlich, dass die Pharmabranche auch in Zukunft eine Stütze unserer Wirtschaft bleibt.
Die Medikamentenpreise in den USA müssen sinken. Roche und Novartis werden versuchen, die Preise andernorts zu erhöhen. Werden Sie das in der Schweiz verhindern?
Die Prämienzahler in der Schweiz können und müssen nicht mit ihren Krankenkassenprämien für Preissenkungen in den USA zahlen. Der Bundesrat arbeitet aber gemeinsam mit der Pharmabranche daran, die Bedingungen in der Schweiz weiter zu verbessern, insbesondere bezüglich Marktzugang, klinischer Forschung und durch geregelte Beziehungen zur EU.
Was passiert, wenn Roche und Novartis neue Medikamente nicht in der Schweiz auf den Markt bringen – aus Rücksicht auf die US-Preispolitik?
Es geht nicht nur um die USA. Rund um den Globus verändert sich die Situation für die Pharma derzeit stark. Aber die Schweiz ist als Heimmarkt für Roche und Novartis weiterhin attraktiv.
Sprechen wir über etwas Fröhlicheres: Sie haben am 24. Dezember Geburtstag. Um wie viel Uhr sind Sie auf die Welt gekommen?
Um 22.45 Uhr.
Also fast wie das Jesuskind! Fanden Sie es als Kind blöd, an Weihnachten Geburtstag zu haben?
Auf der einen Seite war es schön: Niemand hat meinen Geburtstag vergessen. Andererseits gab es nur ein Geschenk, denn Geburtstag und Weihnachten fielen ja zusammen. Und ich konnte an Heiligabend meine Freundinnen nicht einladen, da sie bereits in den Ferien waren. Meine Schwester hat im März Geburtstag, das hätte mir besser gefallen.
Was bedeutet für Sie die Botschaft von Weihnachten?
Weihnachten ist die Zeit, die man mit der Familie und mit Freunden verbringt. Es ist die Zeit der Solidarität. Auch weil wir das Glück haben, in der Schweiz zu leben, sollten wir solidarisch sein und Menschen helfen, denen es nicht so gut geht.
Was gibts bei Ihnen an Weihnachten zu essen?
Wir machen Pastetli nach einem Rezept meiner Mutter und Zopf. Ich flechte die Zöpfe ebenfalls so, wie meine Mutter sie geflochten hat – und zwar aus vier Teigsträngen und nicht aus drei. Backen Sie?
Nein.
Achten Sie mal drauf: Zöpfe sind unterschiedlich geflochten. Je nach Bäcker oder Bäckerin sehen sie anders aus.
Das Parlament hat heftig über mehr Geld gegen Gewalt an Frauen gestritten. Der Schutz von Schafen sei der Politik wichtiger als derjenige von Frauen.
Das Thema wurde im Parlament sehr emotional diskutiert. Das ist verständlich. Jetzt müssen wir nach vorne schauen, den Entscheid umsetzen und den Schutz der Frauen und Männer verbessern.
FDP-Nationalrätin Bettina Balmer sprach wegen einer E-Mail-Flut linker Aktivistinnen von «mentaler Vergewaltigung». Verharmlost so eine Sprache nicht sexualisierte Gewalt?
Ich weiss nicht, in welchem Kontext das Zitat gefallen ist. Für mich steht das Ergebnis im Vordergrund. Es ist gut, dass wir dank Stimmen von links und rechts mehr Geld für die Prävention erhalten.
Warum so diplomatisch? Gewaltvolle Kommunikation kann toxisch sein.
Dann müsste ich vieles kritisieren – auch andere Aussagen.
Ihre Partei, die SP, will das Thema Gewalt an Frauen noch stärker in den Fokus rücken. Heisst das: Sie machen zu wenig?
Auf diesem Gebiet können wir gar nicht genug machen! Es darf nicht sein, dass Frauen in ihrem Zuhause nicht sicher sind.
Mitte-Politiker Reto Nause findet, zusätzliches Geld wäre bei Frauenhäusern und der Opferhilfe vor Ort besser aufgehoben als bei Ihnen in Bern.
Es ist wichtig, auf allen Ebenen mehr zu machen. Präventionskampagnen auf nationaler Ebene tragen dazu bei, dass Hilfsangebote wirklich in Anspruch genommen werden, weil die Hemmschwelle sinkt. Gewalt an Frauen ist ein systemisches Problem – die ganze Gesellschaft muss hierauf antworten. Mehr Plätze in Frauenhäusern und eine bessere Opferhilfe zählen definitiv dazu. Wir dürfen auch die Kinder nicht vergessen: Auch sie werden Opfer von häuslicher Gewalt und leiden darunter, wenn sich die Eltern streiten.
Blicken wir nach Australien: Dort gilt neuerdings ein Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren. Ist ein Smartphone ein gutes Weihnachtsgeschenk?
Es kommt auf das Alter an. Für Kinder sind Smartphones ungeeignet, für Teenager hingegen oft unverzichtbar. Entscheidend ist, wie Eltern ihre Kinder bei der Nutzung begleiten und welche Beziehung sie selbst zum Handy haben. Es bringt nichts, wenn Eltern ihren Kindern das Smartphone verbieten wollen, aber selber die ganze Zeit am Handy hängen.
Sind Sie froh, dass es noch keine Smartphones gab, als Ihre Söhne klein waren?
Ja. Sie haben erst zum Ende der Sekundarschule ihr erstes Handy erhalten. Vor 20 Jahren hat man ein Handy aber auch anders genutzt als heute. Heute hat man damit Zugang zu vielen schädlichen Inhalten und die Algorithmen können die negativen Effekte verstärken: Essstörungen, Gewaltverherrlichung, Kinderpornografie. Ich möchte Smartphones aber nicht verteufeln: Nicht das Gerät ist das Problem, sondern wie wir damit umgehen. Handys können auch helfen, das Familienleben zu organisieren und sich als junge Person zu informieren und zu orientieren.
Braucht die Schweiz ein Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche?
Die Debatte in Australien und der EU ist wichtig. Sie muss auch in der Schweiz geführt werden. Ich bin offen für ein Social-Media-Verbot. Wir müssen unsere Kinder besser schützen. Die Frage ist einfach: Was verbieten wir? Die Nutzung durch Kinder? Die Verbreitung gefährlicher Inhalte? Algorithmen, die auf die Verletzlichkeit von Jugendlichen abzielen? Wir werden das im neuen Jahr intensiv diskutieren und sind dabei, einen Bericht zu verfassen. Nicht vergessen darf man die Social-Media-Plattformen: Sie müssen Verantwortung dafür übernehmen, was Kinder und Jugendliche konsumieren!
Die Social-Media-Konzerne in Kalifornien oder in China machen doch, was sie wollen!
Aktuell ist das Bundesgesetz über die Kommunikationsplattformen in der Vernehmlassung. Der Bundesrat will die Regulierung stärken.
Ihr Kollege Albert Rösti fasst die Social-Media-Plattformen mit Samthandschuhen an, weil er Trump nicht verärgern will.
Der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Schritt. Die Vernehmlassung wird zeigen, ob es noch Anpassungen braucht. Fest steht: Wir tragen die Verantwortung für den Schutz unserer Kinder. Was Kalifornien oder Washington wollen, ist nicht relevant.
Apple-Manager Steve Jobs hat seinen Kindern und Tim Cook seinem Neffen die Nutzung von iPads verboten. Müssen wir vorsichtiger werden?
Ja. Schon als ich Bildungsdirektorin im Kanton Jura war, haben Studien gezeigt, dass der Wortschatz von Kindern schrumpfte, weil zu Hause weniger Geschichten erzählt wurden. Aber Panik ist fehl am Platz. Tablets machen unsere Kinder nicht dümmer, sie können sogar im Lernprozess sinnvoll sein – sofern sie altersgerecht eingesetzt werden.
Sprechen wir noch über die AHV. Sie werden nächste Woche 62. Wenn Sie 2029 Bundespräsidentin sein wollen, müssten Sie bis 66 arbeiten. Können Sie sich das vorstellen?
Ich freue mich auf die Aufgaben, die im neuen Jahr auf mich warten. Über alles Weitere mache ich mir keine Gedanken.
Im Dezember 2026 wird zum ersten Mal die 13. AHV ausbezahlt. Wie wollen Sie diese bezahlen?
Der Bundesrat hat von Anfang an gesagt: Die 13. AHV hat ihren Preis. Jetzt müssen wir sie finanzieren. Der Bundesrat will dafür die Mehrwertsteuer moderat erhöhen. Ich hoffe sehr, dass das Parlament nun seine Verantwortung wahrnimmt und dem Volk rasch ermöglicht, sich dazu zu äussern. Sonst schreibt die AHV bald Defizite und ihre Reserven sinken. Nur eine finanziell gesunde AHV ist eine starke AHV.
Warum wehren Sie sich gegen eine Erhöhung des Rentenalters, wie sie Arbeitgeberverband und FDP fordern?
Die Bevölkerung will keine Erhöhung des Rentenalters. Der Bundesrat setzt nun auf Anreize, damit die Menschen länger im Arbeitsmarkt bleiben.
Warum wollen Sie die Frühpensionierung erschweren?
Heute gibt es grob gesagt zwei Gruppen, die vorzeitig in Rente gehen. Zum einen die Menschen mit körperlich harten Jobs, etwa auf dem Bau. Ein Teil von ihnen hat dank Gesamtarbeitsverträgen ein Recht auf Frühpensionierung mit 60. Die Frühpensionierungen dieser Büezer will der Bundesrat nicht antasten. Die andere Gruppe sind Leute, die eher gut situiert sind, etwa aus der Finanzbranche oder weil sie Vermögen haben. Sie gehen in Frühpension, weil sie es sich leisten können – und weil es dafür auch Anreize gibt. Der Bundesrat möchte diese Anreize etwas reduzieren. Als Gesellschaft haben wir ein grosses Interesse daran, dass die Menschen bis 65 im Arbeitsmarkt bleiben.