Völkerrecht unter Druck
Diskussionen im Bundesrat wegen Gaza

Israel baut neue Siedlungen und will Gaza-Stadt einnehmen. Aussenminister Cassis räumt ein, dass die Schweiz ihren Verpflichtungen nicht komplett nachkomme.
Publiziert: 09:39 Uhr
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Aktualisiert: 09:59 Uhr
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Die Situation im Gazastreifen bleibt katastrophal.
Foto: AFP

Darum gehts

  • Israel bombardiert Gaza weiter, Netanyahu genehmigt umstrittene Siedlungspläne im Westjordanland
  • Bundesrat diskutiert neue Sprachregelung zur Anerkennung Palästinas
  • Schweiz kommt völkerrechtlichen Verpflichtungen im Nahostkonflikt nur «weitgehend» nach
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Das Sterben in Gaza geht weiter: Auch diese Woche bombardierte Israel mehrere Ziele im Gazastreifen, Dutzende Zivilisten kamen ums Leben. Ausserdem will Israel die Stadt Gaza einnehmen. Zuvor sollen Hunderttausende Palästinenser den grössten Ort des Gazastreifens verlassen. Hilfsorganisationen warnen vor einer weiteren Verschärfung der ohnehin katastrophalen Lage der Zivilbevölkerung.

Hinzu kommt: Eine Zwei-Staaten-Lösung rückt immer mehr in die Ferne. Israels Premier Benjamin Netanyahu (75) hat diese Woche umstrittene Baupläne für völkerrechtswidrige Siedlungen im Westjordanland genehmigt. Es geht um 3400 neue Wohneinheiten in der Nähe von Ostjerusalem.

Der Nahostkonflikt beschäftigt auch den Bundesrat. Übernächste Woche fliegen Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61, FDP) und Aussenminister Ignazio Cassis (64, FDP) nach New York, um an der Uno-Vollversammlung teilzunehmen und Gespräche zu führen. Anders als etwa Frankreich und Grossbritannien, die Palästina als Staat anerkennen wollen, lehnt der Bundesrat dies nach wie vor ab. Allerdings gab es, wie Blick weiss, am Freitag im Bundesrat eine Diskussion über eine neue Sprachregelung: Unter welcher Bedingung ist die Schweiz bereit, künftig Palästina anzuerkennen?

Schweiz kommt Pflichten «weitgehend» nach

Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider (61, SP) und VBS-Chef Martin Pfister (62, Mitte) kritisierten in Mitberichten die Haltung des Aussendepartements. Hinter vorgehaltener Hand wird Cassis Realitätsverweigerung vorgeworfen, schliesslich schafft Israel Fakten, die der Zwei-Staaten-Lösung zuwiderlaufen. Am Ende verhinderte die FDP-SVP-Mehrheit im Bundesrat eine neue Sprachregelung. 

Gleichwohl räumt Cassis ein, dass die Schweiz nicht alles tue, was sie laut ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen im Nahostkonflikt machen müsste. In einem Brief an Völkerrechtler schreibt Cassis, dass die Schweiz den Pflichten für Drittstaaten nur «weitgehend» nachkomme.

Nach Blick-Informationen müsste die Schweiz die Aktivitäten von Siedlern stärker sanktionieren und sowohl die Rüstungsgeschäfte als auch Finanztransaktionen stärker regulieren. Doch weder das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) noch das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) haben die Daumenschrauben angezogen. 

Ex-Diplomat kritisiert Cassis

Der pensionierte EDA-Diplomat und Völkerrechtler Didier Pfirter (66), der wie Cassis FDP-Mitglied ist, kritisiert die Haltung des Bundesrats: «Cassis’ Brief ist eine Aneinanderreihung von Plattitüden. Abgesehen von Lippenbekenntnissen macht die Schweiz nichts Konkretes, um Israel in die völkerrechtlichen Schranken zu weisen. Das erfüllt nicht die Forderungen des Internationalen Gerichtshofs, alle Mittel einzusetzen, um einen Völkermord zu verhindern.»

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