Amerikaner sind schon da
Kommt es am Sonntag in Genf zum Durchbruch?

In der Schweiz sollen die USA, die Ukraine und europäische Staaten über Trumps 28-Punkte-Plan beraten. Ein Erfolg für die Eidgenossenschaft, deren Gute Dienste zuletzt wenig gefragt waren.
Publiziert: vor 42 Minuten
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Aktualisiert: vor 9 Minuten
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Wolodimir Selenski wird von Donald Trump und seinem Team massiv unter Druck gesetzt.
Foto: AP

Darum gehts

  • Trump-Friedensplan: Ukraine unter Druck, Verhandlungen in der Schweiz geplant
  • Selenski schwört Bevölkerung auf schwierige Entscheidungen ein
  • 28-Punkte-Plan: Ukraine soll auf Donbass verzichten, Russland 100 Milliarden zahlen
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Lino SchaerenRedaktor

Donald Trump (79) hat Europa mit seinem «Friedensplan» überrascht und die Ukraine massiv unter Druck gesetzt. Jetzt soll es zu Verhandlungen über den 28-Punkte-Vorschlag kommen – in der Schweiz.

Das kündigte der Leiter des ukrainischen Sicherheitsrates, Rustem Umerow (43), am Samstag an. In der Schweiz werde über «die möglichen Parameter eines künftigen Friedensabkommens» gesprochen. Das Treffen soll laut der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag in Genf stattfinden. Wo genau, ist nicht bekannt. Teilnehmen würden neben hochrangigen Delegationen aus den USA und der Ukraine auch Vertreter aus Deutschland, Frankreich und Grossbritannien sowie der EU. Das Treffen werde auf Ebene der Berater der Staats- und Regierungschefs stattfinden, hiess es.

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Gemäss amerikanischen Medien befindet sich eine US-Delegation bereits seit Samstag in der Schweiz, unter anderen landete der Heeresminister Dan Driscoll in Genf. Er soll das Treffen für die Amerikaner vorbereiten. Driscoll war es, der am Donnerstag dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (47) den 28-Punkte-Plan offiziell überreicht hatte.

Am Sonntag sollen dann auch US-Aussenminister Marco Rubio (54) und der Sonderbeauftragte Steve Witkoff (68) in die Schweiz reisen.

Schweiz hält sich bedeckt

Selenski bestimmte seine Delegation für die Teilnahme an den Verhandlungsprozessen per Dekret. Geleitet wird diese von Selenskis engstem Vertrauten, dem Leiter des Präsidialamts, Andrij Jermak (54). Teil des neunköpfigen Verhandlungsteams sind auch die Spitzen der Geheimdienste.

Das Schweizer Aussendepartement (EDA) wollte das Treffen in Genf auf Anfrage nicht bestätigen. Eine Sprecherin hielt einzig fest, dass das EDA mit allen Parteien in Kontakt stehe und bereit sei, «Gespräche und Treffen in der Schweiz zu ermöglichen».

Die Zurückhaltung im Aussendepartement überrascht. Schliesslich sind Verhandlungen über einen möglichen Frieden in Genf ein beachtlicher Erfolg für Aussenminister Ignazio Cassis (64), der sich in den Verhandlungen rund um den Zoll-Deal der Schweiz mit den USA ausgeklinkt hatte.

Oder ist die Wahl des internationalen Genfs als Verhandlungsort letztlich gar nicht Cassis' Verdienst? Ist die Reise der Diplomaten in die Schweiz gar als Zückerchen der Amerikaner für Schweizer Investitionsabsichten und goldene Gastgeschenke an den US-Präsidenten gedacht?

Jedenfalls bringt die Verhandlungsrunde in Genf der Eidgenossenschaft internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung, nachdem ihre guten Dienste zuletzt etwa im Gaza-Krieg nicht gefragt waren. Für die Schweiz, deren Funktion als Land der Guten Dienste zuletzt immer weniger zum Tragen kam, ist das Treffen vom Sonntag Balsam.

Für Selenski und die europäischen Staatsführer wird es in Genf darum gehen, das Trump-Lager in den Verhandlungen zu Anpassungen im «Friedensplan» zu bewegen. Ausgehandelt wurde der 28-Punkte-Plan vor allem vom US-Unterhändler Witkoff und dem russischen Sondergesandten Kirill Dmitrijew (50). Entsprechend einseitig fällt er zugunsten des Aggressors aus.

USA locken Russen mit Wirtschaftsabkommen

Die 28 Punkte sehen vor, dass die Ukrainer kampflos auf den gesamten Donbass verzichten und damit auch auf jene Gebiete, welche die Russen bisher nicht erobern konnten. Weiter soll die Ukraine den Verzicht auf einen Nato-Beitritt in der Verfassung verankern, über keine Langstreckenwaffen verfügen und die Streitkräfte verkleinern. Dafür bietet Trump westliche Sicherheitsgarantien.

Von Russland seinerseits wird eine Garantie verlangt, die Ukraine nicht erneut anzugreifen. Zudem sollen 100 Milliarden US-Dollar aus dem eingefrorenen russischen Staatsvermögen in den Wiederaufbau der Ukraine fliessen. Über den Einsatz dieser Mittel würden die USA verfügen – und 50 Prozent der Gewinne aus diesem Unternehmen kassieren.

Im Gegenzug soll Russland wieder in die Weltwirtschaft integriert werden – die USA stellen Moskau ein langfristiges Wirtschaftsabkommen in Aussicht, das auch den Abbau seltener Erden in der Arktis regeln soll.

Trump setzt Druck auf und droht

Der US-Präsident setzte Selenski ein Ultimatum bis Donnerstag, um den 28 Punkten im Grundsatz zuzustimmen. Andernfalls droht Trump, keine Geheimdienstinformationen mehr zu liefern und alle Waffenverkäufe einzustellen. Auch der Kreml drohte den Ukrainern: Stimmten diese den für Moskau vorteilhaften Bedingungen nicht zu, gehe der Krieg weiter, so Machthaber Wladimir Putin (73).

Entsprechend schwierig ist die Lage für die Ukraine: Sie kann nicht auf die militärische Hilfe Amerikas verzichten, gleichzeitig ist der vorgelegte Plan aus Sicht Kiews – und Europas – inakzeptabel. Selenski schwor die ukrainische Bevölkerung am Freitag in seiner täglichen Videoansprache daher auf weitreichende Entscheide ein: Entweder der Verlust der Würde oder das Risiko, die USA als Partner zu verlieren. Der Staatschef sprach von einem «der schwersten Augenblicke in der Geschichte der Ukraine».

Immerhin kann Selenski weiterhin auf die Unterstützung seiner europäischen Verbündeten zählen. Bundeskanzler Friedrich Merz (70), Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron (47) und der britische Premierminister Keir Starmer (63) stimmten sich anlässlich des G20-Gipfels in Südafrika zusammen mit weiteren Partnern ab. Ziel ist ein europäischer Gegenvorschlag zu Trumps Plan.

Die Lage ist auch für Europa unangenehm: Die EU muss befürchten, dass ein Diktatfrieden im Sinne des Kriegtreibers Russland kaum dauerhaften Frieden für den Kontinent bringen wird.

Folgt der nächste Gipfel im Weissen Haus?

Offenbar wird auch ein erneuter gemeinsamer Besuch der europäischen Führungsfiguren im Weissen Haus nicht ausgeschlossen. Im August reisten Merz, Macron, Starmer und Co. bereits einmal nach Washington, um Trump von einem «Friedensplan» abzubringen, der nur zu Moskaus Vorteil gewesen wäre – erfolgreich.

Vorausgegangen war der europäischen Lobbying-Offensive damals der Empfang des russischen Machthabers Putin auf dem roten Teppich in Alaska.

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