Darum gehts
- ESC in der Krise: Fünf Länder boykottieren den Musikwettbewerb wegen Israels Teilnahme
- EBU vermeidet direkte Erwähnung Israels in offiziellen Statements
- 2022 wurde Russland vom ESC ausgeschlossen, um Imageschaden zu vermeiden
Fünf Länder wollen nicht mehr dabei sein. Wegen der Zulassung Israels boykottieren Rekordsieger Irland, Slowenien, Island, die Niederlande und Spanien den grössten Musikwettbewerb der Welt. Am Donnerstag kündigte Nemo (26) an, aus Protest die Trophäe des Schweizer ESC-Siegs 2024 an die Europäische Rundfunkunion EBU, die den ESC organisiert, zurückzusenden.
Die ESC-Organisatoren erleben ihr Waterloo. Sie stecken in einer Sackgasse. Die einen fordern den Ausschluss von Israel, weil das Vorgehen in Gaza nicht mit den Werten des ESC vereinbar sei. Die andere Seite argumentiert, man dürfe Israel den Platz in dieser internationalen Gemeinschaft nicht entziehen.
Israel wird in Statements nicht erwähnt
Die Diskussion um die Inklusion Israels tobt bereits seit dem Event in Malmö 2024. Die EBU scheint ihr aber bis heute immer wieder aus dem Weg zu gehen. Ende November 2025 wurden nach dem Bekanntwerden der grossen Werbekampagne einer israelischen Regierungsagentur neue Regeln für den ESC angekündigt. Schon da schrieb die EBU, Mitglieder seien gebeten worden, bis zur Generalversammlung am 4. Dezember zu entscheiden, «ob das Massnahmenpaket ausreicht, um ihren Bedenken Rechnung zu tragen, ohne über die Teilnahme abstimmen zu müssen». Spannend: Welche Nation mit der Teilnahme gemeint ist, wurde im Statement nicht genannt.
Auch im Statement nach der Diskussion vom 4. Dezember wurde Israel mit keinem Wort erwähnt. «Vor der Abstimmung fand eine breit angelegte Diskussion statt, in der die Abgeordneten unterschiedliche Standpunkte zur Teilnahme am Eurovision Song Contest äusserten», so die Mitteilung. «Viele Abgeordnete betonten dabei auch, wie wichtig es sei, die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien und die Pressefreiheit zu schützen, insbesondere in Konfliktgebieten wie dem Gazastreifen.»
EBU knüpfte Abstimmungen aneinander
Die neuen ESC-Regeln wurden daraufhin durchgewinkt, daran gekoppelt war auch, dass damit eine Abstimmung über die Teilnahme vom israelischen Rundfunk KAN hinfällig ist. Wieso die beiden Themen miteinander verbunden wurden, ist unklar. Eine entsprechende Anfrage von Blick beantwortete die EBU ausweichend: «Eine Abstimmung über die Teilnahme war nur für den Fall geplant, dass sie die neuen Massnahmen für unzureichend hielten.» Eine Nachfrage um Präzisierung ist noch offen.
Seit der Abstimmung hat sich die Diskussion um Israel intensiviert. Deshalb wandte sich auch ESC-Direktor Martin Green an die Fangemeinschaft. «Wir wissen, dass viele Fans von uns erwarten, dass wir zu geopolitischen Ereignissen klar Stellung beziehen. Aber nur wenn wir uns in erster Linie an unsere Regeln halten, kann der Eurovision Song Contest auch weiterhin Menschen zusammenbringen», schreibt er.
Fragen zu israelischem Hauptsponsor
Green erinnert an die Anfänge des ESC. 1956 ging der Wettbewerb in der Schweiz zum ersten Mal über die Bühne – mit dem Ziel, das nach dem Zweiten Weltkrieg zerrüttete Europa zu einen. «Angesichts einer gespaltenen Welt kommt dem Eurovision Song Contest die privilegierte Rolle zu, einen Raum zu bieten, in dem Millionen Menschen das feiern können, was uns verbindet.» Auch in seinem Statement wird Israel mit keinem Wort erwähnt. Fans hingegen hinterfragen immer wieder, welches Gewicht der israelische Hauptsponsor Moroccanoil in dieser Diskussion hat.
2022 wurde Russland vom ESC ausgeschlossen, weil die EBU Angst vor einer Imageschädigung hatte: «Die Entscheidung spiegelt die Sorge wider, dass angesichts der beispiellosen Krise in der Ukraine die Teilnahme Russlands am diesjährigen Contest den Ruf des Wettbewerbs schädigen würde.» Auch wenn sich der Ukraine- und Gazakrieg nicht miteinander vergleichen lassen, bleibt die Frage, ab wann die Organisatoren auch in diesem Fall besorgt um den Ruf des ESC sind.
Im Mai 2025, als der ESC in Basel stattfand, wurde die Musicalnummer «Made in Switzerland» des Moderationsduos Hazel Brugger (32) und Sandra Studer (56) zum grossen Hit. Neben den Schweizer Erfindungen, die darin besungen werden, bleibt aktuell vor allem eine Strophe hängen. «Wie die Schweiz ist der ESC unpolitisch, strikt neutral. Unabhängig, ob gut oder brutal.»