«Methode vermittelt eine trügerische Sicherheit»
Schaden Chlorhühner unserer Gesundheit?

In den USA werden geschlachtete Hühner üblicherweise mit Chlorwasser gereinigt, um Keime abzutöten. Doch wäre solches Poulet auch für die Schweiz vertretbar? Ein Experte für Lebensmittelsicherheit erklärt, welche Risiken davon ausgehen.
Publiziert: 11:15 Uhr
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Aktualisiert: vor 7 Minuten
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Hühner harren in einem Käfig in New York aus, bevor sie geschlachtet werden.
Foto: keystone-sda.ch

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Jana GigerRedaktorin Service

Hühner, die auf die Wiese dürfen und im Stall genügend Platz haben: In der Schweiz sind wir uns beim Poulet einen gewissen Standard gewohnt – auch, was die Hygiene betrifft. Nun will der Bund das Importverbot für Chlorhühner aus den USA lockern. Hunderttausende oder gar Millionen von Tieren leben dort meist zusammengepfercht. Damit keine Keime auf das Pouletfleisch gelangen, werden die Hühner nach der Schlachtung mit chloriertem Wasser gewaschen.

Wäre es vor dem Hintergrund der Haltungsbedingungen nur ethisch bedenklich, wenn in der Schweiz Chlorhühner zugelassen würden, oder hätte es auch einen Einfluss auf die Gesundheit? Roger Stephan, Professor für tierärztliche Lebensmittelsicherheit und -hygiene der Universität Zürich, beantwortet die wichtigsten Fragen.

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Was steckt hinter Chlorbädern?

«Es geht dabei um einen Prozess, bei dem ein Lebensmittel nach der Schlachtung oberflächlich von Keimen befreit werden soll», sagt Stephan. In der Fachsprache wird das auch Dekontaminationsverfahren genannt. Neben der Behandlung mit Chlorverbindungen gebe es auch biologische Verfahren. Dazu gehört der Einsatz von Viren, sogenannten Bakteriophagen, die gezielt Bakterien bekämpfen.

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Welche Methoden sind in der Schweiz erlaubt?

Derzeit seien nur zwei Verfahren zur Dekontamination von Schlachttieren zugelassen, sagt der Experte. «Alle Tierarten dürfen nach der Schlachtung mit Trinkwasser abgespült werden und bei Rindern ist zusätzlich die Behandlung mit Milchsäure erlaubt.» Sämtliche anderen Verfahren wären bewilligungspflichtig und müssten vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) geprüft werden.

In der Schweiz haben Hygienestandards in der Geflügelproduktion von A bis Z hohe Priorität.
Foto: Keystone
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Warum ist der Import von Chlorhühnern bisher verboten?

Gemäss Experte entspricht es nicht der Strategie der EU und der Schweiz, geschlachtete Tiere einfach mit Chlorverbindungen zu behandeln. «Wir setzen alles daran, den Schlachtprozess von Anfang an so hygienisch wie möglich zu gestalten.» Es sollte nicht darum gehen, hygienische Mängel im Nachhinein auszugleichen, sondern darum, solche Mängel gar nicht erst entstehen zu lassen. Dass die USA auf Chlorbäder setzt, erklärt sich Stephan so: «Es ist sicher weniger anspruchsvoll, ein Produkt unter eher lockeren hygienischen Bedingungen herzustellen, wenn man weiss, dass man am Ende mit einer drastischen Methode alles ‹bereinigen› kann.» Dieser Ansatz vermittle aber eine trügerische Sicherheit. 

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Töten Chlorbäder alle Keime ab?

Nein, sagt der Experte. Ein Schlachttierkörper werde durch keine Methode vollkommen steril, auch nicht durch ein Chlorbad. Solche Dekontaminationsverfahren könnten die Keimbelastung nur um einen Faktor von 10 bis maximal 100 reduzieren. Das heisst: Wenn ein Schlachttierkörper anfangs mit 10'000 Bakterien belastet ist, bleiben nach der Behandlung noch immer zwischen 100 und 1000 Keime zurück. «Die Basis muss deshalb ein hygienischer Schlachtprozess sein.» Nur wenn dieser gewährleistet sei, könne man überhaupt darüber nachdenken, mit ergänzenden Massnahmen die Restprobleme in den Griff zu bekommen. «Aber man sollte nicht das eine durch das andere ersetzen. Das wäre bedenklich.»

Chlorbäder würden eine trügerische Sicherheit vermitteln, sagt Roger Stephan, Professor für tierärztliche Lebensmittelsicherheit und -hygiene der Universität Zürich.
Foto: zVg
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Schaden Chlorhühner unserer Gesundheit?

Im Jahr 2012 wurde durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine Risikobewertung eines chlorhaltigen Dekontaminationsmittels für Geflügelprodukte durchgeführt. «Die EFSA kam in ihrer Bewertung zum Schluss, dass bei der vorgeschlagenen Anwendung keine Gesundheitsbedenken für den Menschen bestehen», sagt Stephan. Trotzdem hat die EFSA die Zulassung des Produkts nicht unterstützt. Einerseits lagen für eine fundierte Risikoabschätzung zu wenig Daten vor, was die Entstehung oder Förderung von Resistenzen betrifft. Zum anderen konnten die möglichen Auswirkungen auf die Umwelt, vor allem auf Oberflächengewässer und Böden, nicht abschliessend beurteilt werden.

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