Heftige Vorwürfe – oranger Riese beim Bund angezeigt
Verkauft die Migros umstrittene Quäl-Poulets?

Nicht einmal Ami-Fast-Food-Ketten wie Burger King oder der Schweizer Lebensmittelmulti Nestlé wollen mit der umstrittenen Hühnerrasse Ross 308 etwas zu tun haben. Ausgerechnet die Migros soll die Masthühner aber verkaufen! Der orange Riese hat eine Anzeige am Hals.
Publiziert: 27.08.2025 um 19:34 Uhr
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Aktivisten sind in einen Stall im Kanton Waadt eingebrochen und veröffentlichten Aufnahmen der «Superhühner».
Foto: Observatoire du spécisme

Darum gehts

  • Migros wegen umstrittener Hühnerrasse Ross 308 beim BLV angezeigt
  • Tierschützer kritisieren Gesundheitsprobleme und Leiden der schnell wachsenden Masthühner
  • Ross-308-Hühner verfünfzigfachen ihr Gewicht in nur 37 Tagen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Ungemach für die grösste Detailhändlerin der Schweiz. Die Migros wurde am Mittwoch beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) angezeigt. Es geht um eine hochumstrittene Hühnerrasse. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was sind die Vorwürfe?

Die Organisation Tiere im Fokus verbreitet am Mittwoch die Recherchen der Westschweizer Tierschützer «Observatoire du spécisme». Demnach soll die Migros Geflügel der Masthühnerrasse Ross 308 verkaufen. Die Tierschützer verbreiten Aufnahmen aus einem Partnerbetrieb von Migros-Fleischverarbeiter Micarna im Kanton Waadt, wo sie im Sommer 2025 heimliche Aufnahmen gemacht haben. Den orangen Riesen haben sie am Mittwoch beim BLV angezeigt. Ihre Begründung: Der Einsatz von Ross 308 soll gegen das Tierschutzgesetz verstossen haben. 

Was zeigen die Videoaufnahmen?

«Die Beine knicken unter ihrem Gewicht ein, Herz und Lunge kommen mit dem extrem schnellen Muskelwachstum nicht mit», schreiben die Tierschützer zu den Videos. Blick hat die Aufnahmen gesichtet. Die Hühner liegen fast tot auf dem Rücken, können nicht mehr aufstehen – mutmasslich aufgrund von Wasseransammlungen im Bauch. Die Aufnahmen erinnern an Zombies, die kurz vor ihrem endgültigen Ableben dahinsiechen. Sie sind entstanden, nachdem die Aktivisten in einen Stall eingebrochen waren.

Was ist denn die Rasse Ross 308?

Bei Ross 308 handelt es sich um eine spezialisierte Masthühnerrasse. Sie stammt ursprünglich aus den Laboren des US-Hühnerzüchters Aviagen und ist laut Angaben des Schweizer Branchenverbands Proviande die weltweit am meisten eingesetzte Rasse für die Produktion von Pouletfleisch. Diese Hühner verfünfzigfachen ihr Gewicht – in bloss 37 Tagen. Bei Geburt wiegen die Ross-308-Küken 40 Gramm, nach gut einem Monat dann bereits 2 Kilogramm. Darum schreibt der Verband auf seiner Website auch vom «Superhuhn». Weiter heisst es: «Hühner und Hähne der Rasse Ross 308 haben alles, was ein modernes Mastpoulet braucht: weisse Haut, weisse Beine, sie sind robust und schnellwüchsig.»

Nur: Das schnelle Wachstum geschieht auf Kosten der Hühner und deren Gesundheit, wie die Tierschutzorganisationen bemängeln. Diese verweisen auf verschiedene wissenschaftliche Studien, gemäss denen die Ross-308-Hühner oft an chronischen Schmerzen leiden und dadurch deutlich häufiger sterben. «Diese Hühner werden für die Profite der Fleischindustrie zu Tode gezüchtet», sagt Tobias Sennhauser, Mediensprecher der Organisation Tiere im Fokus.

Wer verkauft Zombie-Poulet der Rasse Ross 308?

Öffentlich dazu stehen will kaum jemand. Bemerkenswert: Sogar Ami-Fast-Food-Ketten wie Burger King, Chipotle und KFC haben von der Masthühnerrasse genug. Wie auch das Schweizer Unternehmen Nestlé haben auch die US-Giganten die Absichtserklärung «Better Chicken Commitment» (BCC) unterzeichnet und wollen spätestens ab 2026 auf schnelle Wachstumsrassen verzichten. Darunter aufgeführt ist explizit auch die Rasse Ross 308. 

Was sagt die Migros?

Auf eine Blick-Anfrage schreibt die Migros: «Micarna kann aus Vertraulichkeitsgründen keine Informationen zu Hühnerrassen der Partnerbetriebe geben.» Weder kann oder will die Detailhändlerin also bestätigen oder verneinen, ob sie Geflügel der Masthühnerrasse Ross 308 verkauft. Diese Information gehöre zum Geschäftsgeheimnis.

Der orange Riese beteuert, dass die Haltungsbedingungen den Anforderungen des Tierwohlprogramms BTS (besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme) entsprechen. «Konkret bedeutet dies, dass die Ställe über eine Aussenklimazone, Sitzstangen, Fenster sowie einen Boden mit Einstreu verfügen», so die Migros. Die Züchter würden aktiv unterstützt und überwacht, sodass «die strengen Vorgaben strikt eingehalten werden».

Die heimlichen Videoaufnahmen, welche durch Einbruch in einen Stall gemacht wurden, möchte die Migros nicht kommentieren. Man habe keine Möglichkeit, die Echtheit der Aufnahmen zu bestätigen und den tatsächlichen Ort zu überprüfen. «Unsere Produzenten sind unabhängige Unternehmen, die verpflichtet sind, unsere Standards sowie die gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf Tierschutz, Nachhaltigkeit und Qualität zu erfüllen», schreibt die Detailhändlerin weiter.

Abschliessend betont die Migros, das Wohlergehen der Tiere sei für die Micarna-Gruppe von grundlegender Bedeutung. «Denn nur mit gesunden Tieren können Produkte von höchster Qualität geliefert werden.»

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