Darum gehts
- Die USA planen, vier EU-Länder herauszuziehen, um Europa zu spalten
- Trump will die EU schwächen und die weltpolitische Deutungshoheit für die USA erlangen
- Vier Zielländer: Italien, Polen, Ungarn und Österreich – alle bekannt für eine migrationsfeindliche Haltung
«Unser Ziel sollte sein, Europa dabei zu helfen, seinen derzeitigen Kurs zu korrigieren.» So lautet die neue Sicherheitsstrategie der Regierung unter US-Präsident Donald Trump (79).
Was das genau bedeutet, wurde diese Woche klar: Unter dem Motto «Make Europe Great Again» wollen die USA vier europäische Länder aus der EU «herausziehen». So steht es in einem Geheimdokument. Mit diesen Ländern wollen die USA enger zusammenarbeiten. Die «Unabhängigkeit sowie die traditionellen, europäischen Lebensweisen» sollen bewahrt werden. Konkret geht es um die Länder Österreich, Italien, Ungarn und Polen. Aber wieso genau diese Länder? Was hat Trump vor? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
«Neutral betrachtet ist es der klassische Ansatz für einen beabsichtigten Regimewechsel. In diesem Fall aber nicht unbedingt in den betreffenden Staaten, sondern diese sollten instrumentalisiert werden, um die EU entweder umzupolen oder aber zumindest massiv zu schwächen», sagt Klemens Fischer (61), Geopolitikprofessor an der Uni Köln, zu Blick. Trump wolle die Einigkeit in Europa zersetzen und damit die Handlungsfähigkeit der EU einschränken.
Für Remo Reginold (40), Geopolitikexperte und Präsident des Swiss Institute for Global Affairs (Siga), ist das der nächste Versuch, die USA als mächtige Nation zu inszenieren. «Lange hat China den geopolitischen Diskurs geprägt, und man sprach nur über die Macht Chinas. Mit den Zöllen, mit Venezuela und eben dem brisanten Vorschlag für die EU will Amerika unter Trump die weltpolitische Deutungshoheit für sich erlangen», sagt Reginold zu Blick. Zugleich sei es ein Test, wie weit Trump gehen könne.
Fischer: «Auf den ersten Blick erscheint die Staatenauswahl eigenartig zu sein, bei genauerer Betrachtung macht aber beispielsweise Ungarn Sinn, denn die Nähe der Orbán-Regierung zur Trump-Administration auf der einen Seite und Ungarns Schwierigkeiten mit Brüssel auf der anderen Seite, machen Budapest zu einem ganz guten Kandidaten.»
Polen ist zwar abhängig von Geldern aus der EU, aber den Schutz vor Russland bietet bisher das US-Militär. Italien passe dagegen nicht so in die Reihe. Laut Fischer werde das Verhältnis zwischen Trump und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (48) masslos überschätzt. Hinzu kommt: «Italien ist sich seiner geostrategischen Lage in Europa zu sehr bewusst, als dass es diese Einbettung verlassen würde; im Übrigen würde auch Meloni diesen Schritt nicht gehen.»
Besonders Österreich überrascht Fischer. «Es ist weder als besonders US-freundlich bekannt – vielmehr kommt hier Österreichs Neutralität zum Tragen –, noch spielt es sicherheitspolitisch eine derart eminente Rolle, dass es durch US-Verlockungen aus der europäischen Integration herausgelöst werden könnte.»
Und doch haben alle vier Staaten eine Sache, die sie verbindet. «Sie sind dafür bekannt, nicht unbedingt migrationsfreundlich zu sein.» Das haben sie auch mit der Trump-Regierung gemein. Fischer weiter: «Überdies verfügen alle diese Länder über Parteien mit ausgeprägter Tendenz in den rechten Bereich, wobei in Polen und Österreich keine derartigen Parteien an der Regierung sind.»
Siga-Präsident Remo Reginold hält einen kompletten EU-Ausstieg für unwahrscheinlich. «Aber lose Gruppierungen, die eine amerikanische Vorherrschaft unterstützen und auch weltpolitisch pragmatischer werden, sind durchaus möglich.» China habe so etwas auch schon versucht und mit der «16+1-Kooperation» verstärkt Handelsbeziehungen zu osteuropäischen Ländern gesucht.
Allein dass über die Idee der USA gesprochen wird, sei schon ein Erfolg für die Trump-Regierung. Es geht um die «Normalisierung solcher Fragestellungen», erklärt Siga-Präsident Reginold. «Man soll über einen Austritt nachdenken dürfen. Das könnte in diesen Ländern Schule machen – mit unbekanntem Ausgang in langer Frist, siehe Grossbritannien.»
Klemens Fischer ergänzt: «Der Reichtum der EU Staaten ist im Sinken, Sparmassnahmen sind unvermeidlich. Der Ukraine-Konflikt ist finanziell eine enorme Belastung, und obwohl die Bevölkerungen mehrheitlich noch hinter der Ukraine stehen, bröckelt auch hier die Zustimmung.» Das Vertrauen in die eigenen Regierungen ist nicht so stark wie vielleicht früher. In Deutschland hatte noch kein Kanzler so niedrige Zustimmungswerte. «Rechtspopulistische Parteien, die vor allem durch ihre Ablehnung von Migration und durch die Fortsetzung des Ukraine-Kriegs immer neue Wählerschichten anziehen, tragen zur Verunsicherung bei.»
Nichtsdestotrotz: Wirklich Erfolg dürften die USA nicht haben. Das liege besonders auch an Donald Trump selbst. Geopolitikprofessor Fischer zu Blick: «Weder Donald Trump noch Elon Musk geniessen ausreichendes Vertrauen und Beliebtheit in Europa, um nachhaltig und in ausreichender Menge Wahlen zu beeinflussen. Und solange in Europa freie Wahlen abgehalten werden, ist das die einzige Möglichkeit, einen Regimewechsel herbeizuführen.»