Der amerikanische Schlag gegen iranische Atomanlagen war ein Volltreffer und ein militärischer Erfolg, mit dem sich US-Präsident Donald Trump (79) brüstet. Doch mit dem Angriff heizt er auch den Nahost-Konflikt an. Die Lage könnte eskalieren.
Es gibt Zweifel darüber, dass der Iran wirklich vor der Atombombe stand, und auch darüber, ob die Anlagen wirklich zerstört worden sind. Die Frage ist daher: War Trumps hochriskanter Schlag überhaupt nötig?
Schon seit Jahren warnte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (75) vor Irans Atomprogramm. Es zeigt sich jetzt: Es war mehr als nur Panikmache vor dem Erzfeind.
Massive Anreicherung
Der Iran stand gemäss neutraler Einschätzung tatsächlich kurz vor der Atombombe. So schrieb die zur Uno gehörende Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) Ende Mai: «Die erheblich gesteigerte Produktion und Anhäufung von hochangereichertem Uran durch den Iran, den einzigen Nichtkernwaffenstaat, der solches Kernmaterial herstellt, gibt Anlass zu ernster Besorgnis.»
In Zahlen heisst das: Laut IAEO verfügte der Iran über 408,6 Kilo zu 60 Prozent angereicherten Urans. Diese Gesamtmenge war somit in den letzten drei Monaten um fast 50 Prozent gestiegen. Das Uran hätte man innerhalb von zwei Wochen auf waffenfähige 90 Prozent anreichern und innerhalb von Monaten neun Atombomben herstellen können.
Wohl nicht für Strom gedacht
Beweise, dass das iranische Regime tatsächlich eine Atombombe bauen wollte, gibt es nicht. Die Regierung in Teheran hat diese Absichten stets bestritten und beteuert, dass das Programm der Energiegewinnung und somit friedlichen Zwecken diene.
Doch es deutet einiges darauf hin. Dan Smith, Direktor des Stockholm International Peace Research Institute, das sich auch mit der nuklearen Aufrüstung befasst, sagte gegenüber Blick: «Diese Anreicherung von Uran ist ein recht hohes Niveau, das weit über das für die Stromerzeugung in einem Kernkraftwerk erforderliche Mass hinausgeht.»
Eine Erschütterung reicht
Es steht noch nicht definitiv fest, wie weit die USA und Israel mit ihren Schlägen die iranischen Atomanlagen ausgeschaltet haben. Laut Trump sind sie von Marschflugkörpern und bunkerbrechenden Bomben, die bis zu 60 Meter in Felsen und Beton eindringen können, «komplett zerstört» worden. Anders tönt es bei der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur Irna. Sie zitiert einen Sprecher des Krisenstabs, der nur von einer Beschädigung spricht.
Was sagt der Nuklearexperte? Selbst wenn die Bomben nicht bis zu den Anlagen vorgedrungen sind, dürfte schwerer Schaden entstanden sein, meint Georg Steinhauser von der Technischen Universität Wien. Gegenüber der «Frankfurter Allgemeine» erklärt er: «Eine Erschütterung, eine Explosion, die in grosser Nähe stattfindet, würden Zentrifugen nicht ohne Schaden überstehen können.»
«Das Atomprogramm ist Geschichte»
Satellitenfotos zeigen Einschlaglöcher bei der wichtigsten und am stärksten geschützten Anlage in Fordo, deren Haupthallen 80 bis 90 Meter unter dem Boden liegen dürften. Steinhauser: «Die Einschlaglöcher in Fordo sind genau da, wo die unterirdischen Hallen vermutet werden. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn diese Anlage noch funktionstüchtig wäre.»
Obwohl es Hinweise darauf gibt, dass die Iraner einen Teil der Anlagen rechtzeitig evakuieren konnten, scheint die Atomgefahr gebannt. Steinhauser: «Das iranische Atomprogramm, zumindest das Atomwaffenprogramm, ist Geschichte. Da kann man in der Vergangenheitsform sprechen. Sie haben schlicht und einfach nicht mehr die Kapazitäten.»