Darum gehts
- Millionenschwerer Bestechungsskandal bei ukrainischem Atomkraftwerksbetreiber Energoatom aufgedeckt
- Ermittlungen könnten Verbindungen zum Umfeld von Präsident Selenski haben
- Millionen wurden unter Beteiligung ausländischer Firmen gewaschen
In der Ukraine ist von Behörden für den Kampf gegen Korruption ein Bestechungsskandal in Millionenhöhe beim staatlichen Betreiber der Atomkraftwerke, Energoatom, aufgedeckt worden. «Die Haupttätigkeit der kriminellen Organisation bestand darin, systematisch unrechtmässige Vorteile von Vertragspartnern von Energoatom in Höhe von 10 bis 15 Prozent des Vertragswerts zu erlangen», teilten das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) und die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP) bei Telegram mit. Dabei sei es vor allem um Schutzbauten für Energieanlagen gegen russische Raketen- und Drohnenangriffe gegangen.
Insgesamt seien so mit Beteiligung im Ausland ansässiger Firmen Gelder von umgerechnet rund 86 Millionen Euro «gewaschen» worden. Der Staatskonzern Energoatom bestätigte Hausdurchsuchungen in einer Mitteilung und versicherte, mit den Behörden zu kooperieren. Weitere Details zum Umfang der Razzien und eventuellen Festnahmen machte er nicht.
Filmstudio-Spur zu Selenski?
Gegen den Ex-Chef von Energoatom, Petro Kotin (64), waren bereits im Januar Ermittlungen wegen des Kaufs einer Villa bei Kiew eingeleitet worden. Er hat das Land laut Medienberichten nach seinem Rauswurf verlassen.
Insgesamt ist nach Angaben der Antikorruptionskämpfer 15 Monate lang ermittelt worden, es seien rund 1000 Stunden an Gesprächen mitgeschnitten worden. Namen nannten NABU und SAP nicht. Laut Medienberichten soll aber einer der Verdächtigten der Hauptaktionär des von Präsident Wolodimir Selenski gegründeten Filmstudios Kwartal 95 sein. Selenski war vor seiner Wahl 2019 Schauspieler und Komiker. Sein Vertrauter soll den Berichten zufolge das Land ebenfalls verlassen haben. Wegen eines möglichen Tipps von Behördenmitarbeitern an den Verdächtigen leitete SAP interne Ermittlungen ein.
Selenski forderte am Montag Verurteilungen. «Die Reinhaltung des Unternehmens hat Priorität», betonte der Staatschef in seiner abendlichen Videobotschaft. Es sei jeder zu bestrafen, der an Korruptionsschemen beteiligt war. Selenski erinnerte dabei daran, dass die Atomkraftwerke von Energoatom den Hauptteil der Elektroenergie erzeugen. Nach russischen Drohnen- und Raketenangriffen steht in vielen Regionen des Landes Strom nur stundenweise zur Verfügung.
Korruption ist in der Ukraine keine Seltenheit
Im Juli hatte Selenski noch versucht, über ein eilig verabschiedetes Gesetz die Kontrolle über die unabhängig ermittelnden Antikorruptionsbehörden zu erlangen. Nach Strassenprotesten und einer Intervention der Europäischen Union musste er jedoch zurückrudern und deren Unabhängigkeit wiederherstellen. Bereits damals wurde der Verdacht laut, dass es einen Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Selenskis Umfeld geben könnte.
Die Ukraine wird in ihrem seit Februar 2022 andauernden Abwehrkampf gegen Russlands Angriffskrieg mit Milliarden aus dem Westen unterstützt. Immer wieder gibt es in dem in die EU strebende Land Finanzskandale. Trotz eines seit dem prowestlichen Umsturz von 2014 aufgebauten Netzes an Behörden zur Bekämpfung von Korruption ist das osteuropäische Land den Experten von Transparency International zufolge weiter einer der korruptesten Staaten Europas.