Darum gehts
- KI-generierte Bibel-Videos überschwemmen soziale Medien mit fragwürdigen Inhalten
- Ethikprofessor kritisiert theologische Qualität und manipulativen Charakter der Videos
- Facebook wurde im vergangenen Jahr mit religiös konnotiertem KI-Slop überflutet
Ein Tutorial von Jesus ansehen, wie man aus Wasser Wein macht, Noah auf seinem «Reise-Vlog» auf der Arche begleiten oder Moses per «Livestream» ins gespaltene Meer folgen – das «ermöglichen» mit künstlicher Intelligenz generierte Videos.
Tiktok und Instagram werden aktuell überflutet mit den KI-Bibel-Videos. Doch was genau steckt hinter der Faszination, die lang überlieferten biblischen und historischen Figuren plötzlich als vloggende Influencer zu «erleben»? Blick hat mit Peter G. Kirchschläger, Ethikprofessor an der Universität Luzern, über den absurden KI-Trend gesprochen.
Soziale oder «asoziale» Medien?
«Sogenannte ‹Social Media› wurden von Beginn an so konzipiert und geschaffen, dass sie süchtig und abhängig machen», erklärt Kirchschläger. Er schlägt daher die Bezeichnung «asoziale Medien» vor. Denn sie hätten nur ein Ziel: um jeden Preis Aufmerksamkeit generieren.
Auf diese Wirkung zielen auch die KI-Bibel-Videos ab. Sie kombinieren vertraute Social-Media-Praktiken, wie Selfie-Perspektiven und ausladende Gesten, mit nahbaren Ansprachen in typischem Jugend-Slang. So spricht Noah etwa davon, dass Airbnb nach dem Bau der Arche wohl floppen würde, während Israeliten nach dem Sieg Davids über Goliath, David ihren «Homie» oder «Bro» nennen.
Übernimmt KI das Internet?
Auch Facebook wurde besonders im vergangenen Jahr mit einer Welle an religiös konnotierten KI-Slop, also KI-generierten Medieninhalten mit niedriger Qualität überflutet. So tauchten plötzlich bizarre Bilder von «Shrimp Jesus», Jesusfiguren zusammengesetzt aus Krabben und Crevetten auf. Oder Jesus wurde oberkörperfrei – mit beeindruckend definierten Bauchmuskeln – im Boxkampf gegen Satan gezeigt.
Bei dem sogenannten KI-Slop werden Massen an Inhalten verbreitet, mit dem einzigen Ziel möglichst hohes Engagement durch Likes und Shares zu ergattern. Häufig knüpft daran auch die Verbreitung von Fake News. Die KI-Inhalte werden von Bot-Accounts weiterverbreitet, damit sie bei möglichst vielen Usern landen. Im Dschungel dieser Inhalte wird es daher immer schwieriger, zwischen Realität und künstlicher Intelligenz zu unterscheiden.
Mehr Verantwortung für Inhalte übernehmen
Der Ethikprofessor betont das Risiko des neuen KI-Bibel-Trends: «Die Videos haben eine unterirdische theologische Qualität und verbreiten als Folge Fehlvorstellungen, Stereotypen und Klischees.» Er bemängelt vor allem ein konsequentes Handeln: «In den asozialen Medien dominiert gegenwärtig die ethisch höchst problematische Praxis, dass die hinter den Medien stehenden multinationalen Technologiekonzerne für die Inhalte auf ihren Plattformen nicht redaktionell zur Verantwortung gezogen werden.»
Gerade im Fall der KI-Bibel-Videos sieht der Experte weiteren Handlungsbedarf: «Es wäre wichtig, dass sich Religionen aufgrund ihrer moralischen Kompetenz in die dringend notwendige Gestaltung des rechtlichen und ethischen Umgangs mit asozialen Medien einbringen.» Denn weiter bestärkten die «asozialen Medien» Diskriminierungen durch rassistische und sexistische verbale Gewalt, Cybermobbing sowie politische und wirtschaftliche Manipulation.
Reflektieren und innovative Wege finden
Zentral wäre es deshalb, innovative Wege im Umgang mit den sozialen Medien zu suchen. Denn, wenn Religionen Social Media menschen- und kinderrechtskonform für die Rede über religiöse Texte nützen würden, könnte man die Menschen wirklich abholen und erreichen. Es brauche jedoch eine fundierte Begründung und theologische Qualität der vermittelten Inhalte.
«Dem werden die aktuellen KI-Bibel-Videos leider in keiner Weise gerecht. Im Gegenteil: Sie weisen sogar einen manipulativen Charakter auf», betont der Ethikprofessor. Deshalb rät er auch, nicht zu schnell Schlüsse auf die Menschen zu ziehen, die die Videos konsumierten. «Vielmehr würde ich dazu einladen, asoziale Medien als Suchtprodukte generell und auch solche Videos kritisch zu reflektieren.»