Forscher messen Hirnaktivität
Schock-Studie: ChatGPT schaltet unser Gehirn ab

KI-Chatbots machen das Gehirn träge: MIT-Forschende klebten 54 Studenten Elektroden an den Kopf und liessen sie Essays schreiben. Das Ergebnis: Wer die KI nutzte, dachte deutlich weniger mit.
Publiziert: 17:41 Uhr
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Aktualisiert: 17:48 Uhr
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Forschende massen die Hirnaktivität von 54 Personen beim Essay-Schreiben. Die Teilnehmer wurden in drei Gruppen aufgeteilt: Eine schrieb nur mit dem eigenen Hirn, eine mit Google, die dritte mit ChatGPT.
Foto: Shutterstock

Darum gehts

  • ChatGPT-Nutzung reduziert Hirnaktivität bei Schreibaufgaben laut MIT-Studie
  • ChatGPT-Nutzer zeigten 9 bis 35 Prozent weniger vernetzte Gehirnaktivität
  • KI kann Lernen verstärken, wenn zuvor eigene Denkarbeit geleistet wurde
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Tobias BolzernRedaktor Digital

Die Resultate sind klar: Rote Bereiche zeigen hohe Hirnaktivität, blaue wenig. Auf den Bildern der MIT-Forschenden leuchten die Köpfe jener Studienteilnehmer auf, die ihre Essays ohne Hilfsmittel schrieben. Bei denjenigen, die ChatGPT nutzten, herrscht dagegen deutlich mehr Leere. Ihre Gehirne waren je nach gemessenem Frequenzbereich zwischen 9 und 35 Prozent weniger vernetzt.

54 Studierende aus Boston zwischen 18 und 39 Jahren liessen sich für das MIT-Experiment Elektroden an den Kopf kleben. Die Aufgabe: Über drei Sitzungen schrieben alle Gruppen Essays unter denselben Bedingungen. Eine Gruppe durfte nur das Hirn nutzen, eine zweite Google, die dritte auch ChatGPT. In einer vierten Sitzung wurden die Methoden getauscht: Die ChatGPT-Nutzer schrieben ohne KI, die Hirn-Nutzer erstmals mit ChatGPT.

Seelenlose KI-Texte

Die Unterschiede waren gross. Die ChatGPT-Gruppe schrieb praktisch identische, seelenlose Texte, wie zwei Englischlehrerinnen urteilten. Mit jedem Essay wurden sie fauler, kopierten am Schluss fast nur noch. 83 Prozent konnten danach kein einziges Zitat aus ihren Texten wiedergeben, die sie Minuten zuvor abgegeben hatten. Bei den anderen Gruppen konnten neun von zehn Personen ein Zitat wiedergeben.

«Die Aufgabe wurde erledigt, das war effizient und bequem mit ChatGPT», erklärt die Studienleiterin Nataliya Kosmyna. «Aber wie wir zeigen, wurde praktisch nichts davon in die eigenen Gedächtnisnetzwerke integriert.» Besonders alarmierend: Als die ChatGPT-Nutzer später ohne KI schreiben sollten, erinnerten sie sich kaum an ihre früheren Arbeiten.

Ihre Gehirne zeigten schwächere Verbindungen in jenen Bereichen, die für Kreativität und Gedächtnisbildung zuständig sind. Die Google-Nutzer schnitten deutlich besser ab. Sie zeigten zwar auch weniger Hirnaktivität als die Gehirn-Gruppe, konnten aber die Texte gut wiedergeben und fühlten sich als Autoren derjenigen.

Umgekehrt passierte etwas Faszinierendes: Teilnehmer, die zuerst ohne Hilfsmittel geschrieben hatten und dann ChatGPT nutzen durften, zeigten plötzlich sehr hohe Hirnaktivität. «Das deutet darauf hin, dass KI das Lernen verstärken kann, aber nur, wenn zuvor genügend eigene Denkarbeit geleistet wurde», so die Forscherin.

«Falsch und schädlich»

Die Forscher empfehlen deshalb, KI-Tools erst einzusetzen, nachdem Lernende genügend eigene geistige Anstrengung unternommen haben. Kosmyna warnt besonders vor dem Einsatz bei Kindern: «Gehirne, die sich in der Entwicklung befeinden, sind am stärksten gefährdet.»

Allerdings ist die Studie noch nicht unabhängig geprüft worden und die Gruppe war mit 54 Personen relativ klein. Die Ergebnisse gelten zudem für akademische Schreibaufgaben und lassen sich nicht ohne Weiteres auf anderes übertragen. Die Forschenden veröffentlichte sie dennoch vorab, dies aus Sorge vor vorschnellen bildungspolitischen Entscheiden. «Ich befürchte, dass in sechs bis acht Monaten ein politischer Entscheidungsträger beschliesst: ‹lass uns GPT im Kindergarten einführen›. Ich halte das für absolut falsch und schädlich», sagt Kosmyna zu time.com.

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