Darum gehts
- «Chicago Sun-Times» veröffentlicht Sommerlektüreliste mit fiktiven Büchern, KI-Einsatz vermutet
- Vorfall wirft Fragen zur Qualitätskontrolle und KI-Nutzung im Journalismus auf
- Verlag hatte zuvor 20 Prozent der Belegschaft aus Spargründen entlassen
Die «Chicago Sun-Times» hat kürzlich für Aufsehen gesorgt, als sie am 18. Mai eine Sommerlektüreliste veröffentlichte, die fast ausschliesslich aus fiktiven Büchern bestand. Wie «Ars Technica» berichtet, entdeckte die Schriftstellerin Rachael King den Fehler zuerst und teilte ihre Beobachtung auf Bluesky: «Die ‹Chicago Sun-Times› lässt offensichtlich ChatGPT eine Sommerlektüre-Empfehlung schreiben, die fast vollständig aus echten Autoren, aber völlig erfundenen Büchern besteht. Wohin führt das?»
Die fragwürdige Liste erschien in einer 64-seitigen Beilage namens «Heat Index», die als Werbebeilage konzipiert war. Die Zeitung empfahl Titel wie «Tidewater Dreams» von Isabel Allende (82) und «The Last Algorithm» von Andy Weir (52) – Bücher, die es gar nicht gibt und die von einem KI-System aus dem Nichts erschaffen bzw. halluziniert wurden – inklusive Inhaltsangabe. Laut «Ars Technica» waren die Autoren echt, aber zwei Drittel der Bücher erfunden.
«Es ist mir total peinlich»
Der Verfasser des Beitrags, Marco Buscaglia, bestätigte gegenüber 404 Media, dass er künstliche Intelligenz (KI) zur Erstellung der Inhalte verwendet habe. «Ich nutze manchmal KI für den Hintergrund, schaue mir aber immer zuerst das Material an. Diesmal habe ich es nicht getan und ich kann nicht glauben, dass ich es übersehen habe, weil es so offensichtlich ist. Keine Ausreden», sagte Buscaglia. «Ich bin zu 100 Prozent dafür verantwortlich und es ist mir total peinlich.» Als Tool habe er ChatGPT benutzt.
Dieser Vorfall ereignet sich nur zwei Monate, nachdem die «Chicago Sun-Times» 20 Prozent ihrer Belegschaft aus Spargründen entlassen hatte. Die Entlassungen umfassten Kolumnisten, Leitartikler und Redaktoren mit jahrzehntelanger Erfahrung.
Die Reaktionen auf die fehlerhafte Liste waren wenig überraschend sehr negativ. Ein Reddit-Nutzer äusserte seine Empörung: «Als Abonnent bin ich ausser mir! Was hat es für einen Sinn, eine gedruckte Zeitung zu abonnieren, wenn sie KI-Müll beinhalten?»
Der Vorfall wirft Fragen zur Qualitätskontrolle und zum möglichen Einsatz von KI in der Medienbranche auf, insbesondere angesichts der finanziellen Herausforderungen, mit denen viele Nachrichtenorganisationen konfrontiert sind.
Kaufpreise für Sonntagsausgabe wird Lesern zurückerstattet
Mittlerweile hat die «Chicago Sun-Times» auf den Flop reagiert – und die Verantwortung teilweise abgeschoben. Die Zeitung betonte, dass der fehlerhafte Inhalt nicht von ihrem eigenen Redaktionsteam erstellt oder genehmigt wurde, sondern von einem externen Content-Anbieter, genauer gesagt von King Features, einer Tochtergesellschaft von Hearst, die den Freelancer Buscaglia einsetzte, der KI-Tools nutzte, ohne dies offenzulegen. Man werde die Kosten für die Sonntagsausgabe den Lesern nicht belasten – und eine strengere Kontrolle bei zugelieferten Arbeiten von Drittanbietern einführen.
Anm. d. Redaktion: Auch Blick nutzt teilweise KI im redaktionellen Alltag, unterwirft sich aber selber strengen Regeln – mehr dazu hier.