Darum gehts
- Israel weist Vorwürfe zu Behandlung von Greta Thunberg in Haft zurück
- Polizeiminister Ben-Gvir stolz auf harte Behandlung der Aktivisten als Terrorunterstützer
- Über 400 Besatzungsmitglieder aus Dutzenden Ländern wurden in Gewahrsam genommen
Am frühen Sonntagnachmittag landete ein Flugzeug mit acht Schweizer Gaza-Aktivisten in Genf. Ein weiterer Aktivist landete bereits am Samstag in Zürich. Sie waren Mitglied der Flotille, die auf dem Weg nach Gaza von israelischen Streitkräften abgefangen wurde. Mehr als 400 Aktivisten, unter ihnen auch Greta Thunberg (22), kamen in Haft.
In Genf wurden die Rückkehrer von Freunden, Verwandten und Unterstützern empfangen. Viele von ihnen trugen palästinensische Flaggen. Acht von neun der Zurückgekehrten berichteten über unmenschliche Behandlung nach der Festnahme in Israel.
Ebenso sagten sie, sie seien «sehr besorgt» über das Schicksal jener Aktivisten, die noch immer von Israel festgehalten werden. «Wir sind schockiert über das, was wir gesehen und erlebt haben», sagte einer der Schweizer am Sonntag in der Ankunftshalle des Genfer Flughafens. Etwa 200 Personen nahmen die acht Aktivisten in Empfang.
Der Aktivist, der im Namen seiner Kameraden sprach, berichtete, dass die Flottille einem «regelrechten militärischen Angriff» der israelischen Marine ausgesetzt gewesen sei. Er sprach dann von «unmenschlichen» Haftbedingungen und davon, dass sie Opfer von «Folter und Übergriffen» geworden seien.
«Wir sind sehr besorgt»
Er wolle nicht weiter darauf eingehen, solange noch weitere Aktivisten inhaftiert seien, sagte der Aktivist. «Wir werden nach ihrer Rückkehr eine umfassende Erklärung abgeben.» Noch immer seien mehr als 300 Mitglieder der Flottille, darunter zehn Schweizer, in Haft. «Wir sind sehr besorgt über ihr Schicksal.»
Der Aktivist kritisierte auch die «totale Untätigkeit» des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), das seiner Meinung nach kaum etwas unternommen habe, um ihnen zu helfen. Im Gegensatz dazu lobte er die Unterstützung der Türkei, die eine Rückführung von Aktivisten über Istanbul ermöglicht habe.
Aktivist im Hungerstreik
Die Schweizer Aktivistin Tabea Zouk, eine von 19 Schweizer Staatsbürgern an Bord der Flottille, sagte der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, sie habe «nichts Gutes» über die Haftbedingungen zu sagen. «Sie haben Witze über uns gemacht. Sie zwangen uns, eine Stunde lang mit dem Kopf auf dem Boden in der Sonne zu knien, nur um uns zu schikanieren und uns ein schlechtes Gefühl zu geben.» Man habe sie «wie Terroristen» behandelt, so Zouka weiter.
Ein Aktivist aus Lausanne hatte offenbar genug von der schlechten Behandlung. Timothée Crettenand (36) ist in den Hungerstreik getreten. Das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) erklärte gegenüber Blick, dass ein Team der Schweizer Botschaft am Freitag das Gefängnis Ketziot besucht habe, in dem diejenigen Aktivisten festgehalten werden, die ein Schuldeingeständnis gegenüber Israel nicht unterzeichnen wollen. Allerdings hätten israelische Sicherheitsbehörden den Botschaftsbesuch wegen «verschiedener Zwischenfälle» abgebrochen.
Ein Gespräch mit den Inhaftierten «so wie es der konsularische Schutz vorsieht», kam nicht zustande. Brisant: Vom Hungerstreik des Waadtländers erfuhr die Schweiz ebenfalls nichts.
Thunberg sei an den Haaren geschleift und geschlagen worden
Israels Aussenministerium hat Vorwürfe, die propalästinensische Aktivisten seien in Haft harsch behandelt worden, scharf als «dreiste Lügen» zurückgewiesen. Der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir sagte dagegen, er sei «stolz, dass wir die ‹Flotten-Aktivisten› wie Terrorunterstützer behandeln». In einer Mitteilung Ben-Gvirs hiess es: «Wer Terror unterstützt, ist ein Terrorist und verdient die Bedingungen, die Terroristen zustehen.»
Der «Guardian» hatte berichtet, Greta Thunberg habe gegenüber schwedischen Repräsentanten über harsche Behandlung in israelischer Haft gesprochen. Sie habe sowohl zu wenig Wasser als auch zu wenig Essen bekommen. Ausserdem habe sie gesagt, dass sie Hautausschläge bekommen habe, die vermutlich von Bettwanzen verursacht worden seien. Sie habe lange Zeit «auf harten Oberflächen» gesessen. Die Zeitung berief sich dabei auf eine E-Mail des schwedischen Aussenministeriums an Thunberg nahestehende Personen.
Andere Aktivisten gaben dem Bericht zufolge an, Thunberg sei an den Haaren geschleift und geschlagen worden. Man habe sie auch gezwungen, eine israelische Flagge zu küssen. Ähnliche Vorwürfe wurden auch mit Blick auf weitere propalästinensische Aktivisten geäussert.
Aktivisten wollten Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen
Das schwedische Aussenministerium erklärte laut der Nachrichtenagentur TT, Vertreter der Behörde hätten sich mit den Festgenommenen getroffen. Vom Ministerium hiess es demnach weiter, dass man in seinen Kontakten mit den israelischen Behörden die Wichtigkeit der Deckung des medizinischen Bedarfs betont habe und dass «der Bedarf an Nahrungsmitteln und sauberem Wasser sofort gedeckt werden muss», sowie die Möglichkeit zu Treffen mit Rechtsvertretern.
Die Aktivisten wollten eigenen Angaben zufolge Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen. Israel hatte angeboten, die Hilfslieferungen über Häfen ausserhalb des Gazastreifens an Land und von dort aus in das palästinensische Küstengebiet zu bringen. Die Aktivisten lehnten das mit der Begründung ab, Israels Blockade des Gazastreifens sei völkerrechtswidrig.
Alle Rechte der Inhaftierten seien «vollständig gewahrt» worden
In der Stellungnahme des israelischen Aussenministeriums hiess es: «Die Behauptungen über die Misshandlung von Greta Thunberg und anderen Inhaftierten der Hamas-Sumud-Flottille sind dreiste Lügen.» Alle Rechte der Inhaftierten seien «vollständig gewahrt» worden. «Interessanterweise haben Greta selbst und andere Inhaftierte sich geweigert, ihre Abschiebung zu beschleunigen, und darauf bestanden, ihren Aufenthalt in Gewahrsam zu verlängern. Greta hat sich ausserdem bei den israelischen Behörden über keine dieser absurden und haltlosen Anschuldigungen beschwert, weil sie nie stattgefunden haben.»
Polizeiminister Ben-Gvir sagte dagegen, die Aktivisten und Aktivistinnen sollten die Haftbedingungen «deutlich zu spüren bekommen und sich zweimal überlegen, bevor sie sich wieder Israel nähern». Sein Fazit: «Wer geglaubt hat, hierherzukommen und einen roten Teppich und Fanfaren zu bekommen – der irrt sich.»
Ben-Gvir sagte, er habe die Schiffe der Gaza-Flotte besucht und dort «keine Hilfe und keine Humanität gesehen». Stattdessen habe er «eine Packung Babynahrung gesehen und ein ganzes Schiff voller Menschen, die sich als Menschenrechtsaktivisten ausgaben, in Wirklichkeit aber gekommen waren, um den Terror zu unterstützen und sich auf unsere Kosten zu amüsieren».