Darum gehts
- Schweizer Aktivist hungert in israelischem Gefängnis aus Protest
- EDA kritisiert ungenügenden Zugang zu inhaftierten Schweizern in Israel
- 19 Schweizer unter mehr als 400 festgesetzten Crew-Mitgliedern der Hilfsflotte
Timothée Crettenand (36) ist im israelischen Gefängnis Ketziot in Hungerstreik getreten. Der Lehrer aus Lausanne war Teil der «Global Sumud Flotilla», die mit rund 40 Booten Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen wollte und am Donnerstag von der israelischen Marine gestoppt wurde. Mehr als 450 Crew-Mitglieder aus Dutzenden Ländern wurden festgesetzt – unter ihnen 19 Schweizerinnen und Schweizer.
Eine Sprecherin des Vereins Waves of Freedom, der die Schweizer Delegation der «Flotilla» organisiert hat, bestätigt gegenüber Blick den Hungerstreik Crettenands in der Haftanstalt im Süden Israels. Er greife damit zu einer «gewaltfreien politischen Waffe, um gegen die rechtswidrige und willkürliche Verhaftung zu protestieren».
Aktivisten wollten Seeblockade brechen
Der Verein ist der Ansicht, die Aktivistinnen und Aktivisten seien in internationalen Gewässern «entführt» worden. Die israelische Regierung bezeichnete die Mission wiederholt als Provokation. Die Marine habe die Flotte gewarnt, dass sie sich einer aktiven Kampfzone nähere und die seit 2007 bestehende Seeblockade durchgesetzt werde. Israel kündigte an, die Festgenommenen rasch nach Europa abzuschieben.
Am Samstagnachmittag war es dann so weit: Knapp 140 Flotilla-Aktivisten wurden per Charterflug nach Istanbul ausgeflogen. Darunter auch neun Schweizer Staatsbürger. Es handle sich dabei um jene Schweizer Inhaftierten, die bereit waren, ihre Unterschrift unter ein Formular zu setzen, mit dem sie ihre illegale Einreise nach Israel bestätigten, sagte die Sprecherin von «Waves of Freedom». Sie durften das Gefängnis und das Land in der Folge verlassen.
Das Schweizer Aussendepartement bestätigte am frühen Samstagabend den Ausflug der neun Aktivisten mit eidgenössischem Pass, sie seien wohlauf und am Flughafen von einem Team des Schweizer Generalkonsulats in Istanbul in Empfang genommen worden. Die zehn Schweizer, welche die Unterschrift und damit das Schuldeingeständnis an Israel verweigerten, verblieben laut «Waves of Freedom» in Haft – unter ihnen auch Timothée Crettenand.
Sie sind weiterhin auf den konsularischen Schutz der Schweiz angewiesen. Ein Team der Schweizer Botschaft in Tel Aviv verbrachte laut dem Aussendepartement (EDA) den Freitag im Gefängnis Ketziot. Doch der Besuch wurde offenbar zur Farce. Das EDA teilte mit, israelische Sicherheitsbehörden hätten den Botschaftsbesuch wegen «verschiedener Zwischenfälle» abgebrochen.
Worum es sich bei diesen «Zwischenfällen» handelt, kommentiert das Schweizer Aussendepartement auf Nachfrage nicht. Die israelische Botschaft in Bern liess eine Anfrage am Samstag unbeantwortet. Ein EDA-Sprecher sagte gegenüber Blick einzig, die Schweiz habe formell beim israelischen Aussenministerium und bei der Botschaft in Bern interveniert.
Israel lässt Schweiz lange warten
Das EDA äusserte Missfallen, weil die Schweizer Botschaftsvertreter in der Haftanstalt sehr lange warten mussten und kein eingehendes Gespräch mit den Inhaftierten möglich gewesen sei – «so wie dies der konsularische Schutz vorsieht», sagte der Sprecher. Vom Hungerstreik Timothée Crettenands habe die offizielle Schweiz keine Kenntnis erlangt. Die Schweiz erwarte, dass Israel beim nächsten Besuch einen «raschen und ungehinderten Zugang» zu den Schweizer Staatsbürgern gewährleistet, heisst es beim EDA.
Die Schweizer Delegation der «Global Sumud Flotilla» umfasste zunächst rund 40 Personen und sieben Schiffe, die unter polnischer und italienischer Flagge segelten. Ein Schiff brach die Reise wegen technischer Probleme ab, einige Aktivistinnen und Aktivisten verliessen die Aktion vorzeitig «wegen beruflicher Verpflichtungen», wie Waves of Freedom auf Anfrage mitteilte.
Trotzdem sitzen oder sassen mehr Personen aus der Schweizer Delegation in Israel in Haft als die vom EDA genannten 19 Staatsangehörigen. Nach Angaben des Vereins handelt es sich teilweise um Menschen, die in der Schweiz leben, aber keinen Schweizer Pass besitzen. Eine von ihnen – eine Italienerin – konnte Israel am Samstag verlassen.