Darum gehts
- EU-Länder diskutieren «Drohnenwall» als Reaktion auf russische Luftraumverletzungen
- Der «Drohnenwall» kombiniert Sensoren, Überwachung und Abwehrmechanismen gegen Drohnen
- Neun EU-Mitgliedstaaten und die Ukraine beraten erstmals über gemeinsame Verteidigungspläne
Wiederholte Verletzungen des Nato-Luftraums durch russische Drohnen und Kampfjets an der Nord- und Ostflanke Europas haben die strategische Debatte über die Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses neu entfacht. Von Polen über das Baltikum bis nach Skandinavien häufen sich Vorfälle, die von Experten als gezielte Provokationen und Tests der westlichen Reaktionsfähigkeit gewertet werden. Als Antwort auf diese hybride Bedrohung gewinnt in der Europäischen Union eine Idee an Dynamik: die Errichtung eines sogenannten Drohnenwalls. Wie weit sind die Planungen für das Hightechprojekt? Ein Überblick mit vier Fragen und Antworten.
Was ist die Idee hinter dem «Drohnenwall», und warum wird er gerade jetzt diskutiert?
Die Idee eines Drohnenwalls ist eine direkte Reaktion auf die veränderte Kriegsführung, wie sie im Ukraine-Krieg zu beobachten ist, sowie auf unmittelbare russische Drohungen mit Blick auf die Nato-Ostflanke. Für viele Sicherheitspolitiker in der EU ist klar: Konventionelle Luftabwehrsysteme allein helfen nicht gegen massenhaft eingesetzte, kostengünstige Drohnen. Es braucht daher schnell eine glaubwürdige und technologisch fortschrittliche Abschreckung.
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (65) etwa sprach am Donnerstag von einer neuen Realität: Die jüngsten Drohnenvorfälle gehörten zur Strategie des russischen Präsidenten Wladimir Putin (72). «Wir werden attackiert, hybrid, mit Desinformationskampagnen und eben durch Drohneneindringen.»
Wie könnte der Drohnenwall aussehen?
«Es handelt sich nicht um eine physische Drohnenmauer», stellte Rene Ehasalu, Manager des «Defense Estonia Cluster», einem Zusammenschluss estnischer Rüstungsfirmen, im Sommer im Gespräch mit dem «National Defense Magazine» fest. Stattdessen ist ein umfassendes, mehrschichtiges Verteidigungsnetzwerk gemeint, das verschiedene Technologien integriert.
Dazu gehören erstens Sensoren und Überwachung. Das Magazin «Breaking Defense» beschreibt den Drohnenwall als einen Verbund aus Radarsystemen, optischen Kamerasystemen, Funkfrequenzerkennung und teils KI-gestützten Überwachungssystemen. Er soll eine lückenlose Aufklärung ermöglichen.
Zweitens beinhaltet der Drohnenwall Abwehrmechanismen. Im Idealfall werden zwei Abwehrfähigkeiten kombiniert, wie Ehasalu erklärte: zum einen der «Soft Kill», bei dem Drohnen durch Störsender vom Kurs abgebracht oder zur Landung gezwungen werden. Zum anderen der «Hard Kill», der die physische Zerstörung der angreifenden Objekte durch Flakgeschütze, Raketen oder eigene Abfangdrohnen vorsieht.
Wie konkret sind die Pläne für den Drohnenwall?
Noch steckt die Idee in den Kinderschuhen, einzig Estland plant schon länger. Neun EU-Mitgliedstaaten und die Ukraine beraten am Freitag erstmals über Pläne für einen gemeinsamen Verteidigungswall gegen Drohnen. Wie die EU-Kommission mitteilte, kam Verteidigungskommissar Andrius Kubilius (68) mit Vertretern der acht an Russland oder die Ukraine angrenzenden EU-Mitgliedstaaten sowie Dänemark und der Ukraine per Videoschaltung zusammen, um über erste Vorschläge zur Stärkung der Drohnenabwehr zu sprechen.
Welche Hürden machen die Umsetzung schwierig?
Die ambitionierte Vision eines einheitlichen Drohnenwalls kollidiert mit zwei harten Realitäten: einer tiefen Kluft zwischen den östlichen und westlichen Mitgliedern der Nato und einem finanziellen Rahmen, der völlig unbestimmt bleibt. Diese Kluft zwischen der wahrgenommenen Dringlichkeit der an Russland grenzenden Staaten und den finanziellen Prioritäten anderer europäischer Nationen bremst die Realisierung.
Gintautas Paluckas (46), bis August 2025 Premierminister von Litauen, brachte es im Sommer gegenüber dem litauischen Medienunternehmen LRT auf den Punkt: «Europa ist gross, die Interessen sind unterschiedlich, und manchmal ist das, was uns schadet oder uns wichtig ist, für Europa unwichtig.»