Britischer Militärexperte nennt mehrere Faktoren
Darum ist Putin aktuell so siegesgewiss

Wladimir Putin strotzt aktuell vor Selbstbewusstsein. Das zeigt unter anderem eine neue Massnahme seines Militärs. Welche Faktoren Putins Kriegseifer aktuell befeuern, weiss der britische Militärexperte Keir Giles.
Publiziert: 15:44 Uhr
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Aktualisiert: vor 43 Minuten
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Wladimir Putin lässt laut ISW-Informationen eine strategische Reserve anlegen.
Foto: AFP

Darum gehts

  • Putin baut strategische Reserve neuer Soldaten auf, Experte: Kreml zeigt Selbstvertrauen
  • Russland ändert Front-Taktik: Kleinere Gruppen infiltrieren ukrainische Linien
  • 292’000 neue Rekruten haben zwischen Anfang und Mitte September Verträge unterschrieben
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Marian NadlerRedaktor News

Es tönt beunruhigend, was die Militärexperten des US-amerikanischen Thinktanks Institute for the Study of War (ISW) in einem aktuellen Lagebericht zum Ukraine-Krieg schreiben. Kremlchef Wladimir Putin (72) lässt demnach seit Juli 2025 eine strategische Reserve neuer Soldaten aufbauen. Das ISW beruft sich auf einen russischen Insider, der in der Vergangenheit mit präzisen Enthüllungen aufgefallen sein soll. 

292'000 neue Rekruten sollen den Angaben zufolge zwischen Anfang Jahr und Mitte September 2025 Verträge mit der russischen Armee unterschrieben haben. Eine ähnliche Schätzung gab auch der ukrainische Geheimdienst ab.

Das Besondere: Viele der neuen Rekruten werden nicht wie gewöhnlich direkt an die Front geschickt, sondern in der strategischen Reserve gebündelt. Wie viele Soldaten diese Reserve genau umfasst? Unklar.

Zeit der menschlichen Wellen ist vorbei

Den Aufbau einer strategischen Reserve kann sich Putin derzeit leisten. Denn: Aktuell sterben nicht so viele Soldaten auf dem Schlachtfeld wie in den vergangenen Kriegsjahren. Auch die Zahl der Verwundeten ist niedriger als früher. Laut dem ukrainischen Generalstab gab es zwischen Januar und Juli 2025 monatlich 32'000 bis 48'000 russische Opfer. In den Monaten August und September lagen diese Zahlen nur noch bei 29'000 respektive bis Mitte dieses Monats bei 13'000. 

Das liegt auch daran, dass die russischen Truppen ihre Vorgehensweise an der Front geändert haben. Wo in den vergangenen Jahren grosse Gruppen in Form von menschlichen Wellen blindlings auf die ukrainischen Stellungen zustürmten, rücken die russischen Einheiten mittlerweile nur noch in kleineren Gruppen vor und versuchen, die ukrainischen Linien zu infiltrieren.

Gleichzeitig mehren sich die Hinweise darauf, dass Putins Angriffsplan über die Ukraine hinausgeht. In den vergangenen Tagen und Wochen provozierte Moskau unter anderem mit Drohnenflügen in Polen und Rumänien und der Entsendung von Jets in den estnischen Luftraum.

Gute Stimmung im Kreml

Was bedeutet Putins Reserveplan? Der britische Experte Keir Giles (57) beschäftigt sich seit Jahren mit dem russischen Militär. Er hat mehrere Bücher über den geopolitischen Konflikt zwischen dem Westen und Russland geschrieben, darunter das vom Nato Defence College herausgegebene «Handbook of Russian Information Warfare». Für Blick ordnet er den Schritt ein.

Er stellt gleich zu Beginn klar: «Russland hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass sein Angriff auf die Ukraine Teil eines viel längerfristigen Krieges mit Europa und dem Westen ist.» 

Im Kreml dürfte aktuell gute Stimmung herrschen. Nicht nur, weil US-Präsident Donald Trump (79) den Mut und Willen vermissen lässt, Putins Feldzug aufzuhalten. «Die Verlegung von Truppen von der ukrainischen Front in eine strategische Reserve ist ein Zeichen dafür, dass Russland mit den Fortschritten gegen die Ukraine zufrieden ist», erläutert Giles. Gleichzeitig halte man weiterhin Ausschau nach Möglichkeiten an anderen Fronten.

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Russland scheint in keiner Weise an einen Waffenstillstand zu denken, wie ihn Trump in den vergangenen Monaten gefordert hatte, bevor er entnervt aufgab. «Moskau glaubt, mehr von einer Fortsetzung des Krieges zu profitieren als von einer Einfrierung und der Sicherung der bisher erzielten Gewinne.»

Keir Giles: Russlands Partner unterstützen besser

Hinzu kommt: Russland wird weiter vom Iran, Nordkorea und teilweise auch von China unterstützt. Dies ist laut Giles «entscheidend, um einen Weg zum Sieg in diesem Krieg zu finden».

Den westlichen Staaten stellt Giles ein schlechtes Zeugnis aus. «In vielerlei Hinsicht war die Koalition, die Russland unterstützt, zuverlässiger und nützlicher als die Koalition, die die Ukraine unterstützt, trotz der riesigen Mengen an Waffen, die zuvor von den USA und den europäischen Partnern geliefert wurden.»

«Russland kann davon ausgehen, den Krieg gewinnen zu können»

Nun zittert der Westen vor einem Angriff auf einen Nato-Mitgliedsstaat. Die Arsenale sind bereits ausgedünnt. Der Geopolitikexperte Klemens Fischer konstatierte erst am Wochenende: «Der Verteilungskampf zwischen der Nato und der Ukraine um die militärischen Ressourcen ist in vollem Gange.» Und ausgerechnet jetzt kann man sich auf den Weltpolizisten USA nicht mehr verlassen.

Washington zählt Giles mittlerweile zu den Verbündeten Russlands, da sie die «Hilfe für die Ukraine und Europa wo immer möglich einstellen». Sein brisantes Fazit zum aktuellen Stand der Dinge im Konflikt in der Ukraine: «All dies zusammen bedeutet, dass Russland davon ausgehen kann, den von ihm gewählten Zermürbungskrieg gewinnen zu können. Die Schaffung einer strategischen Reserve ist ein deutliches Zeichen für dieses Selbstvertrauen innerhalb des Kremls.»

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