Wieder fliegen Russen-Drohnen auf Nato-Gebiet
Wie reagiert die Nato auf Putins Drohnen-Provokation?

Der Kreml provoziert den Westen, wo er nur kann. Nach den jüngsten Drohnen-Vorfällen in Polen und Rumänien rüstet die Nato auf. Wie wird der Westen antworten?
Publiziert: 17:11 Uhr
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Aktualisiert: 18:18 Uhr
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Ein französischer Rafale am Wochenende über Polen: Die Nato verstärkt ihre Abschreckung in Osteuropa.
Foto: AFP

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Guido FelderAusland-Redaktor

Russische Drohnen in Polen und nun auch Rumänien: Die Nato ist in höchster Alarmbereitschaft. Als Sofortmassnahme hat sie die Verteidigung der Ostflanke unter dem Namen «Eastern Sentry», was so viel wie «Wächter des Ostens» heisst, hochgefahren.

Das westliche Bündnis will eine militärische Konfrontation mit Russland unbedingt vermeiden, da ein offener Schlagabtausch zwischen den beiden Nuklearmächten zu gefährlich wäre und zu einem grossen Krieg führen könnte. So könnte die Antwort der Nato aussehen.

Seit Anfang des Krieges am 24. Februar 2022 ist es in Nato-Ländern Dutzende Male zu Zwischenfällen mit russischen Drohnen gekommen. Meist handelte es sich um Luftraumverletzungen – ob irrtümlich oder absichtlich, ist nicht klar.

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Vergangene Woche drangen 19 russische Drohnen in den polnischen Luftraum ein.
Foto: imago/Eastnews

Der neueste Zwischenfall ereignete sich am Samstag in der ostrumänischen Stadt Tulcea, nahe der ukrainischen Grenze. Die rumänische Armee sichtete eine unbekannte Drohne, worauf sie zwei F-16-Kampfjets zu einer Beobachtungsmission aufsteigen liess. Nach rund 20 Kilometern verschwand das Flugobjekt vom Radar, passiert ist nichts.

19 Drohnen in einer Nacht

Zur bisher grössten Drohneninvasion war es in der Nacht auf vergangenen Mittwoch gekommen, als gleich 19 russische Drohnen in den polnischen Luftraum eindrangen. Für viele Experten war klar: Da konnte nur Absicht dahinter stecken. Der Luftabwehr gelang es, die Drohnen abzuschiessen, wobei durch herabstürzende Trümmer ein Gebäude beschädigt wurde.

Für die polnische Regierung waren die 19 Drohnen ein gezielter «militärischer und politischer Test nicht nur für Polen, sondern für die gesamte Nato». Der Kreml lotet damit die Reaktionsfähigkeit und den Zusammenhalt der Nato aus, sucht Schwachstellen und setzt auf Einschüchterung.

Solche Zwischenfälle zählen zu Provokationen in der sogenannten «grauen Zone», weil sie nicht als bewusste Angriffe definierbar sind. Sie können im Westen zu Massnahmen wie Protestnoten, verstärkter Abschreckung oder Sanktionen führen, nicht aber zu einer militärischen Vergeltung.

Muskeln spielen lassen

Was aber, wenn die Drohnenangriffe zunehmen – wenn die Russen sogar bewusst Ziele wie Nato-Einrichtungen oder heikle Infrastruktur ins Visier nehmen? Sicher ist: Ein militärischer Gegenschlag ist die letzte Lösung. Zuvor gibt es mehrere Stufen.

Nachdem Verhandlungen bisher nicht gefruchtet haben, befindet sich die Nato in der Stufe der verstärkten Defensive, die sie nun im Rahmen von «Eastern Sentry» weiter ausbaut. Das heisst: Die Truppen an der Ostflanke werden aufgestockt, die Luftabwehr ebenfalls.

Ein weiteres Mittel, seine Muskeln dem Gegner zu zeigen, sind Militärübungen in der Nähe zur russischen Grenze – so wie es die Russen zurzeit mit der Übung nahe der belarussisch-polnischen Grenze machen. Auch die Aktivierung der schnellen Eingreiftruppe Allied Reaction Force liegt auf dieser Ebene.

Immer Türen offen halten

Auf diese Massnahmen folgt die aktive Abwehr, bei der die Nato feindliche Geschosse mit Störsendern und Cyberangriffen zu unterbinden versucht. Es ist ein wichtiges Zeichen an den Gegner, dass die Nato ihr Territorium aktiv verteidigt. Lässt der Gegner dann immer noch nicht locker, folgen gezielte Präzisionsschläge gegen Kommandoposten, Abschussrampen oder Waffenlager auf dem Gebiet des Feindes.

Wichtig: Solche Angriffe geschähen stets mit dem Ziel, die Eskalation tief zu halten. Das heisst: keine Menschenleben gefährden, die Kommunikationskanäle zum Gegner immer offenhalten und ihm die Möglichkeit geben, seine Angriffe einzustellen.

Letzte Stufe würde Krieg bedeuten

Die letzte Stufe ist eine Stufe, die wohl definitiv zum grossen Krieg führen würde. Falls russische Angriffe Nato-Territorium ernsthaft beschädigen oder Menschen töten, könnte der Bündnisfall ausgelöst werden. Es käme zu massiven Luftschlägen gegen russische Stellungen, zu Blockaden auf See sowie möglicherweise zur Stationierung weiterer Atomwaffen in Osteuropa.

Noch steht die Nato bei Stufe Verteidigung, was allerdings einigen Politikern zu wenig weit geht. Allen voran dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (47). Er nennt die jüngsten Drohnenangriffe eine «offensichtliche Ausweitung des Krieges» und fordert ein entschlossenes Handeln. Gegenüber den europäischen Staaten sagte er: «Wartet nicht erst auf Dutzende Drohnen und ballistische Raketen, um endlich Entscheidungen zu treffen.»

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